Sido Aggro Berlin (2009) - ein Review von Monolith

Sido: Aggro Berlin - Cover
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∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Rap / Hip Hop


Monolith
26.08.2015 00:38

Sido macht jetzt Kindermusik. Streng genommen hat er es davor auch schon gemacht, nur vorher hat er es eben für die Kinder gemacht, denen der Nikolaus eine Rute schenkt, jetzt beschert er die Kinder mit Musik, denen der Nikolaus jedes Jahr die Stiefel füllt.

Das Intro ist eigentlich ziemlich überflüssig. Auch wenn Sidos letztes Album "Ich und meine Maske" hieß, so war er bereits da nur noch selten mit seiner Maske zu sehen. Dieses andere Mensch Getue kann er demnach auch dem Hasen geben, denn in dieser Form hat er sich auch schon auf den letzten beiden Alben demonstriert.

Auf "Aggro Berlin" allerdings ist Sido jetzt ganz erwachsen. Soll heißen er hat finanziell noch nicht ausgeschöpft und muss seine Zielgruppe erweitern. Natürlich muss Sido erst mal zeigen, wie weit er es im Deutschrap gebracht hat. Auf dem ersten Track, der so heißt wie er, erzählt er daher erstmal über seine letzten X Jahre, und wie er sich über die aktuelle Szene echauffiert, dass sein altes Label ganz doll böse war und sein einstiger Buddy Fler jetzt mit ihrem einstigen gemeinsamen Feind wieder gemeinsame Sache macht und er die Welt nicht mehr versteht. Wird das Album jetzt also etwas in Richtung "Maske"? Quatsch, dazu verrät die Art, wie das alles gerappt wird und das ganze Drumherum doch schon, dass das nichts mehr mit dem alten Rap zu tun hat.

Und demnach ist "Hey du!" auch nicht mehr das alte "Suchst du Streit, alta?" sondern eher eine aufmunternde Anrede. Seine Frau/Freundin Doreen ist auch auf dem Album vertreten und singt die Hook. Leider singt sie nicht so schön, wie sie aussieht, aber das ist eine andere Sache. Inhaltlich jedenfalls gefällt mir das Stück sehr, allerdings denke ich, dass Sido auch die Hook aufmunternder hätte gestalten können, denn man kann von seinem Rap halten, was man will, was seine Wortwahl und seinen Flow angeht, macht ihm so schnell keiner was vor. Und schlagfertige Passagen rüttelt er mal so aus dem Ärmel, wenn er den nötigen Stoff - ich meine Antrieb - hat.

Leider hat Sido einiges auf dem Album, was zum Fremdschämen anregt. Nicht nur lässt er Kurt Krömer die Skits einsprechen, die unwitzig und peinlich sind, und daher gleich von Sido selbst hätten eingesprochen werden können (Peilerman und Flow lassen grüßen), zum anderen geht dieses Anbiedern an die Märtyter-Attitüde a lá "ich bin cool und weiß was ich mache, und wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann weil ich Legendenstatus hab" extrem auf die Nerven, womit man auf dem Album dank "Wenn das alles ist" und "Ich bereue nichts" voll ausgedient ist. Auf letzterem macht wenigstens G-Hot eine gute Figur. Einziger Track, der in diesem Kontext funktioniert, ist "Seniorenstatus", auf dem Sido mit Samy Deluxe einen Ehrengast bereithält.

Schön, dass Sido hier wieder aus dem Vollen geschöpft hat und dennoch thematisch vielseitig bleibt, wenn auch verglichen mit dem Vorgänger etwas weniger breitgefächerter. "Schlampen von Gestern" und "Sicher?" dürften demnach auch für die erwachsenere Generation etwas sein, "Sie bleibt" macht immer Spaß, und dass er die Melodie von K.I.Z.s "Halbstark" dafür geklaut hat (die das sicherlich auch nochmal von woanders geklaut haben), darauf sind die nicht sauer, schließlich sind sie ja auf "der Tanz" vertreten.

Deine Lieblingsrapper haben sich ebenfalls wieder zusammen gefunden, und auf "Siggy & Harry" hab ich mich fast am Meisten auf dem Album gefreut. Auch hat sich Sido mit seinen alten beiden Freunden B-Tight und Alpa Gun zusammengesetzt und "für Jeden" etwas eingerappt.

Während diese beiden auch weiterhin noch im Rapgeschehen aktiv sind, sieht es für den Rest der Sekte anders aus. "10 Jahre" existierte diese Rapgruppe, doch was die Sekte hier darbietet ist im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein reines Trauerspiel. Der Beat schwebt über allen Parts der 8 Rapper, die Stimmung ist niedergeschlagen, die Punchlines mager. Dass Tony D als einziger einer Rapgruppe jemanden disst, das ist, als ob man einem Stotterer die Hauptrolle für ein Musical gibt! Nach "10 Jahren" hat sie die Sekte bei dieser schwachen Darbietung selbst zu Grabe getragen.

Streng genommen trifft das auf die ganze Sekte zu, nicht nur auf die Rapper um das Trio B-Tight, Alpa Gun und Sido. Ersterer hat sich mittlerweile auf eine Reise quer durch die deutsche Musiklandschaft gemacht und vermischt seinen Rap gerne mal mit Rock und sogar Metalcore, dank freundlicher Unterstützung von Emil Bulls. Hin und wieder besucht er den nicht mehr ganz so Untergrund und rappt Parts auf Alben von Blokkmonsta ein, der auf B-Tights aktuellem Album "Retro" ebenfalls vorhanden ist.

Alpa Gun hat sich mittlerweile komplett von Sido und auch der Rest der Sekte abgekapselt und versucht sein eigenes Ding zu machen. Sein Rap mischt er gerne mal mit türkischer Musik, und lädt sich dafür auch manch einen türkischen Musiker ein. Er sympathisiert mittlerweile auch mit Rappern, die eher aus dem arabischen Raum kommen. Allerdings scheint man von ihm seit seinem letzten Output 2014 "Geboren, um zu sterben" (das vom Namen und Artwork her eine schamlose Kopie des gleichnamigen Albums von Notorious B.I.G. ist) kaum mehr was zu hören.

Und Sido? Tja, Sido hat seinen Zenit erreicht. Einst trug er eine Maske, jetzt verbirgt er sein Gesicht hinter einem Bart. Er feiert einen Erfolg nach dem Anderen. Von allen Aggro Berlin Künstlern, die bis zum Schluss blieben, ist er wohl die bekannteste und kommerziell erfolgreichste. Was einst dieses "SuperIntelligente DrogenOpfer" so bekannt und einzigartig machte, ist heute verpulvert in Glanz und Gloria. Er ist erwachsen geworden, das ist richtig. Doch Sido hat bereits früher oft gesagt, dass er nur für Geld rappt. Tja, das hat er jetzt. Und heute kann er alles machen, was er will, sogar das später erschiene "#beste", das nur eine Compilation ist, verkaufte sich wie warme Semmeln. Mit dem Absetzen von Sidos Maske im Intro ließ er mehr als nur ein Symbol zurück. Diese Maske schien Sido gewesen zu sein und versauert nun im Schrank, während Herr Würdig als Schatten seiner selbst sich weiterhin dumm und dämlich verkauft.

Man sollte vorsichtig sein mit dem Wunsch, dass ein Künstler erwachsen wird. Das kann leicht falsch verstanden werden, und er biedert sich letztendlich nur an den kleinsten gemeinsamen Nenner an, die ihm die Bestätigung liefern, endlich erwachsen geworden zu sein, und dabei nur zeigen, dass er in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Punkte: 7 / 10


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