Soko Friedhof Im Beichtstuhl Der Begierde (2001) - ein Review von DarkForrest

Soko Friedhof: Im Beichtstuhl Der Begierde - Cover
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7.00
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Dark Wave / Gothic


DarkForrest
15.11.2022 08:03

"Im Beichtstuhl Der Begierde" ist das zweite Album von David A. Lines Nebenprojekt Soko Friedhof und gleichzeitig das erste Mal, dass die Soko ihre Songs weder als Teil eines Samplers, noch als Gratisbeilage in einem Magazin veröffentlicht hat. So zu sagen ist das hier also das erste klassische Album, welches von Anfang an im Jewelcase mit allem drum und dran einzeln gekauft werden konnte. Lustigerweise war bis zu meinem Review gerade dieses Album eines der Soko Friedhof Alben, die ich am wenigsten komplett gehört habe. Die wichtigsten Songs hatte ich natürlich gut im Kopf, aber an fast alles, was es später nicht auf die erste "Best Of" geschafft hat, hätte ich mich jetzt so spontan nicht erinnern können. Also war es auch für mich eine spannende Erfahrung, mir "Im Beichtstuhl Der Begierde" die letzten Wochen immer mal wieder am Stück zu geben.

Obwohl ich das Ganze nicht als Konzeptalbum verstehe, sind Name und Cover ganz passend gewählt - Kirche und Erotik spielen hier eine besonders große Rolle und ziehen sich als roter Faden durch die ganze CD. Wie schon bei "Grabschönheiten" gibt's wieder 12 Songs, allerdings hatte man sich hier seit dem Debüt schon ein gutes Stück weiterentwickelt. Vocals sind jetzt nicht mehr die absolute Ausnahme und Tracks, die nur aus Musik und Sprachsamples bestehen, haben jetzt ungefähr den gleichen Anteil wie etwas komplexere Songs. Der Sound ist ebenfalls etwas besser geworden. Die Drums stammen zwar immer noch aus dem Drumcomputer, aber klingen nicht mehr ganz so beschissen und wurden diesmal auch auf ein vernünftiges Maß heruntergefahren und stechen jetzt nicht mehr ganz so penetrant hervor.

Sehr interessant ist hier eine gewisse Dichotomie zwischen tanzbaren und weniger tanzbaren Songs. Auf "Grabschönheiten" war alles recht einfach gehalten, aber zumindest einigermaßen melodisch. Hier haben wir jetzt ein paar echte Brecher, die ordentlich die Tanzfläche füllen dürften auf der einen Seite. Auf der anderen Seite sind die Songs ohne Vocals jetzt zwar experimenteller geworden, gehen aber teilweise kaum noch als Songs durch und haben eher etwas von Interlude, die für ein wenig extra düstere Stimmung sorgen.

Das Intro "Luzifers' Rising" wäre da auch gleich mal so ein Beispiel. Ich fand ja schon das Intro auf "Grabschönheiten" speziell, aber hiermit kann ich noch weniger anfangen. Inhaltlich ist einfach wenig da, aber wirklich in Stimmung bringt es mich auch nicht. Aber gut - ist ja nur ein Intro. Der Titeltrack ist da schon interessanter. Obwohl wir auch hier recht simple Elektromusik und Sprachsamples als Basis haben, klingt das Ganze ungewöhnlicher und kreativer als das meiste, was "Grabschönheiten" in diese Richtung zu bieten hatte. Bibelzitate treffen hier auf Filmzitate aus "Warlock" und einer Menge Gestöhne - dazu ein paar dunkle stampfende Beats und wir haben einen nicht gerade tanzbaren oder melodischen, aber doch sehr faszinierenden und fesselnden Track.

Mit "Perversion Bizarre" haben wir dann den ersten richtigen Clubhit der Soko. Und was soll ich noch großartig dazu sagen: er hat für mich absolut den Test der Zeit bestanden. Alleine der Takt der Musik ist absolut geil. A. Line gibt dem Ganzen mit geflüsterten Vocals die perfekte eigene Note und Greta Csatlos ergänzt es im Refrain wiederum mit ihren Vocals - übrigens das erste Mal, dass wir sie so direkt für die Soko singen hören dürfen. Als nächstes hätten wir dann "Das Bluthörspiel", das direkt an den Titeltrack anknüpft: wieder wird viel gestöhnt und wieder werden wir mit Bibelzitaten konfrontiert. Diesmal gibt's aber noch weniger Musik als noch beim "Beichtstuhl Der Begierde" und lässt das Ganze eher wie ein etwas schlecht platziertes Interlude, als wie einen richtigen Song wirken. Nachdem mich "Perversion Bizarre" richtig in Fahrt gebracht hat, hätte ich jetzt zwar nicht unbedingt das Bedürfnis, davon jetzt so ausgebremst zu werden, aber okay…

Das Album nimmt immerhin mit "My Mother Wears Black" recht schnell wieder Fahrt auf. A. Line zeigt hier, dass er auch wunderbar düstere Vocals beherrscht und beschert uns hier einen ganz feinen Darkwave Song, der fernab von Parodie oder over the top Schockeffekten absolut ernst zu nehmen ist - coole Sache. Mit "Thru The Looking Glas (Now!)" geht es qualitativ ähnlich hochwertig weiter. A. Line liefert sich hier ein wunderbares Duett aus seinen eigenen und gut dazu passenden weiblichen Vocals in einem eher langsamen Song, der schon als Ballade durchgehen könnte. Der Sound wirkt hier ziemlich rau und unpoliert, was dem Song meiner Meinung nach aber eher zugute kommt.

