Soko Friedhof Devils Mark (2016) - ein Review von DarkForrest

Soko Friedhof: Devils Mark - Cover
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8.50
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Dark Wave / Gothic


DarkForrest
14.11.2020 13:08

Ich glaube bei Soko Friedhof hat sich der Stil im Laufe der Jahre so oft geändert, dass es schwierig ist, überhaupt noch ein Genre zu finden, welches das Projekt beschreibt. Mittlerweile fühle ich mich auch etwas doof, dass ich mich irgendwann mal über den einen oder anderen Stilbruch aufgeregt habe. Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass sich auch diverse Kotbrocken in der Soko-Diskographie befinden, die auch heute noch kaum hörbar sind, aber ich kann es David A. Line auch nicht wirklich übel nehmen, dass er sich auf seiner Spielweise namens Soko Friedhof austobt. So richtig ernst sollte man das Sideproject von Untoten eh nicht nehmen.

Deshalb war es auch immer etwas bekloppt, darauf zu hoffen, dass A. Line sich doch bitte endlich mal auf alte Stärken berufen und jetzt mal wieder ganz doll unbedingt ein Soko-Album rausbringen soll, welches so klingt wie früher. Die letzten drei Alben "Ghosts Of Berlin", "Black Magic" und "Satan And I" haben eh eher die Richtung des schwarzen Schlagers im Untoten Stil eingeschlagen und ich habe sie mir zwar brav gekauft, aber kaum reingehört. Na, vielleicht sollte ich das mal nachholen - am Ende entdecke ich noch ein paar Perlen. Danach wurde es aber ziemlich ruhig um die Soko. Vielleicht hat David A. Line sich ja einfach nur auf Untoten konzentriert oder keine Idee mehr gehabt, was er mit seinem Sideproject anfangen sollte…

… oder auch nicht. Am Ende hat sich rausgestellt, dass der gute David mir heimlich und unwissentlich meinen Wunsch von damals erfüllt hat: sich auf alte Stärken von Soko Friedhof zu berufen und dabei komplett Back to the Roots zu gehen. Und das geht eigentlich nur, wenn er sich wieder in den berliner Underground zurück zieht, aus dem er einst gekommen ist. So hat er tatsächlich seit 2016 mittlerweile zwei Soko Friedhof Alben und eine Split mit Untoten veröffentlicht, obwohl ich den Begriff "veröffentlicht" hier sehr großzügig verwende. Im Saturn werdet ihr die CDs jedenfalls nicht finden, auch auf eBay, Amazon oder sogar Discogs könnte das etwas eng werden. Hey, selbst Wikipedia ist sich noch nicht bewusst darüber, dass nach "Satan And I" irgendwas kam.

Aber im online Shop von David A. Line lässt es sich tatsächlich finden: das erste neue Underground Album von Soko Friedhof namens "Devil's Mark". Nachdem ich mich durch den eindeutig nicht für Smartphones konzipierten Shop gekämpft habe, kam einige Tage später ein nach Kippenrauch riechender Umschlag bei mir an, welcher "The Devil's Mark" beinhaltete. Die äußerst aufwendig gestaltete CD - Box mit Deluxe Booklet… Ne, wem will ich hier was vormachen - es gibt weder ein Jewelcase, noch ein Booklet, noch ein richtiges Cover. Einfach nur zwei schwarze Papersleeves mit den CDs drin. Selbst die Tracklist musste ich der Homepage entnehmen und die ist auch noch falsch, was beim ersten Hören für ordentlich Verwirrung gesorgt hat. Die CDs selbst sind aber ziemlich hübsch gestaltet. Die etwas abgefahrene Collage erinnert mich ein bisschen an das Cover vom "Hat Megatonnen Gift In Sich" - Sampler, den außer mir vielleicht noch drei Personen auf der Welt kennen.

