Fear Factory Transgression (2005) - ein Review von DarkForrest

Fear Factory: Transgression - Cover
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1 Review
15
15 Ratings
6.77
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Industrial Metal, Thrash Metal


DarkForrest
26.04.2022 18:47

So, endlich komme ich mal dazu, etwas zu diesem "berüchtigten" Album zu schreiben. Während "Digimortal" damals schon kommerziell nur bedingt erfolgreich war und von den Fans unterschiedlich gut aufgenommen wurde, scheinen sich bei "Transgression" fast alle einig zu sein, dass es kein gutes Album ist. Gitarrist Christian Olde Wolbers hatte im Nachhinein eine Menge Negatives darüber zu sagen und selbst Sänger Burton C. Bell, der die ganze Geschichte lange verteidigt hat, ist Jahre später das eine oder andere Mal in Interviews zu dem Schluss gekommen, dass "Transgression" so ziemlich der Tiefpunkt der Band war. Als hätte das alles nicht schon ausgereicht, hat sich die Truppe nach diesem Album zum zweiten Mal in ihrer Karriere getrennt und sollte sich erst ein paar Jahre später wieder mit neuem Line Up und ohne Wolbers und Drummer Raymond Herrera neu formen.

Obwohl ich solche Kuriositäten ja eigentlich ganz interessant finde, hat der schlechte Ruf von "Transgression" doch tatsächlich dazu geführt, dass ich lange einen großen Bogen um die CD gemacht habe. Erst letztes Jahr habe ich mich dann mal getraut, mir das Teil nachträglich zuzulegen und selbst rein zu hören. Übrigens auch schon eine Aufgabe für sich, denn auch hier wird man wieder mit einer ziemlich großen Auswahl an Versionen konfrontiert. Wenn man sich mit der normalen Version nicht zufrieden geben will, wäre zum Beispiel noch eine Version mit extra-DVD möglich. Da wären dann das ganze Album in verbesserter Audio-Qualität (ist die auf der CD etwa so kacke?), ein paar Musik-Videos und ein Making Of zum Album drauf. Da ich die DVD von "Archetype" aber schon nicht so spannend fand, habe ich das lieber sein lassen. Etwa um dieselbe Zeit wie das Album ist auch noch eine 3-Track-Live-EP namens Live On The Sunset Strip" erschienen und es gibt auch Versionen, auf denen diese EP enthalten ist. Und nicht zuletzt hätten wir dann auch noch die japanische Version. Ja, das war die Zeit, in der Fear Factory den Japanern immer gerne exklusive Tracks spendiert haben und hier sogar nicht nur ein Remix, sondern sogar ein ganz eigener Song, der nur auf der japanischen Version von "Transgression" zu finden ist. Ich habe mich jetzt einfach mal für die japanische Version im Bundle mit "Live On The Sunset Strip" entschieden. Immerhin: damit hätte man dann auch den ganzen wichtigen Content zum Album. Es sind zwar noch ein paar Promo-Singles erschienen, aber soweit ich weiß ohne irgendwelches exklusives Material.

Was ist jetzt eigentlich das große Problem bei "Transgression"? Klar ist auf jeden Fall, dass es sehr schnell auf den Markt geworfen wurde. Gerade mal gut ein Jahr, nachdem Fear Factory sich mit "Archetype" neu formiert haben, war auch schon "Transgression" am Start. Zwei Dinge werden dem Album gerne vorgeworfen: eine schlechte Produktion und eine viel zu softe Ausrichtung der Songs - beides im Grunde Dinge, mit denen man sich damals bei "Digimortal" schon etwas unbeliebt bei den Fans gemacht hat. Nach ausgiebigen hören, würde ich beiden Punkten im Grunde zustimmen - trotzdem ist es irgendwie kompliziert…