"Schau Mich Nicht So Böse An" finde ich wieder etwas schwierig - sehr experimentell das Ganze. Neben minimalem Beitrag vom Drumcomputer setzt der Track vor allem auf Mönchsgesänge im Hintergrund. Wenn ich mir das einigermaßen aufmerksam anhören will, klingt das für mich ziemlich doof. Lustigerweise funktioniert es etwas besser, wenn ich das Album am Stück im Hintergrund laufen lasse. Wirklich an's Herz gewachsen ist es mir trotzdem nicht. Absolut großartig ist dagegen wieder "Are U Psycho?" - sehr stimmungsvolle und atmosphärische Strophen, die viel Spannung aufbauen, die sich dann im Refrain wiederum sehr gelungen entladen kann. Für Soko-Verhältnisse ein ziemlich anspruchsvoller Song, den ich bis heute absolut liebe und der für mich aus der Diskographie von Soko Friedhof nicht mehr wegzudenken ist.

Damit kommen wir dann zum letzten Drittel von "Im Beichtstuhl Der Begierde" und das ist leider ein ziemlicher Krampf für mich. "Luzifers' Decline" ist ein reiner Ambient-Track, der sicherlich einigermaßen stimmungsvoll ist, aber auch schnell langweilig wird und für mich auch eher zum 2-Minuten-Interlude getaugt hätte, als zu einem vollwertigen Song mit über 4 Minuten Laufzeit. "Botschaft" geht in eine ganz ähnliche Richtung, nur mit noch mehr Ambient und noch weniger Musik. Die Samples sind ganz interessant, da wir hier sowohl welche aus dem aktuellen aber auch dem kommenden Album "Die Geschichte Eines Werwolfs" anhören können. Ein paar Sprachsamples, die rückwärts abgespielt werden, sind auch dabei. Wer weiß… vielleicht ergibt sich ja eine ganz sinnvolle "Botschaft" aus der ganzen Nummer, wenn man den Track rückwärts abspielt. Ich habe darauf allerdings keine Lust und so bleibt der Song für mich ein ganz witziges Gimmick, was nach einem Mal Hören langweilig wird.

Ein kleines Highlight ist dann aber noch "Ficken Und Töten" - wunderschön beknackter Song, der auch gut auf "Grabschönheiten" gepasst hätte, den man nicht allzu ernst nehmen sollte, der aber rein musikalisch gut ballert. Etwas lästig ist, dass "Botschaft" quasi nahtlos in "Ficken Und Töten" übergeht und man beide Tracks so voneinander getrennt hat, dass man bei zweiterem noch ungefähr 40 Sekunden des ersteren hat - blöd, wenn man nur "Ficken Und Töten" hören will.

Ganz zum Schluss gibt es noch das Outro "Exit", welches über 9 Minuten lang ist, aber nach gut 40 Sekunden plötzlich ausblenden. Hmm… das Backcover sagt 52 Sekunden, was eigentlich auf einen Hidden-Track schließen lassen dürfte. Nur wartet man gut 8 Minuten lang vergebens drauf und darf einfach nur Stille genießen. Hätte man komplett weglassen können. Im Prinzip hätte man für meinen Geschmack "Ficken Und Töten" irgendwo mitten im Album unterbringen und die ganze Show mit "Luzifers' Decline" beenden können, aber mich fragt ja keiner.

Was bleibt, ist ein etwas unglücklicher Abschluss für ein doch ganz nettes Album, mit dem sich die Soko im Vergleich zu den mittelmäßigen Anfängen ein bisschen steigern konnte. Teilweise haben wir hier eine beeindruckende Dichte an absoluten Hits und Klassikern wie "Perversion Bizarre", "Are U Psycho?" oder "My Mother Wears Black". Auf der anderen Seite haben wir hier extrem viel Füllmaterial, Intros, Outros und Interludes, die für mich kaum als richtige Songs durchgehen und die ich auch nicht vermissen würde, wenn sie fehlen würden. Vielleicht tu ich dem Album damit ja auch Unrecht und es will sich mir nicht als Gesamtwerk erschließen, aber wenn man das ganze atmosphärische Beiwerk weglassen oder zumindest deutlich kürzen würde, hätte man hier das bessere Album gehabt. Immerhin: man kann es tatsächlich ganz gut im Hintergrund laufen lassen, was dafür sorgt, dass einzelne Songs tatsächlich besser zur Geltung kommen, als wenn man sie einzeln hören würde - trotzdem werde ich "Das Bluthörspiel" oder "Botschaft" wohl eher weglassen, wenn ich mir mal wieder eine Soko Friedhof Playlist mache.

Punkte: 7 / 10


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