Zumindest an der Quantität kann ich schonmal nicht meckern - zwei CDs, die beide locker die Länge eines ganzen Albums erreichen und insgesamt auf fast 1 ½ Stunden Laufzeit kommen. Selbst thematisch kann man fast beide CDs als jeweils eigenständiges Album betrachten. CD1 hat den ganz klassischen grufti-satanistischen Stil von damals als die Welt noch in Ordnung war, während CD2 etwas experimenteller ausgefallen ist und sich am von der Soko noch nicht ganz so ausgetrampelten Pfad der politischen Themen ausprobiert - dabei vor allem die Flüchtlingskrise, die 2016 noch auf einem ziemlichen Höhepunkt war. Tja, wenn man in den 2010'ern den deutschen Spießer noch triggern will und Satanismus alleine nicht mehr reicht, muss man schon ein bisschen mit der Zeit gehen, oder?

Aber fangen wir erstmal in Ruhe mit CD1 an. Nach dem kurzen Intro "I" geht es direkt mit dem Titeltrack "The Devil's Mark" los, der das Intro wiederum ziemlich cool in den eigentlichen Song einbaut und ich bin sofort verzaubert: extrem tanzbarer Sound, der hier fast ohne Vocals, mit ein paar Samples und einer recht einfachen Melodie zusammengebastelt wurde. Könnte für meinen Geschmack locker länger gehen als die knapp 2 Minuten. Was hat A. Line gleich nochmal zum nächsten Song "Geschöpf Der Nacht" zu sagen? "Ein erbärmlicher Versuch, einen Hit zu wiederholen, was natürlich scheitern musste.". Ganz so hart würde ich damit nicht in's Gericht gehen, zumal er eher mal melancholisch daherkommt, statt als Tanzflächenhit. Die dezenten Gitarren im Hintergrund und die Vocals verleihen dem ganzen auch etwas Tiefe. Leider geht beides hinter dem ganzen monotonen Elektrokrempel etwas unter. Schlecht ist das Ergebnis auf keinen Fall, aber auch schnell ausgereizt. Von mir aus hätte dieser Song hier zwei Minuten gehen können und "Devil's Mark" dafür etwas länger.

Nach dem kurzen Übergang "Güte" wird es mit "Fleischwolf" etwas härter. Ziemlich aggressive Beats, härtere Vocals von A. Line und Lyrics die auch nicht ganz ohne sind erinnern auch thematisch etwas an die Horrormetzgerei-Zeit von "Mord" und "Drom" mit einem entscheidenden Unterschied: "Fleischwolf" kann man sich tatsächlich gut anhören. Sicher keine musikalische Revolution, aber um kurz einen Song zu haben, der etwas mehr knallt, ist das Ding allemal gut. "Drag Me To Hell" ist so ziemlich das ganze Gegenteil: traurig, langsam, ruhig, extrem melancholisch. Bei den schmachtenden Vocals hier kommt man kaum auf die Idee, dass der gleiche Mann vorher noch "Fleischwolf" gesungen hat. Alle Achtung! Es ist schon etwas länger her, dass Soko Friedhof einen Song beigesteuert hat, der mir wieder richtig Gänsehaut macht.

Etwas epischer kommt "Lucifer, My Lord" daher. Alleine die Musik und Samples lassen mich an etwas experimentellere Werke von :Wumpscut: denken. Wenn jetzt noch Rudy Ratzingers verzerrte Stimme auftauchen würde, wäre mein Tag perfekt. So weit kommt's dann leider doch nicht und die Vocals, die wir haben passen tatsächlich nur bedingt rein, aber am Ende würde ich sagen, dass "Lucifer, My Lord" als solider Filler in Ordnung geht. "Genesis (Ich Bin Der Herr)" macht aber schon deutlich mehr Spaß. Das Tempo ist ordentlich, die Musik in Kombination mit dem Text gibt der ganzen Nummer ein angenehm trashiges Darkwave-Feeling.

