:Wumpscut: Cannibal Anthem (2006) - ein Review von DarkForrest

:Wumpscut:: Cannibal Anthem - Cover
1
1 Review
2
2 Ratings
9.00
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Dark Wave / Gothic: EBM, Industrial


DarkForrest
20.04.2023 08:20

Bei einem Projekt, welches so lange besteht und derart viele Alben generiert hat wie :Wumpscut:, ist es nicht ungewöhnlich, dass sich das musikalische Schaffen in mehrere Phasen einteilen lässt. Und auch wenn die Übergänge sicherlich fließend sind würde ich bei :Wumpscut: die Zeit von "Boeses Junges Fleisch" bis einschließlich "Cannibal Anthem" als die experimentelle Phase bezeichnen, bei der jedes Album irgendwie anders klang, man vorher nie so genau wusste, was man bekommt (auch in welcher Form Alben und Singles veröffentlicht werden), aber gleichzeitig trotzdem jedes Album einen musikalischen roten Faden hatte.

"Cannibal Anthem" schließt diese Phase nicht nur mit einem festen musikalischen, sondern auch inhaltlichen Konzept ab: wie der Name schon vermuten lässt, steht diesmal Menschenfleisch auf dem Menü und wenn man bedenkt, dass 2006 der Fall um Armin Meiwes - den Kannibalen von Rothenburg - noch einigermaßen aktuell war, dann ist es gar nicht so verwunderlich, dass jemand wie Rudy Ratzinger sich auf dieses Thema stürzt. Obwohl auf so manchem Album des Niederbayerns thematisch halbwegs sowas wie ein roter Faden gelegt wird, sind echte Konzeptalben bei :Wumpscut: eher die Ausnahme. Mir fällt da spontan eigentlich nur noch "Boeses Junges Fleisch" ein. Und genauso wie auf dem Album, welches für mich die experimentelle Phase eingeleitet hat, gibt es hier komplett deutsche Lyrics (was damals eher die Ausnahme als die Regel war).

Musikalisch hat sich nach dem ruhigen und poppigen "Evoke" wieder einiges getan und das Album lässt sich vom Klang her teilweise sogar ganz gut mit "Boeses Junges Fleisch" vergleichen. Wir haben hier ein weites Spektrum, welches bei ruhigen Balladen anfängt und bei absoluten Brechen aufhört, und der Sound klingt insgesamt ziemlich düster und dreckig - deutlich weniger poliert als auf den letzten drei Alben. Alles klingt zudem weniger abgerundet und auch etwas weniger professionell. Das mag zu einigen Ecken und Kanten führen - bis hin zu Songs, die etwas unfertig daherkommen. Auf der anderen Seite wirkt es aber auch kreativer als zum Beispiel ein "Bone Peeler", das eigentlich nichts falsch gemacht hat, aber ein paar Überraschungen vermissen lässt.

"Cannibal Anthem" war auch das erste Album, für das ich mir damals die auf 1515 Exemplare limitierte Box kaufen musste, um an die Remix-CD zu kommen. Ich weiß nicht, ob es irgendwo da draußen auch eine normale 2-CD-Version gibt - ich habe sie damals jedenfalls nicht gefunden. Das heißt, dass ich jetzt neben den CDs noch allerhand Merch bei mir rumliegen habe. Wer also noch dringend einen Kalender für das Jahr 2006 braucht, kann sich gerne melden. Nett finde ich auch das T-Shirt, welches sogar recht hübsch anzusehen ist, mir in Größe XL aber eher als Nachthemd taugt. Keine Ahnung, ob Rudy sich da selbst als Maßstab genommen hat oder was der Grund war, warum er es für eine gute Idee gehalten hat, XL als Default-Größe zu verwenden.

