Nach einem für HELLOWEEN typischen, fröhlichen kurzen Sample-Intro geht es mit dem schnellen, eingängigen „We Burn“ gleich in die Vollen. Man merkt sofort, dass HELLOWEEN im Vergleich zu den vorherigen Alben ein paar Briketts nachgelegt haben. Sänger Andi Deris hat einen ähnlichen Stil wie Michael Kiske, singt nur nicht ganz so hoch und ganz so eigenständig, seine Stimme passt aber ausgezeichnet zur Musik. Zudem kann man ihm schon nach dem ersten Song attestieren, dass er neuen Wind und Schwung in die Band gebracht hat, ein Umstand, der bereits auf dem Vorgänger-Album eingeläutet wurde. Es mag sein, dass Deris für den Geschmack einiger zuviel DIO’schen Pathos in seiner Stimme hat, zur Musik und zum fröhlichen Grundtenor des Albums passt er aber ausgezeichnet.
Auch die Musik selbst ist auf „The Time Of The Oath“ mehr als gelungen und überzeugt von der ersten bis zur letzten Minute. Neben typischen, schnellen HELLOWEEN-Stampfern wie „We Burn“ oder „Power“ stehen dabei hymnenhafte Midtempo-Songs im Vordergrund. „Wake Up The Mountain“ ist ein solches Beispiel: Von Neuzugang Uli Kusch komponiert überzeugt der Song nicht nur durch den Gesang, sondern auch durch ausgezeichnete Gitarrenmelodien. Uli Kusch tut der Band als Komponist sowieso sehr gut. Blieb vorher die meiste Arbeit in dieser Hinsicht bei Michael Weikath hängen, ist „The Time Of The Oath“ ein richtiges Teamwork-Album geworden, was man der Musik auch anhört. Sehr homogen und wie aus einem Guss kommen die Songs aus den Lautsprechern und werden sogleich von den glücklich mitsingenden oder mithüpfenden Hörern aufgesogen.
Die Höhepunkte des Albums sind für mich die wirklich tolle, mit Piano-Unterstützung eingespielte, Ballade „Forever And One“, das 9-minütige Epos „Mission Motherland“ und der Über-Hit „The Time Of The Oath“. „Forever And One“ ist melodisch, eingängig, gefühlvoll gesungen und meilenweit vom Einheitskitsch vieler anderer Balladen entfernt. Genau so sollten Balladen klingen.
Für HELLOWEEN-Verhältnisse mit etwas untypischen Gitarrenstrukturen versehen ist dagegen „Mission Motherland“. Und gerade deshalb fällt der Song nicht nur etwas aus dem Rahmen, sondern hinterlässt auch einen bleibenden Eindruck, denn Roland Grapow und Michael Weikath reihen hier gleich mehrere gute Riffs aneinander. Auch die ruhigeren Parts passen gut ins Gesamtbild.
Absoluter Höhepunkt ist aber der unverständlicherweise am Ende des Albums versteckte Titeltrack „The Time Of The Oath“. Das supereingängige Mainriff gehört mit zum Besten, was HELLOWEEN je zusammengeschraubt haben. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich mir beim Konzert der damaligen Tour zu „Time Of The Oath“ fast sämtliche Wirbel aus meinem Nacken gebangt habe. Vom gleichzeitigen Mithüpfen und Grölen des Refrains ganz zu schweigen. Ein absolut geiles Lied, das man als Fan einfach gut finden MUSS, da sowohl die mega-effektiven und eingängigen Gitarrenriffs, die tollen Soli und der Gesang keinen anderen Schluss zulassen.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass HELLOWEEN lediglich auf der noch einen Tick stärkeren „Better Than Raw“ noch mal dieses Niveau und das bestimmte Gefühl, dass bei der Band alles zusammenpasst, erreichten. Man merkte später deutlich den Verlust von Kreativposten Uli Kusch, der als Komponist und auch Schlagzeuger gerne mal unterschätzt wird. Der Sound von Tommy Hansen ist ebenfalls sehr gelungen, fügt sich hervorragend in die Gesamtstimmung des Albums ein und bietet gleichzeitig allen Instrumenten genügend Raum sich zu entfalten. Härtetechnisch brezelt die Musik angenehm wuchtig und zeitgemäß, ohne übermäßig modern zu sein, aus den Lautsprechern. Abgerundet wird das Album endlich mal wieder von einem schönen, mystischen Cover, das auch noch einige Reminiszenzen an das Cover des Vorgängeralbums „Master Of The Rings“ aufweist. HELLOWEEN zeigen dadurch, dass sie die Probleme und Enttäuschungen überwunden haben, mit „Master Of The Rings“ einen erfolgversprechenden Neuanfang gewagt und diesen auf „The Time Of The Oath“ konsequent weitergeführt und weiterentwickelt haben. Auch wenn nicht alle Songs Volltreffer sind („If I Knew“ ist ein wenig langweilig und unoriginell geraten) bleibt ein hervorragender Gesamteindruck.
Punkte: 9 / 10