"Build Something New" ist einer dieser langsamen, schweren Songs, der mich ziemlich stark an "Eliminate Your Pain" von ganz früher erinnert. Nach billiger Kopie klingt hier aber zum Glück nichts. Die Atmosphäre ist wirklich ordentlich und gefühlt wird das Ding mit jedem Mal hören besser. "Nightmare" ging bei den ersten 2-3 Durchläufen bei mir etwas unter, weil es weder einen besonders fiesen Ohrwurmcharakter hat, noch wie "Fleischwolf" oder "Drag Me To Hell" eine besonders extreme Ausprägung des Albums bedient. Trotzdem ist es ein echt sehr gut umgesetzes Stück, dass ebenfalls ein paar mal gehört werden muss, um besser zu werden.

An das gut 5-minütige "Dragon" komme ich dagegen bis heute nicht so ganz dran. Bei weitem kein schlechter Song und wahrscheinlich das groovigste Stück auf der CD, aber mehr als ein netter Filler wird das ganze wohl nicht mehr für mich werden. Dann doch lieber das catchige "Körperfresser" die englischen Strophen und der deutsche Refrain passen wie Arsch auf Eimer zu der sonst eher simplen Melodie - super zum Tanzen.

Wer es noch gesangslastiger möchte, kommt vielleicht mit "River Of Blood" auf seine Kosten. Obwohl es dem Song nicht an Tempo fehlt, hat er leider seine Längen, aber der Refrain kommt verdammt gut und entschädigt für einiges. Das ziemlich kurze "Finde Das Licht" geht bei mir fast schon als Dark Ambient Nummer durch. Sowas hat es bei mir immer etwas schwerer, da ich meine Gruftimucke doch mit etwas mehr Melodie mag, aber als kurze Atmosphärische Zwischennummer kann ich das so stehen lassen. Mit gitarrenlastigen "Fliegen" kommt jetzt zum Abschluss genau der Song, der mir noch gefehlt hat. Ein schrammeliger, dreckiger nostalgischer Ausflug in die Zeit, in der David unter Sonic Malade irgendwas zwischen Punk und Gothic rausgehauen hat. Danke dafür! Da ging mir doch glatt das Herz auf!

Hey, alleine das war schon wirklich großartige Unterhaltung, die Soko Friedhof wirklich wieder neues Leben eingehaucht hat. Ganz so wie in der Zeit vor "Blutrünstiges Mädchen" sind hier die Melodien eher schlicht, der Einsatz von Samples heftig und der Humor eher subtil und trotzdem funktioniert alles perfekt. Und das beste: wir haben noch eine ganze CD vor uns!

CD2 öffnet mit dem Intro "Alakba", welches mit seinem leicht orientalisch angehauchtem dezenten Gesang und dem Maschinengewehrfeuer im Hintergrund nicht nur eine angenehm hypnotischen Atmosphäre verbreitet, sondern bestimmt auch einen guten Teil der Hörer direkt in der ersten Minute vergrault - perfekt! Ähnlich wie auf CD1 wird das Intro wieder recht gekonnt in den ersten Song - diesmal "Achtung, Achtung!" - eingebaut. Okay, jetzt bewegt sich der Stil etwas mehr in der Zeit zwischen "Klingeltöne Satans" und "Totengräber", ist also weniger dezent und sorgt direkt für sehr viel Action und Provokation, was für mich absolut okay ist, da dieses Actionfeuerwerk ganz gut umgesetzt wurde.

Wirklich gut trifft meinen Humor aber "Wer Deutschland Nicht Liebt", welches die bekannten "Wer Deutschland Nicht Liebt, Soll Deutschland Verlassen" Sprechchöre auf den PEGIDA-Demos damals mit einem netten Beat unterlegt und ein paar ausgewählten Samples aus den Interviews mit den PEGIDA - Anhängern garniert. Und was soll ich sagen? Die Wutbürger können - wenn richtig abgemischt - erstaunlich musikalisch sein. Bonuspunkte gibt's von mir dafür, dass David A. Line es geschafft hat, einen Song zu schreiben, mit dem er wahrscheinlich sowohl gute Teile des rechten als auch linken Lagers anpissen wird.

