Metallica Hardwired...To Self-Destruct (2016) - ein Review von blackening

Metallica: Hardwired...To Self-Destruct - Cover
6
6 Reviews
84
84 Ratings
7.73
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Heavy Metal, Thrash Metal


blackening
19.11.2016 09:44

Ich bin seit Jahren Die-Hard Fan, stand hinter jedem Album und mochte auch jedes auf seine Weise. Und konnte ich auch mit Lulu wegen Lou Reeds Geschwafel wenig anfangen, so hatte ich Respekt vor dem Experiment und mochte Metallicas Beitrag.
Dann kam Hardwired......und ich bin wirklich schockiert und fassungslos, was meine Helden hier abliefern.
Wer keine lange Review lesen will, dem bringe ich es auf den Punkt: Wer seinen Metal zahm, penetrant eingängig, innovations- und spannungsarm, rückwärtsgerichtet, gleichförmig und im Hintergrund als seichte Unterhaltung konsumierbar mag, der kommt hier absolut auf seine Kosten.
Wer Musik eher als Kunst denn Unterhaltung sieht, sich gerne auf Musik konzentriert und diese Analysiert und von Künstlern Entwicklung erwartet, dem Rate ich bis auf wenige Momente und Songs von diesem Doppelalbum ab.

Zuerst zum Stil. Bis auf 2 Songs und gelegentliche Elemente in einer Handvoll Songs, ist das hier Heavy Metal, kein Thrash. Weswegen ich die Vergleiche mit dem Frühwerk der Band nicht ganz nachvollziehen kann. Mercyful Fate, Sabbath, Rainbow, Maiden und Konsorten werden hier fleißig nachgeeifert und teils fast schon zitiert. Neue oder zumindest nach 1990 entstandene Stilelemente sucht man mit der Lupe. Was ich einer Band, die sich für mich durch ein ständiges Forschen mit neuen Sounds und konstante Weiterentwicklung auszeichnete, mehr als übel nehme. Aber ok, ich werde hier versuchen, die Scheibe für sich zu betrachten.
Strukturell sind fast alle Songs ohne Übertreibung fast identisch ( wieder, das dürfte nur Leute stören, die wie ich Musik analysieren), wodurch ich die Platte recht einseitig finde.Die Songs sind meist im Midtempo, fangen mit einem fanfarenartigen Intro an, haben eine meist zu lange Strophe, Bridge, absolut penetranter Stadionrefrain. Womit wir zu einem der für mich grausamsten Aspekte der Platte kommen: Es gibt für mich einen sehr großen Unterschied zwischen "einprägsam" und "aufdringlich", die Refrains hier sind fast alle letzteres. Hauptsache, auch der letzte Betrunkene kann mitsingen. Bei Now That We're Dead und Moth Into Flame ist es am schlimmsten, für mich schon fast zum fremdschämen. Wenn ich sowas will, kann ich mir auch Bands wie Caliban anhören....
Zurück zur Struktur, nach dem 2. Chorus kommt fast immer ein 8tel Leersaitenriff, kurze geterzte klassische Melodie, improvisiertes Hammett-Solo, letzter Chorus. Nicht allzu spannend, nicht allzu überraschend, hängt Leuten wie mir nach 3 Songs spätenstens zum Halse raus.
Die meisten Songs wirken auf mich einfach unfertig, haben teils keinen wirklichen Spannungsbögen, sondern klingen wie das, was sie sind: innerhalb von jeweils einer Woche im Studio zusammengeklebte Riffs. Bei einigen Segmenten erkenne ich zumindest gar keinen Bezug zum Rest des Songs, die wirken, wie " hey, die Stelle ist voll geil, die MUSS irgendwo noch rein". Dazu sind fast alle songs schlicht zu lang. Wenn 4 Minuten lang nichts passiert, was meine Aufmerksamkeit einfordert, zieht sich der Song einfach wie Kaugummi. Wohingegen eine vertrackte 10 Minuten Abrissbirne wie Justice For All wie im Fluge vergeht.
Ansonnsten: die Riffs erinnern wie gesagt massiv an klassische Metalbands,dazu hat die Platte wohl die meisten Gitarrenmelodien überhaupt. Hetfield singt zumeist auch melodischer als üblich ( dennoch kraftvoll). Der Produzent hat Ulrich wohl überreden können, mal wieder mehr Fills zu nutzen und ihm gezeigt, dass es mehr als nur die Highhat gibt. Gefällt. Hammetts Soli wirken teils unfertig und sind für meinen Geschmack teils zu unsauber gespielt, was wohl daran liegt, dass es first takes sind. Kaum eines der Soli wirkt zwingend und ist meist einfach nur " oh die Stelle braucht aber dringend nen Solo".
Trujillo erfüllt den Posten des Standart-Metal-Bassisten: er fettet die Riffs auf, und ist dabei auch sehr gut hörbar. Eigene Parts hat er jedoch keine. Passt sehr gut zur Band, ist aber auch nicht spektakulär.

