Der Übergang zwischen den Stücken ist mehr oder weniger fließend, und der erste Song „Icarus and I“ darf wohl als Musterbeispiel für einen epischen, komplexen und jederzeit schlüssigen Songaufbau im derzeitigen Schaffen dienen. Einzig störendes Detail hier ist das eingestreute, absolut mittelmäßige Keifen, etwas gemein möchte ich es mal „Shagratisierung“ nennen. Gibt es ähnlich bereits bei „Of Empires Forlorn“, einem Song, den man nicht zuletzt wegen seiner ebenso simplen wie höchst effizienten Riffs eigentlich nur ehrfürchtig auf Knien hören sollte.
Dann ist da der allerspätestens seit „Fear Of Infinity“ häufiger zu vernehmende Aspekt der Kitsch-Gefahr, dem sich WHILE HEAVEN WEPT meiner Meinung nach schon zu Recht aussetzen müssen: „Heartburst“ mit seinem „I’m burned and I’m broken too, ohohooooo“-Gesängen. Das ist schon hart an der Grenze des Zumutbaren, was ich von einer Metal-Band hören möchte. Freilich ist das alles nicht neu, vielmehr schon angelegt etwa bei „Unplentitude“ vom Vorgänger, schon auf „Vast Oceans Lachrymose“, ach was, schon von Anfang an im Schaffen der Band, man nehme „Voice In The Wind“ von „Of Empires Forlorn“.
Um von einer Enttäuschung zu sprechen, ist die Musik von WHILE HEAVEN WEPT zu großartig, aber warum bleibt die große Begeisterung auch nach dem mindestens zwanzigsten Hören immer noch aus? Weil die Band meiner Meinung nach seit ihrem Zenit mit „Vast Oceans Lachrymose“ - für mich aber auch schon kein 10-Punkte-Album gewesen - nicht mehr so ergreifend ist. Schon „Fear Of Infinity“ war ein minimaler Rückschritt, mit dem neuen Werk wird dieser einmal mehr vollzogen. Mag Herr Philips doch auch noch so schwärmen, aber er schreibt eben Gefühlsmusik, und die wird halt unterschiedlich aufgenommen. Lobenswert, dass er diese Epen nicht auf eine Spielzeit von 60 bis 70 Minuten auswalzt, sondern stets mit rund 40 Minuten auskommt, um zweifelsfrei zeitlose, dramatische Musik zu bieten. Und doch schafft es die Band, bereits im Intro die ersten Längen zu präsentieren. Wie machen die das bloß?
Es muss an der eigenen Art und Weise des im Laufe der Jahre neu entwickelten Songwritings liegen. Der zweite Teil des Albums markiert das denke ich ganz gut. Ist man nicht konzentriert bei der Sache, dann rauscht die Musik an einem vorbei, und plötzlich ist die Musik zu Ende. Und das ging mir nicht nur einmal so. (Das mag aber auch daran liegen, dass ich aus verschiedenen Gründen keine Möglichkeit mehr habe, Musik mal ordentlich laut zu hören. Trotzdem, das allein kann es nicht sein.) Den Grund habe ich hier ausgemacht: Nach dem schmissigen Instrumental „Indifference Turned Paralysis“ (eingerahmt von ruhigen Pianonummern) ist der Schwung weitgehend raus, die angesprochenen Spannungsbögen sind deswegen nicht weg, sie verlaufen nur auf einem niedrigerem Level. Na gut, „Souls In Permafrost“ ist hier nochmal so ein Aufbäumen, danach ist es aber wirklich vorbei. Nahtlos folgt „Searching The Stars“, und dieser Titel kann nicht als eigenständiger Song gewertet werden. Ja, er hat einen gewissen Drive dank der Schlagzeugarbeit, doch die Gesangslinien sind zu redundant und nur mäßig ergreifend. Dann „Reminiscence Of Strangers“, auch nur ein seichtes Zwischenspiel, kein richtiges Lied mehr, „Lifelines Lost“ auch nur Gitarrensolo mit mäßig ergreifendem Gesang. Diese letzten genannten drei Titel also sind schon eine Herausforderung für den Hörer, das abschließende „Retrospectus“ lässt das Album mit seichten Keyboards ausklingen.
Dem gegenüber steht wie oben gesagt – ich wiederhole mich hier gelegentlich – die lange Nummer „Icarus And I“, und dieser Kontrast innerhalb der Songaufbauten ist verwunderlich.
Bedenkt man nun, dass ein beachtlicher Teil der ohnehin nicht üppigen Spielzeit für gemäßigtere, „kitschige“ Klänge verwandt worden ist, dann muss man schon staunen über die Konsequenz des Songschreibers Philips. Der Mann weiß schon, was er will. Musik zunächst mal für sich selbst schreiben, so wie Musiker es ja immer wieder betonen. Das Album „Vast Oceans Lachrymose“ hat er ja schon mit zwei Instrumentals äußerst beschaulich und auch etwas gewagt beendet.
Die Zeit der Hymnen wie dem genannten „Of Empires Forlorn“ „Thus with a Kiss I Die“ (Hammer!) und „In Aeternum“, ist vorbei. Die simple Großartigkeit dieser Kompositionen in ihrer zähen, majestätischen Tragik wurde durch immer progressivere Arrangements ersetzt. Und das darf man schon etwas bedauern…
Ganz zum Schluss noch ein etwas ungewöhnlicher Dank an Nuclear Blast, die LP-Version mal nicht in zehn verschiedenen unnötigen Farben zu pressen wie sogar bei Carcass. (Entschuldigung, dass ich immer wieder damit komme, aber was soll das? Ich mein, wer will denn ernsthaft Carcass in orange rumstehen haben; muss man sich ja fast schämen.) Aber auch nur eine einzige CD-Version ist hier bisher erfasst. Hier kann man sehen, dass WHW bei ihrer Plattenfirma nicht gerade zu den Top Acts (sprich Top Sellern) gezählt werden. Kann man andererseits wieder froh sein. Oder wollte das die Band so? Sich der Nuclearblastisierung der Metalwelt bewusst etwas verweigern. Wer weiß.
Wer gelegentlich über Kritiken von mir stolpert, weiß vielleicht, dass ich ganz oft in der Lage bin, irgendetwas zum Kritisieren zu finden. Auch bei Truppen, die ich ganz außerordentlich schätze. Und somit habe ich auch „Suspended At Aphelion“ endlich geschafft, ist mir verdammt schwer gefallen.
Für mich sind WHW inzwischen zu einer Band geworden, bei der ich trotz aller unbestrittenen Qualität der Meinung bin, ich müsse keine weiteren Tonträger erwerben. Wem geht das nicht auch immer wieder mal so?
Mal auf den Nachfolger warten.
Punkte: 8 / 10