Die zweite CD klingt dabei zumindest in der Theorie gar nicht mal so spannend wie zum Beispiel die Bonus-CD, die wir noch bei "Evoke" hatten, denn fast alle Remixes konzentrieren sich hier auf zwei Songs. Ganze 8/15 Songs sind hier alleine schon Remixes zu "Jesus Antichristus"! Aber vielleicht versteckt sich ja auch die eine oder andere nette Überraschung auf der Bonus-CD…
Aber schauen wir doch erstmal auf CD 1:

Hier überrascht "Cannibal Anthem" direkt mal mit "Herzlich Willkommen" - einem kurzen Introsong, was für :Wumpscut: eher ungewöhnlich ist. Bis auf eine nette kleine Anspielung auf die gute alte "Dried Blood"-EP (ein kleines Sample aus "Body Parts"), gibt es hier aber nicht viel zu entdecken. Das Intro wirkt etwas seltsam, fast schon deplatziert und der Opener "Wir Warten" bietet im Grunde schon alles, was man sich zur Eröffnung von einem :Wumpscut:-Album wünschen kann. Eigentlich bietet "Wir Warten" sogar noch einiges mehr, denn der Song ist zwar melodisch und zugänglich genug, um direkt im Gedächtnis zu bleiben, wie sich das für einen guten Opener gehört, geht aber derart heftig nach vorne, wie man das seit "War" auf "Embryodead" nicht mehr gehört hat. Für mich absolut großartig zu hören, dass :Wumpscut: auch 2006 noch absolut brutal klingen kann.

Als nächstes werden direkt die beiden Songs rausgeballert, um die sich alles auf "Cannibal Anthem" zu drehen scheint: "Die Liebe" und "Jesus Antichristus". Beide Songs sind mit "Album Edit" gekennzeichnet, als würde uns hier etwas besonderes erwarten, fast alle Remixes drehen sich um diese beiden Songs, es existiert eine eigene Single namens "Jesus Antichristus / Die Liebe" und selbst auf dem Cover der normalen CD-Version klebt ein Sticker, der nochmal auf diese beiden Songs hinweist. Dass bestimmten Songs mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, ist auch bei :Wumpscut: nicht ungewöhnlich. Ich kann mich aber an kein Beispiel erinnern, bei dem so sehr zwei Songs im Vordergrund standen wie hier.

"Die Liebe" wird diesem Hype für mich leider kaum gerecht. Im ersten Moment klingt alles sehr erfrischend und abwechslungsreich, was bei mir leider nur so lange anhält bis mir bewusst wird, dass sich musikalisch alles um eine Art Synth-Melodie dreht, die in super kurzen Abständen immer und immer wieder geloopt wird, was sehr schnell anfängt zu nerven. Die Vocals sind nicht furchtbar, aber recht simpel gehalten, was nicht gerade günstig ist, um die langweilige Musik auszugleichen. Als besonderes Gimmick haben wir im Refrain noch so eine Art Chorgesang-Effekt (keine Ahnung, wie man das eigentlich nennt), wie man ihn vielleicht bei Bands wie Samsas Traum oder eher poppigen NDH-Projekten erwarten würde, der mich absolut kalt lässt. Er schadet dem Song meiner Meinung nach auch nicht mehr, wertet ihn aber auch nicht auf. In dieser Version finde ich "Die Liebe" leider echt langweilig, aber das Potential für Remixes ist sicherlich da. Ich bin mal gespannt…

"Jesus Antichristus" hat dagegen meiner Meinung nach seine Position als Aushängeschild des Albums zu Recht. Es klingt im ersten Moment gar nicht mal so anders als "Die Liebe" - elektrobetonte Midtempo-Nummer ohne viel Schnickschnack - aber am Ende wesentlich fesselnder. Die Musik bleibt zwar dezent, wirkt aber ziemlich ausgereift und bietet einen schönen Kontrast zu Rudys harten Vocals, welche eigentlich recht melodisch bleiben aber im Gegensatz zur Abmischung von "Evoke" so viel Power haben, dass sich alles zu einem wunderbaren Gesamtwerk fügt.