Die Produktion ist tatsächlich gewöhnungsbedürftig, aber anders als ich erwartet hatte. Denn anders als bei "Digimortal" fällt sie hier nicht zu lasch aus, sondern wirkt einfach etwas unfertig und hat mehr Ecken und kannten als dem Album gut tun. Einen derart wenig polierten Sound hatten wir wirklich das letzte Mal auf "Soul Of A New Machine", was bei den härteren Songs nicht unbedingt schlecht klingen muss und sich gar nicht mal so krass vom ebenfalls recht kernigen Sound von "Archetype" unterscheidet, aber im ziemlichen Konflikt zur deutlich melodischen Ausrichtung von "Transgression" steht. Dazu kommt, dass die Vocals im Vergleich zum Rest der Band eindeutig zu laut abgemischt sind. Nichts gegen Burton C. Bell - er hat mit seinem Stil ganz sicher massiv dazu beigetragen, dass Fear Factory das sind, was sie heute sind - aber sein Gesang war für mich immer eher einer der Schwachpunkte der Band und ist gegen Dino Cazares Riffs oder Herreras Double-Bass-Attacken immer ziemlich verblasst. Hier bei der Produktion den Fokus derart stark darauf zu legen, ist schon gewagt. Dazu kommen noch einige etwas fragwürdige Experimente bei den Vocals, die wir uns bei den einzelnen Songs nochmal näher anschauen können.

Aber das ist nicht alles: auch das Songwriting an sich favorisiert die Vocals für meinen Geschmack ein wenig zu stark. Gitarre, Bass und Schlagzeug klingen im Prinzip nicht schlecht - bis auf, dass sie zu leise sind natürlich - und ich konnte auch nicht raushören, dass irgendeiner der beteiligten eingerostet wäre oder so. Es ist einfach nur so, dass die anderen drei gefühlt recht wenig zu tun bekommen und die Musik so sehr vereinfacht wurde, dass Wolbers und Herrera dazu verdonnert wurden, für einfachste Hintergrundbeschallung zu sorgen. Wenn man sie zwischendurch aber mal lässt, dann können sie auch hier weiterhin sehr effektiv Arsch treten.

Und ja: "Transgression" ist definitiv das softeste Album. Das gilt nicht für alle Songs, aber der Anteil der ruhigeren Momente ist hier deutlich erhöht und den einen oder anderen Song würde ich überhaupt nicht mehr im Metal-Genre einordnen. Diese Tatsache an sich stört mich tatsächlich wenig, da ich gerade bei einer Band wie Fear Factory immer sehr offen für Experimente bin und ein zweites "Archetype" nach so kurzer Zeit wohl auch langweilig gewesen wäre, nachdem einem eh schon auf der zweiten Hälfte des Albums so langsam die Ideen auszugehen schienen. Wer allerdings froh war, dass es nach "Digimortal" wieder etwas härter wurde und einen wuchtigen Sound bevorzugt, sollte "Transgression" auf jeden Fall mit Vorsicht genießen.

Oh und eine kleine Gemeinsamkeit mit "Archetype" fällt mir noch auf: im Gegensatz zu den Alben mit Dino Cazares gibt es auch hier wenig Elektro und Sci-Fi. Das heißt: ein großer Teil dessen, was die Konzeptalben damals ausgemacht hat und was später teilweise mit "Mechanize" wieder zurückkam, fehlt hier. Obwohl ich die Betonung auf Industrial Metal mag und mir immer eine gute Dosis Techno zum Geschrammel geben kann, mag ich es, dass man zumindest zwei Alben lang mal was anderes probiert hat.

Wenn man sich den Opener "540,000° Fahrenheit" anhört, dann ahnt man noch relativ wenig davon, was einem noch so alles auf "Transgression" erwarten wird, denn hier klingt bis auf die etwas billige Produktion noch ziemlich normal und so wie man es auf "Archetype" erwarten würde. Die Angstfabrik läuft sich langsam im Midtempo warm und ein paar härtere Momente wechseln sich mit einem ziemlich geilen Refrain ab. Bis auf die Tatsache, dass das ganze wie die Live-Aufnahme einer Band klingt, die tatsächlich in der Lage ist, eine gute Live-Performance abzugeben, fällt hier nichts negativ auf.

Die nächsten beiden Songs sind härtetechnisch dann so ziemlich der Höhepunkt des Albums. Beide absolut Moshpit-tauglich und theoretisch auch locker passend auf "Archetype". Der Titeltrack bietet sogar mal ein ganz ordentliches Gitarrenriff und generell ein hohes Tempo. Man könnte jetzt bemängeln, dass es ein wenig an eine zu simple Version von "Zero Signal" oder "Pisschrist" ohne die cleanen Passagen erinnert, aber ich bin absolut zufrieden. Auch "Spinal Compression" geht mehr als in Ordnung und hat vor allem einen sehr kraftvollen Refrain.

