Einerseits läuft es schon unter dem Banner Hardcore Punk und so wurde es damals sicher auch behandelt, andererseits findet diese Platte sicher auch etliche Anhänger unter Deutschpunk-Aficionados. Für beide Lager gilt aber: 1983 war dieser Sound schon einzigartig kompromisslos und besaß eine Durchschlagkraft, die Ihresgleichen suchte. Natürlich gab es zu der Zeit bereits andere deutschsprachige Punkbands (Vorkriegsjugend, Chaos Z, etc.), die in puncto Geschwindigkeit und Härte auf einem ähnlich hohen Level agierten, dennoch ist diese Platte für mich persönlich unerreicht. Warum?
Zunächst einmal muss erwähnt werden, dass die Band mit dem Music Lab Studio in Berlin unter der Regie von Harris Johns eine gute Wahl getroffen hat. Harris Johns, der sich durch etliche zeitlose Produktionen im Bereich harter Gitarrenmusik einen Namen gemacht hat, hat auch im Falle Infernos einen großartigen Job gemacht. Im Vergleich zu vielen anderen Punkproduktionen aus den frühen 1980er Jahren (z.B. sämtliche Rock-O-Rama-Veröffentlichungen mit hauseigener Produktion) klingt „Tod & Wahnsinn“ auch heute noch immer druckvoll und dynamisch.
Ein weiterer Pluspunkt dieses Albums ist die durchgängig hohe Geschwindigkeit und die damit verbundene durchschnittlich doch eher kurze Spieldauer der Songs. 20 Stücke werden in ca. 34 Minuten erbarmungslos runter gehackt. Lediglich die beiden Midtempo-Songs „Tod und Zerstörung“ und das „Liebeslied“ bieten kurze Verschnaufpausen, büßen aber an Aggression und Präsenz nichts ein. Und besagte präsente Aggression ist eine weitere Stärke des Albums. Der Sound bietet genau das richtige Verhältnis von Härte und rotziger Attitüde. Glattgebügelt klingt hier gar nichts. Im Gegenteil, das Album strotzt vor Ecken und Kanten. Dies wirkt allerdings zu keiner Sekunde peinlich oder unvermögend, vielmehr trägt es zur ungestümen Attitüde des Albums bei. So muss Punk klingen: roh, ungeschliffen, kompromisslos.
Highlights rauszupicken ist aufgrund der hohen Hitdichte (tatsächlich befindet sich nicht ein einziger schwacher Song auf dem Album) schier unmöglich. Dennoch gehören wohl vor allem „Wodka“, „Ziel Deutschland“, „“Steinkopf“, „Linke Sau“, „Gott ist tot“ und „1983“ zu den unsterblichen Klassikern der Band. Außerdem sei der Song „Ram it up“ explizit erwähnt, da dieser für einen Samplerbeitrag von der amerikanischen Thrash-Band S.O.D. gecovert wurde – eine Leistung, die für eine deutsche Band aus diesem Spektrum bis heute ziemlich einzigartig ist.
Der Popularität im Ausland und den damit verbundenen Kontakten zum Maximum Rocknroll-Fanzine verdankt die Band eine weitere Pionierleistung: Der renommierte amerikanische Künstler Pushead (Metallica, Misfits, etc.) zeichnet sich für das Cover der Platte verantwortlich. Inferno sind dabei die erste und einzige deutsche Band, für die besagter Künstler jemals ein Cover gestaltete. Dies belegt Infernos Stellenwert für die damalige Zeit und ihre Szene ebenso wie der Fakt, dass Inferno die erste deutsche Punkband war, die eine Split-LP mit einer ausländischen Band veröffentlichte (in diesem Fall mit den Japanern von Execute im Jahr 1986).
Auch fast 35 Jahre nach Veröffentlichung des Albums hat es nichts von seinem Reiz verloren. Warum Karl-Ulrich Walterbach die Band nach dem ebenfalls grandiosen „Gott ist tot“-Demotape nicht bei seinem (ursprünglich von der Band angestrebten) Aggressive Rockproduktionen-Label unter Vertrag nehmen wollte, ist mir bis heute ein Rätsel. Mülleimer Records schafften es dadurch, einen (weiteren) Klassiker zu veröffentlichen, der von der Band – trotz weiterer starker Veröffentlichungen – nie mehr übertroffen werden sollte.
Bleibt also nur zu sagen: Hardcore Punk oder Deutschpunk? Völlig zweitrangig! Dieses Album ist ein Krachmanifest und ein zu Recht weltweit abgefeierter Klassiker – ganz egal, wo man ihn einzuordnen vermag.
Punkte: 10 / 10