Vielleicht konnte man "Cannibal Anthem" bis jetzt vorwerfen, dass es zu wenig Abwechslung und Innovation geboten hat, was sich aber spätestens mit dem Titeltrack ändern dürfte. Keine Ahnung, wo ich hier überhaupt anfangen soll. Die Lyrics sind diesmal ausnahmsweise nicht deutsch, sondern in einer Sprache verfasst, die ich identifizieren konnte (klingt ein bisschen wie niederländisch). Obwohl das Tempo eher langsam ist, kommt der Song unglaublich intensiv daher, die Melodie ist absolut fesselnd und als wenn das noch nicht genug wäre, wird man hier auch noch mit wirklich ordentlicher Gitarrenarbeit verwöhnt, die dem Song einen Touch von Psychedelic Rock verleiht. Keine Ahnung, warum dieser Song nicht mehr Liebe von den Fans bekommen hat und ziemlich schnell wieder in Vergessenheit geraten ist. Ich finde ihn absolut großartig.

Mit "Auf Der Jagd" ist auch dieses Mal ein nettes kleines Instrumental enthalten und ähnlich wie "Draussen" auf "Boeses Junges Fleisch" oder "Tomb" auf "Evoke" setzt es auf eine Mischung aus Elektro und Streichinstrumenten - eine Kombination, die ich eigentlich immer sehr faszinierend finde. "Auf Der Jagd" kann da für mich leider nicht ganz mithalten, denn im Gegensatz zu den anderen beiden Songs ist es mir etwas zu schnell und hektisch, um die gleiche Atmosphäre zu bieten oder um für sich alleine gut zu funktionieren. Im Kontext vom Album passt er aber ganz gut und ist ein schöner Übergang zwischen den beiden Hälften der ersten CD.

Für "Pass Auf" hat sich Rudy mal wieder weibliche Unterstützung bei den Vocals geholt und lässt eine Dame, die im Booklet als Onca gelistet ist, den Gesangspart übernehmen. Ich erinnere mich daran, dass einige sich über den Song lustig gemacht haben und er seiner Zeit eher wenige Fans hatte. Ich bin da etwas hin und her gerissen. Ja: beim ersten Hören klang das alles für mich auch ziemlich seltsam, weil man direkt mit einer Menge Zeugs konfrontiert wird, das erstmal nicht so recht zusammenpassen will. Wir haben ein langes Intro von über einer Minute, danach sehr langsamen cleanen Gesang, Flüstern, schnellen und digital bearbeiteten Gesang und das alles wird von eher experimenteller Musik untermalt. Wirklich singende Frauen bei :Wumpscut: weichen zudem ziemlich stark vom monotonen Einsprechen der Texte ab, wie wir es sonst von Aleta Welling, Clara S. etc. kennen. So ist "Pass Auf" in vielerlei Hinsicht ungewohnt, aber gleichzeitig abwechslungsreich und mit der Zeit habe ich den Song zu schätzen gelernt, auch wenn ich die Gesangsleistung von Onca zumindest hier etwas limitiert finde. Bei "Pass Auf" ist das noch nicht so ein großes Problem, da zumindest durch die Abwechslung und digitale Bearbeitung einiges kompensiert wird.

"Jetzt" ist gerade im direkten Vergleich zu "Pass Auf" sicherlich alles andere als komplex - musikalisch wirkt es fast schon stumpf und auch die Lyrics gewinnen bestimmt keinen Preis. Aber wisst ihr was? Ich feier den Song trotzdem sehr. Auf eine sehr simple Art macht er mir wirklich Spaß, er ist super zugänglich und die doch recht harten Vocals in Kombination mit der simplen tanzbaren Musik sind manchmal alles, was es für einen guten Song braucht.
Bei den letzten drei Songs geht "Cannibal Anthem" aber leider ein wenig die Puste aus. Es wirkt fast so, als ob Rudy sich hier mehr darauf konzentriert hätte, seine Geschichte zuende zu erzählen, als gute Songs zu schreiben. Textlich gefallen mir die letzten drei Songs alle gut, aber musikalisch haben alle drei ein paar Probleme - wenn auch ganz verschiedene.

