Der Weg dahin war gar nicht so leicht.
KROKUS formierten sich aus den Überbleibseln der Band INSIDE im Jahr 1975; Chris von Rohr, der sich in miesen Dancing-Bands die Sporen als Profimusiker verdiente, zog den lokalen Gitarrengott Tommy Kiefer mit, dazu gesellten sich Remo Spadino am Bass und INSIDE-Sänger Peter Richard. Das war die KROKUS-Urformation. Chris von Rohr – charismatischer Chef der Band – bediente damals noch die Drums, wechselte nach der Fusion mit MONTEZUMA, zu denen Fernando von Arb und Freddy „Steady“ Frutig gehörten, vorübergehend hinter den Schallwerfer für die 2 Scheiben „To you all“ und „Pain killer“/“Pay it in Metal“, ehe er zwecks zukünftiger Welteroberung mit geschicktem Händchen dafür zu wissen, wo man am besten ist und am wichtigsten benötigt wird, den Bass abdrückte. Das war alles vor „Metal rendez-vous“, da passierte alles noch zuerst lokal, dann regional und schliesslich national...
Um international durchzustarten, brauchten die Schweizer eine Hammerröhre, welche ihre Power-Songs richtig in Szene setzen konnte. Zuerst hatten sie mit Henry Fries einen Sänger gefunden der in der Lage war, die geforderten 3 Oktaven zu singen. Fries entschied sich, nachdem er das Demo von "Metal rendez-vous" eingerotzt hatte jedoch gegen KROKUS und für einen – aus heutiger Sicht wohl sehr unvernünftigen - Solovertrag. Was soll’s, denn so fanden Von Rohr & Co. den Mann, der mit seiner einmaligen Stimme zukünftig KROKUS repräsentieren soll: Marc Storace. Aus Malta. Früher Sänger bei der Band TEA.
Noch heute zieht es mir immer wieder die Schuhe aus, wenn ich „Metal rendez-vous“ auflege; ein perfektes Album mit enorm viel Gefühl, Charisma, mit dieser noch etwas naiven Grundstimmung, jedoch sehr professionell und auf den Punkt gebracht. Kein kompliziert abstraktes Gefrickel wie auf älteren KROKUS-Scheiben – einfache, klare Songs, 100% Power, unendlich viele Gitarren, Enthusiasmus und das Hammerrohr von Marc Storace. Jeder der hier beteiligten verrichtet seinen Job bis zum Anschlag perfekt, das Album könnte – obwohl es gerade mal 20'000 CHF gekostet hat – einfach nicht besser sounden. Füller gibt es keine, Highlights dafür um so mehr.
Die lyrische, sehnsüchtige und stets melancholische Gitarrenarbeit von Tommy Kiefer, die später in dieser Form bei KROKUS kein anderer Gitarrist so hat bringen können, verschlägt mir heute noch die Sprache, nimmt mir den Atem und in emotionalen Momenten kommen mir die Tränen; wunderschön, dermassen tiefgründig und mit einem Gefühl, als würde Tommy all seine Leiden durch sein Gitarrenspiel rausschreien und kurieren wollen. Dies klappte leider nicht und so schied der unter Drogenproblemen leidende Kiefer nach den Aufnahmen zu „Hardware“ 1981 aus und beging 1986 Selbstmord. Trotzdem bleiben für IMMER seine musikalischen Beiträge in Hammersongs wie dem Metal-Reggae „Tokyo nights“, der in Moll gehüllten Halbballade „Streamer“ oder dem Gitarren-Epos „Fire“. Der perfekte Soundtrack für jeden Jugendlichen – wie ich es damals war – der aus den Zwängen der Kindheit ausbricht und entflieht, der was erleben will, der Grenzen durchbricht und eigene Wege geht. Aufbruchstimmung in’s Ungewisse – so war es für mich als ich im zarten Alter von 13/14 auf diese Platte stiess, so war es sicher auch für die Band als sie 1979 mit diesem Album am Start waren und erkannten, dass ab nun alles anders würde und man die Musikwelt knacken kann.
Natürlich muss auch Fernando von Arb Erwähnung finden, der zusammen mit Mastermind Chris von Rohr sämtliche Songs komponiert hat und in Klassikern wie „Heatstrokes“ oder „Bedside Radio“ – bis heute wohl 2 der bekanntesten KROKUS-Songs – brilliert und 100% abliefert. Poweroffensive deluxe, kein Schmalstromgegähne! Dazu Marc Storace, der alles aus seinem rauchigen Organ - das etwas dem von Bon Scott ähnelt, technisch jedoch um Welten besser ist – rausholt und den Songs damit das Pünktchen auf das „i“ setzt.
KROKUS = AC/DC meets the NWoBHM! Zur richtigen Zeit am richtigen Ort – dazu mit den richtigen Songs im Gepäck und der im Heavy Metal, der hauptsächlich aus UK und der USA stammt, notwendigen exotischen Mischung. Alles da – auch heute noch ist dieses Album ein Klassiker, kein Mitläufer sondern eher Vorbote von dem was in England zu dieser Zeit im Untergrund brodelte. Aufbruchstimmung, Kraft und Eroberung pur. 10 Punkte sind hier garantiert.
Punkte: 10 / 10