Bevor ich zu den einzelnen Songs komme, noch etwas zum Sound und der Produktionsweise.Die Songs basieren alle auf seit 2011 existierenden Rifftapes, wobei die von Hammett leider nicht benutzt werden konnten, da er sie verlor. Von Trujillo kam wohl nur Input zu einem Song. Jedenfalls haben sich dann Hetfiled/Ulrich zusammen mit Produzent Greg Fidelman ( welcher auch Death Magnetic unter Rubin betreute) dann im Studio getroffen, pro Song nach eigenen Angaben 1-2 Wochen alte Riffs gehört und kombiniert, mit Gesang versehen und dann Hammett und Trujillo dazugeholt. Hammett hat alles improvisiert, mit schwankenden Resultaten.
Jetzt kann man mich als Musiknazi oder sonstwas sehen, und ich geh vermulich als Musiker da auch kritischer ran, aber: in meinen Augen hat genau diese Arbeitsweise der Platte den Todesstoß gegeben. Innerhalb der kurzen Zeit ( halt ne Woche für nen Song) bleiben Musiker zwangsweise in ihrer Komfortzone, was erklärt, warum die Platte nichts Neues bietet und sich viel zu sehr an den Vorbildern orientiert. Es mag Bands geben, für die eine derart schnelle Arbeitsweise richtig ist ( zb die Melvins), aber hier ist noch derart viel Feinschliff nötig, dass ich echt nicht fassen kann, dass Metallica das veröffentlich haben. Aber hey, 2 Cds mit fast völlig unfertigen Songs sind wohl nach 8 Jahren Wartezeit besser als nichts....BULLSHIT.
Der Sound ist druckvoll trotz des nach wie vor viel zu zahmen Gitarrensounds, der Gesang ist sehr gut , hat aber zu viel Hall. Drums wuchtig, Snare zu glasig. Bass fettet die Gittarren gut hörbar auf. Auf den Leads hätte ich mir etwas Reverb gewünscht. Aber Produktion ist allgemein sehr gut.

Nungut, nach inzwischen 15 Durchläufen, oder besser: versuchen, es mir schönzuhören und zu kapieren, was die ganzen Reviews online an dieser Platte finden, hier meine Eindrücke zu den Songs:

Hardwired: nach einem, simpler gehaltenen Justice-Intro, folgen relativ vorhersehbare, aber unterhaltsame Thrashriffs. Und....thats it. Simpel, erinnert an Kill Em All, hätte etwas Feinschliff noch gebraucht. Sehr retro, spannungsarm, zieht gegen Kill Em All in meinen Augen auch klar den Kürzeren. Ulrich spielt fast konstant den generischen Thrash Beat Nummer 12, was dem Song nochmals mögliche Abwechslung nimmt. Gegen frühere THrasher wie Fight Fire oder Battery muss sich das Ding jedenfalls sehr weit verstecken. Wirkt wie etwas, dass eine der vielen belanglosen Retrothrashbands so produziert.
6/10

Atlas: Zu Recht häufig mit Maiden verglichen. Gleiche Art des Intros wie Hardwired ( und fast jeder andere Song der Platte), danach geht er in ein NWOBHM Riff über, welches ganz ok ist. Refrain mit Maidenmelodie. Bisher nix Schlechtes, aber auch nix wirklich geiles. Generisches Hardwired-Mittelteil, wie es fast jeder Song der Platte hat. Melodie im Mittelteil und Überleitung zum Rest des Songs gefällt. Rest muss nochmal überarbeitet werden.
4/10

Now That We're Dead: Stadionrocker mit Radiorefrain, Text teils zum Fremdschämen. Hat eine gute Sequenz im Mittelteil ( die mit dem Echo), der Rest: DELETE THAT.
Derzeit für mich der sehr klar schwächste Song, den die Band je geschrieben hat.
1/10

Moth Into Flame: bekannter Aufbau, davon wird auch nicht abgewichen. Erste Strophe viel zu lang ( was bei späteren Strophen zum Glück korrigiert wird), leckere Hetfield-Chugs, sehr geile ÜBerleitung...und dann kommt dieser eklige Poprefrain und macht alles kaputt. Nehmt den Refrain raus, dann ist das ne gute Nummer. Text gefällt.
7/10