Danach beginnt alles etwas seltsam zu werden. Bei "Contagion" experimentiert der Frontmann munter mit so ziemlich jeder Art zu singen, zu growlen und allem dazwischen und klingt ein wenig so als hätte er gerade einen Schlaganfall. Wirklich zu viel wird mir allerdings dann der Refrain. Ich weiß nicht, was da in der Abmischung veranstaltet wurde - entweder ein starker Hall hinzugefügt oder mehrere Tonspuren übereinander gelegt? - aber dieser seltsame Effekt macht mir ernsthaft Kopfschmerzen, wenn ich versuche, es konzentriert zu hören. Das ist schade, denn der eigentliche Song wäre ohne diese seltsamen Spielereien völlig in Ordnung.
"Empty Vision" finde ich dagegen komplett langweilig. Ein perfektes Beispiel für einen Song, der so vor sich hinplätschert, ohne dass das ganze irgendwo hinführt. Und jeder seltsame Effekt (wie die merkwürdig verzerrten cleanen Vocals) oder Tempowechsel, der hier eingefügt wurde macht das Ganze nicht unbedingt interessanter und fühlt sich eher wie ein Fremdkörper an.

So richtig angepisst dürften die meisten Fans aber zum ersten Mal bei "Echo Of My Scream" gewesen sein. Hier verlässt die Band dann auch zum ersten Mal komplett das Metal-Genre und spielt eine Art progressive Rock Ballade mit langsamen Tempo und durchgängig cleanen Gesang, der hier deutlich im Vordergrund steht und das auch noch knapp 7 Minuten lang. Harte Riffs sucht man hier vergebens und die Drums werden hier gefühlt eher mal gestreichelt. Und ich gebe ganz offen zu: nach einer gewissen Eingewöhnungszeit mag ich es sehr. Vielleicht hätte es am Ende des Albums besser gepasst. Traditionell ist der letzte Track eines jeden Fear Factory Albums ab "Demanufacture" ja eher eine experimentelle Ballade und dort wäre "Echo Of My Scream" sicher weniger negativ aufgefallen. Aber mal ganz ehrlich: als man sich das letzte Mal bei "Timelessness" an einer emotionalen fast A capella Nummer versucht hat, war das für mich eine mittelschwere Katastrophe. "Echo Of My Scream" klingt für mich um so vieles besser. Vielleicht hinkt der Vergleich - immerhin war ersteres der Epilog von einem Konzept-Album und zweiteres einfach nur ein Song in der Mitte des Albums, aber mit der richtigen dezenten Musikalischen Begleitung und einer für Burton C. Bell erstaunlichen Fähigkeit die richtigen Töne zu treffen funktioniert diese Ballade für mich super, sodass ich sie mir freiwillig öfter anhören kann.

Bei "Supernova" bin ich dann aber auch komplett raus. Hier sind wir jetzt komplett im Pop-Rock angekommen. An sich mag das okay sein und ich bin in diesem Genre überhaupt kein Experte, aber mir fehlt hier sowas wie eine krasse Hookline oder eingängige Melodie, die ich normalerweise von einem Pop-Rock-Song erwarten würde, damit das Ding auch ordentlich catchy ist. Am Ende des Tages habe ich jedenfalls keinen Ohrwurm und finde "Supernova" einfach nur sehr unangenehm zu hören. "New Promise" braucht dann erst einmal über eine Minute Kuschelrock-Intro bis es halbwegs zum Punkt kommt, setzt dann aber auf ein paar ganz interessante Techniken, die man so bei den Kaliforniern noch nicht so oft gehört hat. Die Intensität ist auch hier etwas gedrosselt, aber dafür kommt es durchaus progressiv daher, hat eine ganz eingängige Melodie und ist ein schönes Beispiel dafür, dass Experimentierffeude sich auch auszahlen kann.

