Fear Factory Soul Of A New Machine (1992) - ein Review von DarkForrest

Fear Factory: Soul Of A New Machine - Cover
2
2 Reviews
21
21 Ratings
8.10
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Death Metal, Industrial Metal


DarkForrest
20.02.2021 09:01

"Soul Of A New Machine" war 1992 der zweite Versuch von Fear Factory, ihr erstes Album auf die Beine zu stellen. Schon vorher hat die Truppe aus LA mit "Concrete" ein Album aufgenommen, konnte sich mit dem Produzenten aber auf keinen ordentlichen Vertrag einigen und hat es dann später unter Roadrunner im zweiten Anlauf geschafft. Das heißt nicht, dass "Concrete" für immer verloren wäre, denn "Concrete" selbst wurde dann 2002 doch noch nachträglich veröffentlicht aber auch ein guter Teil der Tracks wurden für "Soul Of A New Machine" nochmal neu aufgenommen.

Wenn man "Soul Of A New Machine" mit neueren Alben von Fear Factory vergleicht, mag es etwas brutal, roh, ja vielleicht sogar antiquiert klingen, aber damals hat es wirklich eine Menge frischen Wind in die Metallandschaft gebracht. Schon das Genre alleine ist eine bunte Mischung aus Death Metal, Industrial Metal, Groove Metal mit einer Prise Grindcore obendrauf. Tiefe Growls von Sänger Burton C. Bell werden zwischendurch immer mal wieder durch cleanen Gesang unterbrochen. Abgesehen von der ungewöhnlichen Tonhöhe, haben die cleanen Vocals vor allem auf "Soul Of A New Machine" etwas sehr kaltes, emotionsloses und synthetisches, was aber perfekt in's Konzept des Albums passt. Live ist das dagegen leider eher schlecht replizierbar - Ernsthaft: ich durfte mich selbst schon live davon überzeugen und es klingt grässlich, wenn Burton C. Bell versucht, irgendeinen cleanen Ton zu treffen.

Death- und Grindcoreanteile sind hier im Vergleich zu den späteren Alben allerdings noch deutlich stärker vorhanden und dürften den einen oder anderen Hörer, der die groovelastigeren und melodischeren neuen Werke schätzt evtl. etwas abschrecken. Tatsächlich ist "Soul Of A New Machine" nicht ganz so leicht zugänglich wie das von allen gefeierte "Demanufacture" und wird ganz gerne mal unterschätzt. Teilweise finde ich den einen oder anderen Song selbst auch etwas anstrengend, wenn man an das etwas ausgereiftere Songwriting von später gewöhnt ist, aber "Soul Of A New Machine" bringt auch seine ganz eigenen Vorteile mit. Nie wieder sollten Fear Factory so hart und brutal klingen. Growltechnisch wird hier wirklich alles aus dem Sänger geholt, was geht. Gitarre und Bass klingen angenehm schwer drückend und man hört direkt, dass Drummer Raymond Herrera ein großer Fan vom Ganzkörperworkout ist und auch das Beintraining nicht vernachlässigt, bei den Double Bass Orgien, die er hier auf den Hörer loslässt.

Auch die Lyrics sind hier recht spannend. Wie schon das Cover vermuten lässt, ist die Beziehung zwischen Mensch und Maschine schon immer ein beliebtes Thema bei Fear Factory gewesen, aber während es ab "Demanufacture" etwas wörtlicher genommen wird mit den ganzen Hommages an Terminator oder Blade Runner, geht am es hier auf viele Arten an und bietet ein sehr breites Spektrum an Ideen für Songtexte. Neben toxischen Beziehungen ("Leechmaster") hätten wir da noch Drogensucht ("Self Immolation"), Tierversuche ("Crash Test") oder Rassismusprobleme bei der Polizei ("Scapegoat"). Letzteres offenbar in Form von Erfahrungen, die Gitarrist Dino Cazares selbst aufgrund seines Latino-Backrounds mit dem LAPD machen musste.

Am Ende sind ganze 17 Songs dabei rausgekommen, wobei wirklich keine Sekunde verschwendet wird und der Opener "Martyr" direkt ohne Intro losbrettert und damals sicherlich den einen oder anderen Hörer schockiert haben dürfte, als sich nach knapp der Hälfte des Songs die Vocals plötzlich von Growls auf cleanen Gesang quasi um 180° gedreht haben. Ein großer Teil der Vocals besteht tatsächlich nur daraus wie die Line "Suffer Bastard" auf die unterschiedlichsten Arten zum besten gegeben wird und trotzdem oder gerade deswegen eignet sich der Song so gut um gleich früh im Album einen perfekten Einblick in die Gesangskünste von Burton C. Bell zu bekommen.