"Ohne Dich" ist die traurige Ballade des Albums und mit Piano und Violinen wird hier auch ziemlich dick aufgetragen. Aber obwohl er nur knapp 4 ½ Minuten lang ist, fühlt er sich doch deutlich länger an, weil er doch recht zäh wirkt. Bei "Hunger" meldet sich Onca nochmal zurück, wobei der Song deutlich einfacher gehalten wurde als "Pass Auf". Alles klingt sehr flach und poppig. Am ehesten lässt sich das vielleicht noch mit "Maiden" von "Evoke" vergleichen, wobei "Maiden" zumindest noch etwas experimenteller war. Das hier finde ich eher langweilig.

"Recht Vor Gnade" ist von den letzten drei Songs derjenige, der mich noch am meisten anspricht. Musikalisch ist er angenehm düster und bedrohlich, langsam aber trotzdem sehr einprägsam - großartige Atmosphäre. Auch textlich ist es ein wunderbarer Abschluss der Kannibalen-Geschichte, die hier erzählt wird. Das Problem, das ich damit habe, ist, dass Musik und Vocals für mich nie so richtig miteinander harmonieren wollen. "Recht Vor Gnade" wäre einer der wenigen Songs, bei denen ich mir vorstellen könnte, dass eine alternative instrumentelle Version eine echte Bereicherung sein könnte. Allerdings muss ich auch sagen, dass der Song, wie er jetzt ist, mit jedem Hören für mich etwas besser funktioniert und immer noch einen ganz guten Abschluss des Albums bildet.

Damit ist das eigentliche Album durch und ich bin schonmal ziemlich zufrieden - auf jeden Fall eine Verbesserung gegenüber "Evoke". Ich mag vor allem, dass es abwechslungsreich ist und sich sowohl Songs finden, mit denen ich sehr schnell in's Album gefunden habe ("Wir Warten", "Jetzt", "Jesus Antichristus") als auch solche, die sich mir mit der Zeit erschlossen und dafür gesorgt haben, "Cannibal Anthem" ein paar mal am Stück durchzuhören und mich etwas länger mit dem Album zu beschäftigen ("Pass Auf", "Recht Vor Gnade"). Auf der anderen Seite haben wir ein paar Ecken und Kanten und auch offensichtliche Schwächen, aber das Positive überwiegt hier für mich.

Aber wir haben ja noch einen riesigen Berg an Remixes vor uns. Gehen wir mal alles Song für Song durch.
"Die Liebe" ist einer der beiden beliebten Songs und hat immerhin ganze 4 Remixes bekommen. Der erste davon ist von :Wumpscut: selbst und nennt sich "Slow Motion Remix" - ja genau: das Gimmick ist hier, dass das Tempo deutlich reduziert wurde. Natürlich wurde der Song nicht einfach nur 1:1 übernommen und etwas langsamer abgespielt, sondern auch entsprechend angepasst, damit alles gut klingt, aber wirklich viel wurde hier nicht verändert. Es klingt erstaunlich, aber das alleine reicht absolut aus, um aus einem Song, dem ich kaum etwas abgewinnen konnte, ein wirklich gutes Stück zu machen. Alleine der Synth-Loop klingt in langsam so viel besser und in dieser Version klingt "Die Liebe" deutlich intensiver und unterscheidet sich auch viel besser von "Jesus Antichristus". Hier hätte man locker das Original weglassen und die SlowMo-Version auf CD 1 packen können.

Aber auch der Ansatz von Yendri ist ganz spannend. Musikalisch wurde der Song geringfügig verbessert. Nichts allzu wildes, aber schön zu sehen, wie kleine Veränderungen bei so einem monotonen Song schon Wunder wirken können. Das Spannende hier sind aber die weiblichen und englischen Vocals, die hier Rudys Vocals ersetzen und ich muss sagen, dass ich wirklich angetan bin. Nett wäre auch ein Duett zwischen den beiden gewesen, aber wenn ich mich für eine Version entscheiden muss, dann ganz klar Yendri.

