BLIND GUARDIAN gehören zu jenen Bands, die sich von Album zu Album immer weiterentwickelten und bei denen kein Album genau wie ein anderes klang. Waren die ersten Alben noch ziemlich frisch, ungestüm und recht simpel, fanden BLIND GUARDIAN auf „Tales From the Twilight World“ ihren eigenen Stil und perfektionierten ihn meiner Meinung nach schließlich auf „Imaginations From the Other Side“. Danach ging es musikalisch allerdings steil bergab. „Nightfall In Middle-Earth“ hat zwar einige gute Songs, aber das Konzept als Hörspiel und der etwas überproduzierte Sound gingen mir jedoch gegen den Strich. So hoffte ich, dass BLIND GUARDIAN mit „A Night at the Opera“ wieder zu alter Stärke würden zurückfinden können.
Leider erwies sich meine Hoffnung als Fehlschlag. Schon der erste Song „Precious Jerusalem“, der mit einem bombastischen Intro und vielstimmigem Chorgesang beginnt, gibt die Richtung des ganzen Albums vor: anstatt dass man auf frische Ideen, kreative Melodien und Gitarrenläufe sowie spannende Songs setzt, werden sämtliche Songs mit bombastischen Keyboards und überbordenden Chorgesängen zugekleistert. Die Gitarrenmelodien klingen zwar ganz nett, kommen mir aber fast alle schon irgendwie bekannt vor. Zum Beispiel erinnern einige Gitarrenparts von „The Maiden and the Minstrel Knight“ an „Mirror, Mirror“. Die Lieder sind allesamt durchgehend nicht wirklich schlecht, aber es gibt keine neuen Ideen und man wartet auf den Funken, der von der Musik auf den Hörer überspringen soll, der den Weg aber offensichtlich nicht findet.
Beim kompletten Durchlauf des Albums fängt spätestens mit dem 5. Song der Chorgesang an, nervig zu werden. Auch die etwas sterile, zu glatt polierte und überproduzierte Atmosphäre der Musik geht einem nach einer gewissen Zeit auf den Keks. Dazu kommen ein wenig abwechslungsreicher Gesang von Hansi Kürsch sowie die immer ähnlich aufgebauten Refrains. Negativ fällt zudem noch auf, dass auf der Platte geschwindigkeitsmäßig wenig Abwechslung herrscht. Bei recht gedrosselter Geschwindigkeit regiert der Bombast, und die Songs werden lediglich stellenweise durch einige balladeske Elemente aufgelockert. Ziemlich austauschbar und unspektakulär bleiben sie aber trotzdem. Nur zwei Songs schaffen es, sich etwas länger im Ohr festzusetzen, und zwar die beiden letzten „Punishment Divine“ und „And Then There Was Silence“.
„Punishment Divine“ ist etwas härter und schneller als der Rest des Albums, dazu fällt dort der ganze Keyboard-Kitsch nicht so besonders auf. Auch ganz ordentliche Gitarrenstrukturen sorgen dafür, dass der Song nicht gemeinsam mit den anderen untergeht. „And Then There Was Silence“ war bereits vor Release des Albums bekannt, da es ja als Vorab-Single ausgekoppelt wurde. Auf die Idee, ein 14-minütiges Lied als Single zu verwenden, kommen wohl nur die allerwenigsten Bands, aber dieser Song ist wirklich noch der beste auf „A Night at the Opera“. Ziemlich abwechslungsreich und im Vergleich zu den anderen Liedern recht kurzweilig gehen BLIND GUARDIAN hier zur Sache. Zudem passen auch die Chorgesänge und die bombastische Stimmung ausnahmsweise ganz gut, so dass man mit „And Then There Was Silence“ zumindest einen halbwegs versöhnlichen Abschluss vom Album hat.
Als Fazit steht jedoch fest, dass die blinden Wächter mit „A Night at the Opera“ ein recht ideenloses, wenig berauschendes, mit Bombast zugekleistertes Über-Kitsch-Machwerk abgeliefert haben. Von den alten Qualitäten, die Alben wie „Somewhere Far Beyond“ ausgezeichnet haben, ist nichts mehr übrig geblieben. Und auch „Nightfall...“ ist wesentlich besser. Allerdings sind BLIND GUARDIAN mittlerweile so gute Musiker, dass sie den totalen Absturz vermeiden können und zumindest technisch perfekt klingen. Den Fans der alten Stunde bleibt aber nur die kleine Hoffnung auf Besserung beim nächsten Album oder der Griff zur „Dreamland Manor“ von SAVAGE CIRCUS.
Punkte: 4.5 / 10