Dream No More: die erste Abwechslung der Platte. Eher an Sabbath in den 90ern/Spätachtzigern, Alice In Chains und Load angelehnter Midtempo-Stampfer mit harmonisierten Vocals. Hätte mir im Mittelteil Geschwindigkeit gewünscht, was im Kontrast super gewesen wäre und das stampfende Grundriff danach umso härter hätte wirken lassen. Ansonsten geiles Ding mit Lovecraft-Lyrics.
8/10

Halo On Fire: der einzige Song, der für mich die kompositorische Klasse der Band erreicht und tatsächlich " fertig" und rund auf mich wirkt. Nach generischem Hardwired-Intro folgt eine sehr geile cleane Strophe, steigert sich, bis der an ans Intro angelehnte Refrain Härte bringt. Simples, aber effizientes Solo, wieder Strophe, Refrain...und dann wirft man unvorhersehbar mit Riffs um sich, jedes ist die Steigerung seines Vorgängers, es "fließt" regelrecht. Ah, MEtallica. Da seid ihr ja wieder. Melodie um Melodie kommt rein, kurz sehr überraschender Wechsel zu einem Cleanpart...und dann die Hookline, auf die tatsächlich der ganze bisherige Song hingearbeitet hat. WUNDERSCHÖN. Wird dann mit einer Variation des Intros verbunden, zum Ende zieht sogar endlich mal wieder das Tempo an, bis alles laut verklingt. Wundervoll. Alles nimmt Bezug aufeinander, jeder Wechsel ist logisch, und dennoch überraschend. Der Song hat Dynamik, Dramaturgie und musikalischen Bezug. Kurz: er hat alles, wofür diese Band sonst so steht und die Platte hier ansonsten so schmerzlich missen lässt. WELCOME BACK!
9,5/10

Confusion: militärische Abwandlung des generischen Intros, rifft im Midtempo um sich, zum Glück kein Schunkelrefrain. Ganz cool, aber haut noch nicht um und müsste nochmal bearbeitet werden.
7/10

Manunkind: für Hardwired-Verhältnisse eine komplexe Nummer, abgesehen vom übliche Refrain kann ich kein wirkliches Problem an dem Song finden, besonders gut ist er aber auch nicht. Gutes Mittelmaß. Ab damit zurück ans Reißbrett.
6/10

Here Comes Revenge: angethrashte Grooves, ruhige Strophe. Mich erinnert es leicht ans schwarze Album. Starker Refrain, bedrohliches Intro. Jo, kann was. Ist sogar fast fertig. Wie nahezu jede Nummer der Platte zieht er sich aber etwas zu sehr.
8/10

Am I Savage: hat zum Ende hin einen ziemlich deplatziert wirkenden disharmonischen Breakdown, den ich echt geil finde und wohl die modernste Stelle der ganzen Platte ist. Rest: ab damit zurück ins Studio, überarbeiten.Aber auch nicht schlecht.
6/10

Murder One: an Unnamed Feeling erinnernde Intro hat so gar keine Relevanz für den Rest des Songs und wirkt drübergebügelt. Der Rest des Songs ist ein beliebiger Riffrocker im Midtempo und Tribut an Lemmy. Während ich die Motörhead-Zitate im Text einen schönen Tribut finde, wird das Ganze aber lyrisch so offensichtlich, dass nur noch die Zeile " wie miss you Lemmy!" fehlt. Alles insgesamt für meinen Geschmack unbrauchbar und viel viel zu lang.
4/10

Spit Out The Bone: "UHHH, der ist ja so schnell, Metallica sind zurück!!", so die Reaktionen im Netz. Oh mann....ja, der Song ist der 2. Thrasher der Platte, bietet nach einem generischen Intro aber eher Zutaten von Mercyful Fate, was ihn für mich irgendwie zu harmlos macht ( ich mag Fate, aber aggressiv find ich sie jetzt nicht). Der Song zieht sich mal wieder ziemlich. Cool: Die Energie, ein paar von Hetfields shouts ( an alle Reviewer da draußen: Hetfield hat nie gegrowlt. For Fucks sake) sind stellenweise hervorragend, das kurze Bassolo und eine Harmonie. Ansonsten ist der so...meh. Wenigstens nicht so vorhersehbar, wie die Platte sonst so ist. Rest: ab zurück ins Studio, Songwriting betreiben.
6/10

