Die norwegische Band "Shining", nicht zu verwechseln mit der schwedischen Version mit demselben Namen, wurde 2001 als Jazz-Band gegründet und hat in den letzten Jahren einen außerordentlich ungewöhnlichen Stil entwickelt, welchen man auf dem neuen Output "Blackjazz" zu hören bekommt. An der obigen Genreangabe Progressive Rock darf man sich jedoch nicht wirklich festhalten, da man diese Scheibe unmöglich in eine Schublade stecken kann.
Eines vorweg, ich hab' mich beim Schreiben eines Reviews wohl noch nie so schwer getan wie bei diesem hier. Denn was "Shining" hier abliefern ist einfach unglaublich. Ich habe nur selten so anstrengende, schwer verdauliche, unüberschauliche und schwer zugängliche Musik gehört. Das, was hier geboten wird, lässt sich nur schwer in Worte fassen. In ein Genre kann man "Blackjazz" unmöglich eingrenzen. Ich höre hier Black Metal, Jazz, Progressive Rock/Metal, Industrial Rock/Metal, Electronic und und und. Die Musik selbst ist extrem abwechslungsreich, sehr experimentell, teilweise progressiv, unheimlich wirr (oder eher komplex?), aber dennoch, auch wenn es kaum vorstellbar ist, an manchen Stellen verdammt eingängig.
Gearbeitet wurde mit den üblichen Rock- und Metal-Instrumenten Schlagzeug, Bass- und E-Gitarre. Dazu kommen noch Keyboards, Synthesizer und, was wohl das Ungewöhnlichste und Hervorstechendste an der Musik ist, ein Saxofon, welches den Songs noch einmal eine persönliche Note der Norweger aufdrückt. Innovativ und neu ist diese Form der Tonkunst auf jeden Fall. Die Instrumente wurden allesamt höchst professionell bedient, die Musiker sind definitiv Profis in ihrem Gebiet. Das zeichnet sich auch dadurch aus, dass die Herren die Songs auch live darbieten können, wie man u.a. auf YouTube zu sehen bekommt. Der Sound ist sehr klar, was sehr erfreulich ist, da man so noch etwas Überblick über all diese Keyboard- und Synthie-Effekte behalten kann. Der Gesang ist durchgehend verzerrt und klingt teilweise nach klagendem Geschrei, teilweise sogar etwas Black Metal-ähnlich. Dennoch sind die Texte großteils zu verstehen.
Jeder der neun Songs hat seine eigenen Trademarks, und obwohl keiner wirklich aus der Reihe tanzt, sind die neun Stücke so unterschiedlich wie nur vorstellbar. Der Opener und Zweiteiler "The Madness And The Damage Done" oder die Singleauskopplung "Fisheye" klingen nach verdammt krassem Progressive Rock/Metal. "Omen" und das Ende von "Blackjazz Deathtrance" dagegen sind schon mehr in die Kategorie des Noise einzuordnen. Der erste Teil von "Exit Sun" oder "21st Century Schizoid Man" klingen stellenweise sogar etwas doomig. Und doch passt alles zusammen und man kann nach dem Hören des gesamten Albums mit positiven Gedanken zurückblicken.
Zum Abschluss gibt's dann noch ein krankes Cover von einem der besten Progressive Rock-Songs aller Zeiten, "21st Century Schizoid Man" von "King Crimson" aus dem Jahre 1969. Als kleinen Bonus gibt's hier auch noch "Enslaved"-Sänger und -Bassist Grutle Kjellson am Mikrofon zu hören. Wenn man den Stil von "Shining" kennt, kann man sich bereits vorstellen, was einen hier erwartet. Die Norweger haben den Song nicht einfach gecovert, sondern auch ihre eigenen Ideen miteingebracht und den Song ihrem Stil angepasst. Das Riff klingt nach Doom Metal und wird vom Saxofon begleitet. Der Gesang ist abermals extrem verzerrt und klingt einfach scheußlich. Das Komische daran ist nur, dass genau das zu gefallen weiß. Es passt alles zusammen, und das bei jedem Song, auch wenn die einzelnen Komponenten noch so scheinbar wirr zusammengewürfelt wurden.
Ich war bereits am Überlegen, ob ich der Platte die volle Punktezahl geben soll, habe mich letztendlich zu Anderem entschlossen und vergebe "lediglich" neun Punkte. Der Grund dafür sind die Stücke "Omen" und "Blackjazz Deathtrance", welche zwar nicht minder genial sind als die anderen Lieder und auch ins Gesamtbild passen, aber mit fast neun bzw. fast elf Minuten sehr lang, und meiner Meinung nach zu lang ausgefallen sind. Natürlich ist das Album als Ganzes ausgezeichnet, aber meine persönlichen Favoriten sind der Zweiteiler "The Madness And The Damage Done", das erste "Exit Sun"-Stück, das "King Crimson"-Cover und "Fisheye". Womöglich liegt es am, im Verhältnis zu den anderen Songs gesehen, Ohrwurmcharakter der Stücke, da die restlichen, wie bereits erwähnt, teilweise schon in die Richtung von Noise gehen; ich weiß es nicht. Was ich aber weiß, ist, dass "Shining" mit ihrem fünften Album ein Meisterwerk kranker Musik gelungen ist. Ob man es nun als schön betrachtet, oder auch nicht, Kunst ist es auf jeden Fall; und das liegt bekanntlich immer im Auge des Betrachters. Daher kann ich allen aufgeschlossenen Musikfreunden empfehlen, sich hineinzuhören und sich etwas länger damit zu beschäftigen, da einen die Musik anfangs einfach umbläst und überfordert, wie auch mich am Anfang. Nun muss ich jedoch gestehen, dass "Blackjazz" bisher eines der besten Alben im Jahre 2010 darstellt.
Punkte: 9 / 10