Sacdar versuchen sich dann schließlich an einem klassischen Remix in Form einer etwas aufgemotzten Version von "Die Liebe". Auch das ist okay und definitiv eine kleine Verbesserung zum Original. Mir wurde hier allerdings zu wenig verändert. Ich würde die Sacdar-Version zwar immer noch gegenüber dem Original vorziehen, aber für sich alleine genommen ist dieser Remix immer noch kein spannender Track.

Als letztes versuchen sich noch Cerebral Apoplexy an einem Remix. Ich habe damals beim Hören vom Original mal spaßeshalber überlegt, wie es wohl klingen würde, wenn aus dem Song jemand einen rein instrumentalen Remix machen würde, ohne besonders viel an der Grundstruktur zu verändern - also quasi nur dieser öde Synth-Loop. Erst als ich mir für das Review hier CD 2 nochmal aufmerksamer angehört habe, ist mir aufgefallen, dass Cerebral Apoplexy tatsächlich mutig (oder bekloppt) genug waren, genau das anzugehen. Man muss sagen, dass sie sich Mühe gegeben haben, das wenige, was hier noch übrig bleibt einigermaßen ansprechend zu präsentieren und das beste aus einer ziemlich bescheuerten Idee raus zu holen und ich bin am Ende überrascht, dass man es sich sogar einigermaßen anhören kann, aber viel mehr als meine Neugier befriedigen konnte dieser Remix dann doch nicht.

"Jesus Antichristus" scheint ja als der absolute Übersong des Albums zu gelten und ich mag ihn ja auch, aber 8 Remixes? Ich weiß ja nicht…
Den Anfang machen Feindflug und entsprechend martialisch geht es los. Wer Feindflug kennt, wird vielleicht deren alles wegfegende Industrial-Marschmusik mögen und gut eine Minute lang bekommen wir genau das geboten, während man das Original darunter immer noch gut erkennen kann. Sobald aber die Lyrics einsetzen, ebbt meine Begeisterung etwas ab. Vielleicht bin ich es einfach nicht gewohnt, Feindflug-Musik mit Vocals zu hören, aber ich finde, dass sich die eh schon harten Vocals mit der harten Musik etwas beißen und nicht so gut miteinander harmonieren. Falls man aber einen richtig schön harten Track sucht oder sich mal wieder bei den Nachbarn unbeliebt machen möchte, gibt es sicherlich schlechteres zur Auswahl.

Als nächstes haben wir zwei Remixes, die jeweils eine Seite des Songs besonders hervorheben: Cynical Front die atmosphärische Seite, so dass daraus ein sehr entspannter Track wird und Cerebral Apoplexy die fetten Beats, sodass man damit super die Tanzfläche auseinander nehmen kann. Beides gelungene Ideen, die zeigen, wie komplex und abwechslungsreich das Original ist.

Auch der "Psychedelic Art" Remix ist für mich noch eine coole Idee. Der Name ist hier Programm und wir bekommen hier sehr psychedelische und abgefahrene Entspannungsmusik, die sich wahrscheinlich schwierig einem Genre zuordnen lässt. Auch wenn das Ganze sehr minimalistisch ist und man den Originalsong darunter nur noch erahnen kann, mag ich sowas.

Bei den restlichen 4 Remixes von "Jesus Antichristus" vergeht mir aber so langsam die Lust, denn mittlerweile zeichnet sich hier auch ein Trend ab, der auf späteren Remix-CDs von :Wumpscut: für die eine oder andere berechtigte Kritik gesorgt hat: eine Masse an relativ generischen instrumentalen Remixes, die alle sehr ähnlich klingen, nur wenig mit dem Original zu tun haben und eher so wirken, als wolle ein mittelmäßiger Techno-DJ sein können unter Beweis stellen. Den Xotox-Remix würde ich hier auch noch durchgehen lassen, aber das auch eher, weil er am ehesten meinen persönlichen Geschmack trifft und etwas mehr Tempo und Energie mitbringt als die anderen drei.

