Ich mochte Owens zwar immer sehr gerne, aber ich freue mich trotzdem, dass Barlow zurück ist. Er passt einfach besser zum Stil, den Jon Schaffers Band fährt. Er klingt eigenständiger, und er legt unbestreitbar mehr Emotionalität in die Songs. Ich war nie ein Überfan des rothaarigen Frontmannes, aber er hat schon eine besondere Ausstrahlung und ist eben kein alltäglicher Mikroschwinger. Dass allein die Rückkehr des viel geliebten Sängers der Band einen Aufschwung in der Gunst der Fans bescheren wird, ist absehbar und für mich auch berechtigt, weil der Auftritt ICED EARTHs in Balingen auch mir klar gemacht hat, dass der Mann einfach an diesen Platz gehört.
Die andere Frage ist allerdings, ob die Rückkehr des Fronters alleine schon dafür sorgt, dass ICED EARTH wieder zur alten Stärke aufläuft. Die Antwort hängt wie immer von der persönlichen Ausrichtung des Hörers ab. Für Leute, die - wie ich - noch immer "Night Of The Stormrider" für die beste ICED EARTH-Scheibe aller Zeiten halten, findet sich auf "The Crucible Of Man (Something Wicked Part 2)" eindeutig zu viel Midtempo, zu viel Bombast, zu viel Chorgesang, zu viele Balladen und zu viel Theaterdonner. Wir werden uns aber damit abfinden müssen, dass die Band nicht mehr in erster Linie für unsersgleichen musiziert, sondern für die Heerscharen an Fans, die sie mit "The Dark Saga", "Something Wicked This Way Comes" und den folgenden Alben rekrutieren konnten.
Diese werden mit der neuen Scheibe keinesfalls schlecht fahren, denn die Trademarks, welche ICED EARTH in den letzten zwölf Jahren etabliert haben, finden sich auf der neuen Scheibe zuhauf und auch sauber und kompetent in Szene gesetzt. Die melancholische Atmosphäre der oft halbballadesk arrangierten Stücke wird durch Matts Stimme großartig unterstützt. Die Chöre, die teilweise auch dem "The Omen"-Soundtrack entstammen könnten, unterstreichen den mystischen Anstrich, und die Dramatik in Arragements, akustischen Momenten und Riffs ist sauber ausgearbeitet. Einige Refrains bleiben auch sehr gut hängen, so dass ich ICED EARTH im Endeffekt doch ein starkes Album attestieren muss, das eindeutig eine Steigerung zum Vorgänger bietet und vermutlich die Mehrzahl der Fans der späteren Bandphase voll zufrieden stellen dürfte, auch wenn Innovation so gut wie gar nicht vorhanden ist. Allenfalls in kasparekschem Ausmaß.
Viele Altfans werden dafür mit "The Crucible Of Man (Something Wicked Part 2)" dasselbe Problem haben, das viele langjährige Fans anderer namhaften Metaller mit Alben wie "Gods Of War", "Nostradamus" und "Wake Of Magellan" haben. So bleibt als Fazit, dass ein Fan, der auf Barlows Stimme steht, die letzten drei Alben mit ihm als Sänger mochte und keine Innovation erwartet, definitiv bestens aufgehoben ist. Wer dagegen völlig neue Wege oder eine Rückkehr zum Ritt durch sturmige Nächte erwartet, der wird hier nicht glücklich werden, hatte aber vorher auch deplatzierte Erwartungen. Schon alleine aus konzeptionellen und kommerziellen Gründen.
Link zur Original-Rezension: http://www.powermetal.de/content/artikel/show-1461.html
Punkte: 7.5 / 10