Als die Jungs 2006 in Berlin zum ersten Mal den neuen Song " Death Is Not The End" aufführten, von dem Teile in All Nightmare Long und End Of The Line landeten, fasste Hetfield die Erwartungshaltung der meisten Metalfans sehr gut sinngemäß zusammen:
Lars muss nur Double Bass Spielen, und schon mögen die LEute es.
Sad But True, echt....ich fass einfach nicht, wie positiv dieses Demo von einem Album abgefrühstückt wird. Wer es mit dem Frühwerk der Band vergleicht, hat irgendwie dieses Frühwerk entweder kaum gehört oder nimmt es gänzlich anders wahr als ich.
Das Metallica, das immer neue muskalische Wege suchen wollte, sich nie wiederholte und dessen größte Stärke in fantastisch arrangierten Longtracks lag, liefert plötzlich ein reines 80er Album ohne jede Spannung und ohne künstlerische Integrität ab. Ich verliere massiv Respekt vor meinen Helden und wohl größtem musikalischem Einfluss. Dies ist für mich klar das schwächste, was die Band je gemacht hat. Was nach der extrem kreativen und innovativen Death Magnetic/Beyond Magnetic auf mich einfach nur schockierend wirkt. Verdammt, ich sammle jeden noch so kleinen Grütz von dieser Band, aber war nach den schwachen Singles sehr sehr kurz davor, mir das Album nicht zu kaufen.

Das hier ist eine musikalische Midlife-Crisis. Im Versuch, wieder jung zu sein, trägt Hetfield ne Klischee-Kutte und zelebriert den 80er Metal und kümmert sich nen Scheiß um die ganzen guten neuen Bands und Stile da draußen. Völlig anders als sonst, sehr untypisch. Auch live kommen so seit 2015 fast nur alte Stücke, was jeder sich selbst respektierende Künstler integritätslos finden würde. Stehen Metallica nicht mehr zu ihrem Schaffen nach Justice? Scheint so, und das ist extrem schade. Das ganze Album wirkt wie ein " bitte habt uns wieder lieb!" an die Metalwelt. Als die ersten Singles online gingen, war ich jedes Mal auf Arbeit. Als ich in Pausen kurz auf Facebook die Reaktionen sah: jeder engstirnige ewiggestrige in meiner Freundesliste, der also mit dem neueren Werk der Band rein gar nichts anfangen konnte, LIEBTE die neuen Singles. Da wusste ich schon, dass das nix für mich wird....


Anspieltipps: Halo On Fire, Teile von Confusion/Moth Into Flame/Hardwired/Spit Out The Bone, Here Comes Revenge, Dream No More.
Der Rest kann in die Tonne.

Und ich trauere um eine künstlerisch anspruchsvolle Band, die stehts ihr eigenes Ding machte und a la " ihr wollt Battery? Fuck you, here is King Nothing!" immer auf Erwartungshaltungen geschissen hat.
16. Durchlauf der Platte, und ich bin immer noch fassungslos...

Punkte: 5.5 / 10


Warum sind die Cover-Bilder verpixelt?

Bedankt euch bei deutschen Abmahn-Anwälten

Leider passiert es immer wieder, dass Abmahnungen für angebliche Copyright-Verletzungen ins Haus flattern. Ganz häufig ist es der Fall, dass auf dem Frontcover ein Foto oder eine Grafik eines Fotografen oder Künstlers genutzt wird, was dann nur mit dem Namen der Band und dem Titel des Albums versehen wurde. Das ursprüngliche Foto/Kunstwerk ist somit immer noch sehr prominent zu sehen. Die Abmahner nutzen zumeist automatisierte Prozesse, die das Netz nach unlizensierten Nutzungen der Werke ihrer Mandanten durchsuchen und dabei Abweichungen bis zu einem gewissen Prozentgrad ignorieren. Somit gibt es also häufig angebliche Treffer. Obwohl das Foto/Kunstwerk von den Plattenfirmen oder Bands ganz legal für die Veröffentlichung lizensiert wurde, ist dies den Abmahnern egal, ganz oft wissen die ja nicht einmal, was für eine einzelne Veröffentlichung abgemacht wurde. Die sehen nur die angebliche Copyright-Verletzung und fordern die dicke Kohle.

Da Musik-Sammler.de nachwievor von privater Hand administriert, betrieben und bezahlt wird, ist jede Abmahnung ein existenzbedrohendes Risiko. Nach der letzten Abmahnung, die einen 5-stelligen(!) Betrag forderte, sehe ich mich nun gezwungen drastische Maßnahmen zu ergreifen oder die Seite komplett aufzugeben. Daher werden jetzt alle hochgeladenen Bilder der Veröffentlichungen für NICHT-EINGELOGGTE Nutzer verpixelt. Wer einen Musik-Sammler.de Nutzeraccount hat, braucht sich also einfach nur einmal anmelden und sieht wieder alles wie gewohnt.