Wolf Maahn Der Himmel Ist Hier (1992) - ein Review von Spike65

Wolf Maahn: Himmel Ist Hier, Der - Cover
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1 Review
4
4 Ratings
8.75
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Singer / Songwriter / Liedermacher


Spike65
19.11.2018 14:31

Zum Ende der Zusammenarbeit von Wolf Maahn und Axel Manrico Heilhecker kommt noch einmal ein absolutes Meisterwerk, auf dem Heilhecker jedoch nur noch musiziert und zusammen mit Nachfolger Helmut Krumminga geniale Gitarrenarbeit einbringt, die Kompositionen sind jedoch durchweg von Wolf Maahn. Und mit 17 Tracks und 75min Spielzeit wird nach Wegfall der Vinyl-Version nun auch das CD-Format wirklich ausgenutzt - und das erfreulicherweise nicht durch hinzufügen von zweitklassigem Füllmaterial: Das Niveau des Songwriting ist durchgängig hoch, das Material musikalisch und von den Themen her auch abwechslungsreich - eine Scheibe, die ihr Geld in jeder Hinsicht wert ist.

Beim Opener "Venus", einem straighten Rock'n'Roll, erweist Helmut Zerlett an der Hammond im Intro seine Reverenz an Jon Lord, indem er das Intro von "Highway Star" zitiert, bevor Heilhecker mit seinem knackigen Gitarrenriff einsteigt. Eine Nummer die einfach abgeht und Spaß macht. Im Anschluß wird mit "Total verliebt in dich" der Moment des ersten Zaubers besungen, in dem man noch gebannt beobachtet, auf die Gelegenheit wartet, Kontakt mit diesem wunderbaren Wesen aufzunehmen, und in maßloser Selbstüberschätzung glaubt für einander bestimmt zu sein. Eine relativ cleane Strat und zurückhaltendes Schlagzeug bestimmen den Sound dieser Ballade. "Wilde Pferde" ma(a)hnt kühlen Kopf zu bewahren und im Moment der scheinbar unwiederbringlichen Gelegenheit nicht allen Verstand über Bord zu werfen, sondern die möglichen Konsequenzen abzuwägen. In Zeiten, die von der Angst vor AIDS-Infektion geprägt sind, vom freiheitsliebenden Wolf ein sehr verantwortungsbewußter und vernünftiger Song. Nach langsamer erster Strophe nimmt dieser Gitarrenrocker Tempo auf und bringt die eigentlich uncoole Message eingängig rüber. Mit "Nicht für Silber, nicht für Gold" geht es wieder runter vom Gas: Ein hymnischer Refrain bringt die Kernaussage rüber, sich nicht von materiellen Dingen blenden und kaufen zu lassen, sondern auf innere Stimme und Gewissen zu hören, bevor man Dinge tut, die man später bereuen könnte.
Herrlich entspannt kommt "Mach's gut Schwester" daher, ein Song über das Ende einer langjährigen Beziehung zwischen Freundschaft und Liebe - wenn man so will das positive Résumé eines lang gehegten Irrtums. Die Gitarrenarbeit und die Drums haben etwas von Clapton's "Lay down Sally". Und genauso entspannt geht es weiter mit einem der Maahn-Klassiker zum Thema Freiheit und Selbstbestimmung, dem groovig-eingängigen "Freie Welt". Programmatisch stellt Wolf klar:"Du gehörst nicht mir und ich gehör nicht dir ... jeder ist geboren zu machen was er will", und ein immer wiederkehrender Lick aus nur drei Tönen bindet das alles zusammen und gibt dem Song eine wunderbare Leichtigkeit und einen unwiderstehlichen Groove.
Ein weiteres Highlight der Scheibe ist "Selbstrespekt", das ruhig mit einem Klavier-Intro beginnt, doch schnell Fahrt aufnimmt und gut rockt. Textlich ist der Song ein Arschtritt für alle von Selbstzweifeln geplagten mit der Message:"Es geht nicht darum, die Erwartungen anderer zu erfüllen, sondern einzig darum, seinen eigenen Weg zu finden und den selbstbewußt zu gehen!". Wolf motzt lautstark:"Ich vermisse Respekt, uuuh einfach Selbstrespekt!", während Gitarre und Klavier im Sechzehntel-Stakkato zum mitrocken animieren - live eine schweißtreibende mitsing- und mittanz-Nummer.