"Lauf Um Dein Leben, Lauf" könnte so ebenfalls recht locker auf einem Soko-Album der späten 2000'er zu finden sein, ohne großartig aufzufallen. Auch hier gibt's ein ordentliches Tempo, deutsche Texte, eine klare Struktur und nichts, was unangenehm auffällt, aber auch wenig was unbedingt hängen bleibt. "Bangbangbang" ist ähnlich wie "Wer Deutschland Nicht Liebt" eine ganz nette Collage aus Soundschnipseln von politisch eher fragwürdigen Gestalten - egal ob Trump oder irgendwelche Salafisten, die Deutschland als Kriegsgebiet betrachten. Auch hier haben wir einen ganz netten Mix, der die ganzen bekloppten Leute doch ganz gut in's Ohr gehen lässt.

"Tötet Das Schwein" ist weniger mein Ding. Die ganze Musik auf der das alles aufgebaut ist klingt schon ziemlich billig und so langsam könnte David mal mit etwas ausgefalleneren Vocals kommen als seinem deutschen Sprachgesang. Tja, "Je Suis" erfüllt mir genau den Wunsch. Ein etwas langsamer Song in dem David tatsächlich singt und das auch noch auf Französisch - unterlegt mit einem echt kranken Beat, extrem passenden Samples, die gefühlt extra für diesen Song entwickelt wurden und eine unerwartete Härte, die doch von der Nummer ausgeht… Alles klar, ich bin schon ruhig. Alles geil, bitte weiter so!

Grüß Gott ist ebenfalls nett und bleibt bei der Formel "langsam und hart zugleich". Die Gitarren im Hintergrund machen da fast schon eine brauchbare NDH-Nummer draus. Okay "Das Saugen Des Vampyrs" danach ist ein ziemlicher Mindfuck. Keine Ahnung, wie ich das hier beschreiben soll, aber diesen Ohrwurm werdet ihr so schnell nicht mehr los. Rockiger Song für zwischendurch gefällig? Dann könnt ihr ein wenig zu "Maskenmann" abgehen. Auch das hier ist jetzt keine Offenbarung, aber völlig in Ordnung.

"Join Me" könnte neben den politischen Soundcollagen mit der experimentellste Song auf "Devil's Mark" sein. Hier geht eine ganze Menge ab, melodischer Gesang, catchiger Beat, ganz gefällige Synths und extrem aggressive Samples werden hier bunt zusammengewürfelt. Ich glaube nicht, dass was für jeden ist, aber ich bin einigermaßen begeistert. Der Abschluss "Sexual Impulses" hat eine Menge Potential und erinnert mich angenehm an "Jesussaft". Leider sind die elektronischen Arrangements etwas zu plump, um wirklich für einen gut abgerundeten Song zu sorgen, was etwas schade ist.

Damit sind wir jetzt wirklich einmal komplett durch und ich bin wirklich sehr angenehm überrascht. CD1 dürfte so ziemlich jeden Wunsch des Soko-Nostalgikers erfüllen. CD2 kann zwar nicht zu 100% mithalten, bietet aber immer noch mehr als solide modernere Soko-Qualität mit dem einen oder anderen WTF-Moment und hat mich direkt mehr in ihren Bann gezogen als alles, was unter der Soko die Jahre davor rauskam. Bis auf ein paar holprige Momente hat sich "Devil's Mark" verdammt gut geschlagen und hey: ich erwarte bei 27 Songs keine 27 Volltreffer. Schade, dass wahrscheinlich nicht besonders viele Leute diesen Reboot der Soko zu hören bekommen haben. Falls euch Soko Friedhof zuletzt also etwas langweilig geworden sein sollte und ihr euch auch nur halbwegs vorstellen könnt, David A. Line nochmal 'ne Chance zu geben, wäre "Devil's Mark" allemal noch einen Versuch wert.

Punkte: 8.5 / 10


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