Dass Fear Factory gerade mal covern ist nicht neu und diesmal gibt es sogar gleich zwei Stück hintereinander. Den Anfang macht "I Will Follow" - im Original von U2. Tja - egal wie man das jetzt findet: es passt definitiv gut auf "Transgression". Wie man es von Fear Factory kennt, haben sie auch sehr gut die Stimmung vom Original eingefangen und auf ihre Art und Weise interpretiert. Interessant hierbei: es erfüllt quasi alles, was ich mir von einem Pop-Rock-Song erwarten würde und bleibt auch direkt sehr gut als hartnäckiger Ohrwurm hängen. Das wiederum zeigt mir ziemlich gut, dass Fear Factory nicht unbedingt gut darin sind eigene Songs in diesem Genre zu schreiben. Vielleicht ist der Vergleich ja auch etwas unfair, aber man merkt schon ziemlich deutlich, dass "I Will Follow" im Gegensatz zu "Supernova" von Leuten geschrieben wurde, die eher mal wissen, was einen eingängigen Pop-Rock-Track ausmacht.

Etwas konventioneller erscheint dann das Killing Joke Cover "Millennium". Vom Industrial Rock sind Fear Factory ja nicht unbedingt besonders weit entfernt und können entsprechende Songs auch ordentlich interpretieren wie man schon damals bei "Dog Day Sunrise" gehört hat. "Millennium" sticht da vielleicht nicht ganz so hervor, passt dafür aber gleichzeitig auch sehr gut zum groovelastigen Stil, den die Band in den 2000'ern hatte. Mit "Moment Of Impact" endet das reguläre Album ungewöhnlich hart, aber auch etwas unspektakulär. Wir haben hier ein recht schnelles Tempo, viel Geschrammel und durchweg recht harte Shouts. Das ist so ein Song, der als Filler absolut cool und in Ordnung ist, aber an letzter Stelle des Albums etwas unpassend wirkt.

Aber ich habe ja dank der japanischen Version mit "Empire" noch einen kleinen Extra-Song am Start. Hat es sich etwa gelohnt, extra Kohle für diese mittlerweile gar nicht mal so leicht zu bekommende Version raus zu hauen? Tatsächlich ja! Wow: der Refrain klingt nach Thrah Metal vom feinsten und Herrera darf endlich mal ein wenig sein Talent unter Beweis stellen. Auch die Vocals klingen hier deutlich besser als beim Rest von "Transgression". Klar ist "Empire" jetzt sicher nicht die absolute Offenbarung, die die großen Klassiker der Band in den Schatten stellt, aber locker unter meinen persönlichen Top 3 auf "Transgression". Fast schon eine Schande, dass dieser Song dem westlichen Publikum vorenthalten wurde.

Und als ob das noch nicht genug wäre, ist noch als kleiner Bonus "Live At The Sunset Strip" mit enthalten - ursprünglich als separate EP erschienen. Am Ende läuft das ganze auf drei Songs vom "Archetype"-Album hinaus, die wir hier live hören können: "Slave Labor", "Cyberwaste" und "Drones". Normalerweise kann man Fear Factory live ja auch irgendwo als Strafe betrachten, aber hier bin ich tatsächlich positiv überrascht. Man muss dazu sagen, dass die Songauswahl aber auch top ist: kaum cleane Passagen, die der Sänger versauen kann und gerade "Cyberwaste" bietet eine super Vorlage für großartige Interaktion mit den Fans. Auch der Sound ist hier ordentlich und da man die meisten Songs von "Archetype" heutzutage kaum noch live zu hören bekommt, lohnt sich diese kleine EP allemal bzw. wertet diese Version von "Transgression" nochmal ein Stückchen auf.

Am Ende des Tages fand ich "Transgression" etwas weniger schlimm als erwartet. Ein paar Momente waren zwar tatsächlich etwas… fragwürdig, aber mehr als einmalig konnte ich auch viel mit dem experimentellen Stil anfangen wie zum Beispiel bei "Echo Of My Scream". Es wäre interessant gewesen, was man mit etwas mehr Zeit und einer besseren Produktion aus der ganzen Sache hätte rausholen können. So wie es am Ende geworden ist, ist "Transgression" ganz sicher nicht mein Lieblingsalbum von Fear Factory, aber für mich auch besser als sein Ruf.

Punkte: 6.5 / 10


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