Bei Yendri und Recently Deceased wird es schon etwas kritischer. Beide Künstler haben schon oft genug bewiesen, dass sie an sich sehr gute Remixes für :Wumpscut: machen können und bringen hier jeweils auch ein wenig eigenen Touch mit. Trotzdem finde ich die beiden Interpretationen von "Jesus Antichristus" ziemlich langweilig, es bleibt wenig hängen und bei ganzen 8 Remixes von einem Song gehen sie einfach gnadenlos unter.

Auch der Psycho Shop Remix fällt streng genommen in diese Kategorie und trifft nicht so wirklich meinen Geschmack. Allerdings muss ich ihm zugute halten, dass er für mich als Laien ziemlich ordentlich zusammengebastelt erscheint und auch über knapp 6 Minuten Laufzeit noch abwechslungsreich wirkt.

Okay, nach diesem "Jesus Antichristus"-Overkill können wir uns noch den Rest von CD 2 angucken. Überraschenderweise hat "Pass Auf" immerhin noch zwei Remixes spendiert bekommen. Damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet. Möglich wäre hier immerhin einiges gewesen: vielleicht ein düsterer, instrumenteller Remix von "Recht Vor Gnade" oder etwas, was dem Song "Hunger" etwas mehr Substanz gibt? Nope: es ist ausgerechnet "Pass Auf" geworden.

Den ersten Versuch starten Cerebral Apoplexy, die daraus mal eben ein sehr beatlastiges Future Pop Stück machen. Ich hätte nie gedacht, dass das gut klingt, aber ich mag es tatsächlich. Für mich eine sehr schöne Alternative zum Original. Die Naked Beat Interpretation kommt (wie man es von Naked Beat so kennt) sehr minimalistisch daher. Hier wurde wirklich ziemlich viel dran rumgeschraubt, bis wirklich nur noch die nackten Beats und ein wenig Ambient übrig geblieben sind. Ich bin ehrlich: mein Ding ist es nicht. Wirkt auf mich eher wie ein starkes Downgrade zum Original.

Ganz zum Abschluss gibt es mit "El Comandante" sogar noch einen komplett eigenständigen Song, der es nicht auf CD 1 geschafft hat und welcher auch eh nicht in das Konzept des Albums gepasst hätte. Er ist relativ schnell und hart, hat weibliche Unterstützung und ist für einen typischen B-Seiten Song meiner Meinung nach echt ordentlich geworden. Vielleicht keine versteckte Perle, für die man sich extra die 2-CD Version kaufen muss, aber definitiv ein netter Bonus. Allerdings einer, der auch schon im Vorfeld auf der "DJ Dwarf Six" zu finden war und man könnte jetzt streiten, ob es sinnvoll war, den Song hier nochmal auf das Album zu packen, aber das wäre jetzt hartes Nitpicking.

So und damit sind wir jetzt auch durch mit der gigantischen "Cannibal Anthem" 2-CD-Box. Ich muss sagen, dass das Album nach "Evoke" auf jeden Fall wieder eine Verbesserung darstellt und auch die Bonus-CD besser geworden ist, als ich es anhand der Tracklist erwartet habe. Ja, die Abwechslung an Songs lässt hier zu wünschen übrig, aber dafür gibt es noch erstaunlich wenige Filler und sogar ein paar Tracks, die für sich genommen großartig sind und die ich nicht mehr missen möchte. Für Fans ist also tatsächlich mal wieder die Doppel-CD die bessere Wahl.

Ist "Cannibal Anthem" unter den Top 3 meiner :Wumpscut:-Lieblingsalben? Bestimmt nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass nachdem "Bone Peeler" und "Evoke" eine eher polarisierende Wirkung auf die Fans hatten, "Cannibal Anthem" von vielen eher mal komplett ignoriert wurde und das hat es wirklich nicht verdient. Alleine durch das Konzept und ein paar wirklich großartige Songs geht es auch in der riesigen :Wumpscut:-Diskographie für mich nicht unter und ich bin immer mal wieder für eine Runde Kannibalismus zu haben.

Punkte: 8 / 10


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