Ein weiteres Abschiedslied kommt mit dem ruhigen, hymnischen "Frei von mir", dessen Klavier in der ersten Strophe ein wenig an "Let it be" erinnert. Es ist ein Song vom loslassen, vom Abschied im Guten, vom den Weg frei machen, damit der/die andere wieder glücklich werden kann. Ein weiser Text und eine wirklich schöne Musik - kann man mehr verlangen? Richtig: Ein geiles Saxsolo zu Schluß - und auch das kriegt man hier ...
Mit "Sie ist wieder da" wird es wieder rhythmischer, grooviger, wenn Wolf die Wiedersehensfreude in Musik und Worte faßt, wenn man die Geliebte nach längerer Trennung wieder in Armen hat. Die Dinge des Alltags werden nebensächlich, es zählt einzig der Moment:"Hautnah! Sie ist wieder da! Hier kommt meine süße erhab'ne Prinzessin und macht alles klar ...". Sie ist nicht sein "Baby", kein Anhängsel, nein sie ist eine erhabene Prinzessin und die Hauptdarstellerin.
Und groovig geht es weiter mit "Gut, gut, gut" mit funkigem Baß, jazzigem E-Piano, einer hingetupften Hammond und einer coolen Strat - soulig tanzbare Rockmusik: Es muß nicht immer ne Ballade sein, um jemand zu sagen, daß man sie/ihn gut findet. Und nach diesen schweißtreibenden Beats folgt wieder ein herrlich entspanntes, sommerliche Atmosphäre versprühendes "Weit ist der Süden", das mit cleaner Strat, Mundharmonika und diverser Percussion unaufdringlich, aber melodisch ansprechend den Hörer auf die Reise nimmt. Wieder rockiger geht es weiter mit "Fallensteller" - ein heute nur zu aktueller Song zum Thema Rattenfänger, Populisten und Neonazis, eine Warnung und gleichzeitig Maahnung zur Wachsamkeit, sich von ihnen nicht blenden und vereinnahmen zu lassen.
Doch weg von Politik und Gesellschaftsthemen: Ein Stones-mäßiges Gitarren-Riff rockt zu "In der Tür geirrt", in dem Wolf auf Knien um Erhörung seiner Liebe fleht - doch die Angesungene bleibt kalt und hat kein Interesse. Kein Liebeskummer-Blues, nein die lautstarke Verkündung der Erkenntnis "Ich hab mich in der Tür geirrt!".
Ohrwurmig gefällig kommt "Reicher Romeo" daher, das Lied von der grauen Maus und ihrem Traum vom Traummann - und Wolf verkneift sich da jeglichen Kommentar, es gibt keinen erhobenen Zeigefinger: Der Hörer soll selbst entscheiden, ob er mit der Besungenen Mitleid hat, weil ihr Traum sich wohl nicht erfüllen wird, oder ob er Sympathie empfindet für ihre Art, sich nicht vom Alltag unterkriegen zu lassen. "Verbündeter" ist ein Mutmacher-Song mit der Message:"Nur Mut! Wenn's hart auf hart kommt, kannst du dich auf mich verlassen.". Auch hier wieder rockige Gitarrenarbeit.
Kurz vor Ende des Albums wird's nochmal besinnlich mit "Und der Abend geht vorbei", das sich immer weiter steigert und am Ende fast hymnenhaft daherkommt. Und das Finale macht eine Auftragskomposition:"Cool" ist die Titelmusik zur Tatort-Folge "Der Mörder und der Prinz".

Ein abwechslungsreiches Album mit wirklich guten Texten. Songs, die man vielleicht seinem pubertierenden Nachwuchs vorspielen möchte, weil diverse Texte ganz gute Leitlinien sind, wie man die ein oder andere schwierige Situation meistern kann, oder die schlicht und einfach helfen, Selbstvertrauen zu entwickeln. Abgesehen von den zwei genialen Live-Alben ist diese Scheibe mein absoluter Liebling von Wolf Maahn.

Punkte: 9 / 10


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