Meine erste Berührung mit TIAMAT fand mit der, in einschlägigen Musikmagazinen heftigst beworbenen und positiv bewerteten "The Astral Sleep" statt und ich war anfangs ziemlich angetan von diesem etwas versofteten DeathMetal. Das Album hatte für mich seinerzeit einen ganz neuen Sound. Das Debüt klingt zwar im Grunde ähnlich, wenn auch grimmiger und roher, aber ich kannte es damals schlicht nicht und als ich etwas später von "Sumerian Cry" erfuhr, war es nicht einfach ein Exemplar auf CD zu ergattern. Auf "The Astral Sleep" veredelten TIAMAT ihren individuellen Sound mit dezent eingesetzten Akustikgitarren und träumerischen Synthesizern, was schließlich auf ihren nachfolgenden Alben immer weiter intensiviert wurde.
Trotzdem schlug das ganz leicht orientalisch angehauchte "The Astral Sleep" damals in [Death]Metal-Kreisen ein wie eine Bombe und machte TIAMAT relativ bekannt. Endlich eine Platte die der treue ExtremMetaller auch mal mit der Freundin hören konnte. Natürlich beäugten die ganz Harten diese Entwicklung auch sehr kritisch und das nicht ganz unberechtigt, denn es folgten Heerscharen von Bands, die den ursprünglich harschen Todesblei seiner Ecken und Kanten beraubten und ihn mit allerlei Kitsch einschmierten, um ihn netter bzw. massenkompatibler zu machen. Der Todesblei-Trend ebbte dann recht rasch ab und rieß die meisten jener Trittbrettfahrer mit sich. Aber auch viele etablierte Kapellen verschwanden von der Bildfläche, meist mit peinlichen, letzten Hilferufen.
TIAMAT entledigten sich immer mehr ihrer metallischen Wurzeln und erschufen 1994 mit "Wildhoney" einen Klassiker, der ganz beachtlich und vor allem heute noch empfehlenswert ist. Auch ich stand in jenem Jahr beim Hören dieser Platte fassungslos vor meiner billigen Kompaktanlage und hörte dem Metal beim Sterben zu. PINK FLOYD und andere alte Hasen klopften an der Tür und die naive "Wildhoney" wurde schließlich immer unwichtiger für mich.
Dennoch hielt ich diese Scheibe lange für meine Lieblings- TIAMAT, bis ich vor einigen Wochen kontinuierlich den MP3-Player mit der "The Astral Sleep" bestückte. Irgendwie wurde mir wieder mal zu langsam bewusst, wie geil ich das Teil eigentlich (immer noch) finde. Zwischen knochentrocken und bezaubernd-arrangiert funktionieren die Songs für mich heute besser als je zuvor, was sie nicht nur musikgeschichtlich, also als "[Missing-]Link" sozusagen, interessant macht.
Ich muss mir wieder mal eingestehen, dass mir erst jetzt bewusst wird, was das für eine tolle Platte ist. Gerade zum Ende der Spielzeit öffnet sich eine fantastisch glitzernde Märchenwelt und bringt den grade noch headbangenden DeathMetaller zum Staunen und Träumen. Die Tracks funktionieren nach über 20 Jahren immer noch und lassen in mir nur den einen Schluß zu, dass es sich hier um einen astreinen Klassiker handelt, welcher sicherlich streitbar ist, aber dennoch vom geneigten Musikbegeisterten gehört werden sollte. Der Sound kommt mir richtig gut und sehr zeitlos vor, oder blendet mich da etwa ein wenig Nostalgie?
Die Wiederveröffentlichung auf 180 Gramm Vinyl bekommt man relativ günstig und sie läuft zumindest bei mir richtig gut. Auch bei der optischen Gestaltung gibt's absolut keinen Kritikpunkt, denn die hübsche Verpackung mit messinggoldenem Druck ist auch hier wieder zu bestaunen. Überhaupt waren Anfang/Mitte der 90er viele Scheiben von CenturyMedia mit ihren edelmetallischen Farbtönen immer ein Hingucker! Man denke nur an "Where No Life Dwells" von UNLEASHED (silber), "Cursed" von MORGOTH (bronze), "Mandylion" von THE GATHERING (gold) etc.
Also eine ganz klare Empfehlung!
Punkte: 7.5 / 10