Die Norweger von "Keep Of Kalessin" sollten mittlerweile ziemlich jedem ein Begriff sein. 2003 hat Ur-Mitglied Arnt O. Grønbech (aka Obsidian Claw) zusammen mit Attila Csihar ("Mayhem") und Frost ("Satyricon", "1349") die EP "Reclaim" eingespielt und veröffentlicht. Diese wurde 2011 von Indie Recordings mit zwei Live-Bonus-Tracks neu veröffentlicht.
Wer bisher nur den Stil der letzten zwei Alben kennt, wird überrascht sein, denn "Reclaim" klingt anders. Rasend schnell und variationsreich gespielte Drums - dafür ist Frost auch mehr als bekannt -, verzerrte, sägende Gitarren und der charakteristische Gesang seitens Herrn Csihar. Puristischer Black Metal der alten norwegischen Schule also. Dennoch finden auch diverse moderne Einflüsse Platz, um die fünf Studio-Songs zu verfeinern. Zudem wird hier großteils auf Melodie verzichtet, im doch sehr krassen Gegensatz zu neueren Werken der Truppe. Die Ausnahme bildet hier der atmosphärische Mittelteil von "Come Damnation", welcher durch eine grandiose Gitarrenarbeit überzeugen kann. Trotz der großteils rasend hohen Geschwindigkeit werden die Lieder nicht langweilig und bleiben stets spannend. Abwechslungslosigkeit kommt also zu keiner Sekunde auf, auch durch die verschiedenen Tempowechsel, welche neben der üblichen Raserei hie und da eine Verschnaufpause bieten.
So ist es für mich sehr schade, dass es nicht mehr "Keep Of Kalessin"-Material mit diesem Lineup gibt. Frost beweist hier erneut, was in ihm steckt. Sein Schlagzeugspiel ist für mich doch sehr einzigartig und weist eine ganz eigene Charakteristik auf. Dazu kommt der sehr einzig- und im positiven Sinne auch eigenartige, tiefe Krächz-/Röchel-Gesang von Sänger Attila. Dieser verleiht den Songs, zusammen mit der herausragenden Saitenarbeit von Obsidian Claw, eine ganz eigene, düstere Atmosphäre.
Die beiden abschließenden Bonus-Tracks sind Live-Versionen zweier Songs der EP, "Come Damnation" und "Reclaim", und wurden im Jahre 2004 am Blæst im norwegischen Trondheim aufgenommen. Klanglich gibt es hier rein gar nichts auszusetzen: Sehr guter, druckvoller Sound und dazu der gewisse Live-Charme. Das Lineup war zum Zeitpunkt der Aufnahme noch dasselbe wie auf der EP, daher ist der Unterschied zu den Studio-Versionen nur sehr gering. Dennoch sind die zwei Lieder auch live sehr nett anzuhören und machen sogleich Lust auf mehr.
Ob die beiden Live-Tracks nun den Kauf der Neuauflage rechtfertigen, ist natürlich fraglich, wobei auch das brandneue Cover-Artwork sehr schick aussieht. Wer mit den aktuelleren Werken von "Keep Of Kalessin" nichts anfangen kann, sollte dennoch auch die weniger melodische, rohere Seite der Band kennenlernen. Es kann also nicht schaden, dabei über seinen eigenen Schatten zu springen und "Reclaim" anzutesten. Außer natürlich, man will diese grandiose EP verpassen!
Punkte: 8 / 10