"Leechmaster" ist dagegen etwas schwerere Kost. Komplett ohne cleane Vocals und ohne allzu klare Strukturen, an denen man sich festhalten kann, ist mir das Ding persönlich etwas zu sperrig geraten und nur im etwas langsameren Refrain was für mich. "Scapegoat" ist dagegen ein absoluter Klassiker und einer meiner absoluten Lieblingssongs von Fear Factory ever. Wir haben hier sämtliche Brutalität eines "Soul Of A New Machine" mit allen Stärken melodischerer Ansätze, auf welche die Band später noch öfter bauen sollte. Definitiv ein Song, der seiner Zeit weit voraus war und verdammt gut gealtert ist.

"Crisis" setzt stark auf Filmsamples aus "Apocalypse Now" und "Full Metal Jacket". Solche Samples werden auf diesem Album immer mal wieder vorkommen und in der Regel auch ziemlich gut platziert, aber wenn der Song wie hier mittendrin für ein längeres Sample quasi eine Vollbremsung hinlegen muss, dann ist mir das etwas zu viel. Ansonsten ist "Crisis" nämlich ein sehr ordentlicher Song im etwas langsameren Tempo. "Crash Test" erhöht selbiges gleich wieder und gibt nicht besonders viel Struktur oder Melodie zur Orientierung, was allerdings die ordentliche Brutalität, mit der es abgeliefert wird, locker wieder wett macht.

"Flesh Hold" ist relativ kurz und etwas unspektakulär. Ähnlich unstrukturiert wie "Crash Test" aber weniger einprägsam bis auf das "I want more Life, Fucker!"-Sample aus "Blade Runner", welches hier perfekt eingebaut wurde. "Lifeblind" fängt sehr Industrial-Metal-mäßig an und fällt vor allem durch den sehr langsamen Refrain auf, bei dem cleaner Gesang mit dezenten Growls im Hintergrund übereinander gelegt wurden. Auch das hat mich eher so mittelmäßig überzeugt. "Scumgrief" ist dagegen einer meiner heimlichen Favoriten hier. Der Song punktet quasi in allen Bereichen, die Fear Factory damals zu bieten hatten, hat einen sehr interessanten Aufbau, ist genretechnisch kaum einzuordnen und sogar der Bass ist ordentlich zu hören.

"Natividad" leitet dann die Halbzeit mit… Geräuschen ein. Ja, irgendwie war es damals im Industrial Metal cool, aus irgendwelchen Fabrikgeräuschen und sonstigen Gerumpel ohne irgendwelchen Kontext Klangcollagen zu basteln. Ich habe auch nie verstanden, welchen musikalischen Mehrwert das haben soll aber bitteschön: eine Minute Fabrikarbeit ohne Lärmschutz für den Hörer. Nachdem wir das jetzt auch hinter uns haben, beginnt die zweite Hälfte des Albums. Ab hier werden die Songs jetzt tendenziell etwas kürzer und sogar noch oldschooliger mit mehr Grindcore-Einflüssen.

Den Anfang davon darf "Bid God/Raped Souls" machen, dass wirklich beide Extreme in Burton C. Bells Stimme perfekt hervorhebt. Wir haben hier butterweiche cleane Vocals und extrem heftige Growls, teilweise auch in ordentlicher Geschwindigkeit und beides passt tatsächlich gut zusammen. Mit "Arise Above Oppression" wird dann sogar die 2-Minuten-Marke unterschritten, was es mir etwas schwerer macht, damit warm zu werden, denn sobald ich im Ansatz ein Gefühl für den Song entwickle, ist er auch schon rum.

"Self Immolation" dagegen muss man nur bis zum ersten Refrain hören und will sofort in den Moshpit. Eigentlich recht schlicht gehalten das ganze, aber wenn das Ding nicht trotzdem total Bock macht, dann weiß ich's auch nicht mehr. "Suffer Age" beginnt extrem langsam und gemächlich. Fast die gesamte erste Hälfte könnte man als Intro betrachten, welches aber durchaus interessant aufgebaut ist. Danach geht's eigentlich ziemlich direkt vorwärts, wobei allerdings das Sample von Gunnery Sergeant Hartman aus "Full Metal Jacket", das einfach so aus dem Nichts auftaucht jedes Mal ein Highlight ist.

"Weight Of Existence" oder hier mit "W.O.E." abgekürzt klingt wie ein durchschnittlicher Song der ersten Albumhälfte, nur etwas kürzer. Im Prinzip ist alles da, aber es fehlt ein wenig der Wiedererkennungswert. In "Desecrate" gibt es recht durchgängig auf die Fresse und für den aufmerksamen Hörer sogar dezente Screams bei den Vocals zu entdecken. Viel mehr Grindcore werdet ihr auf einem normalen Fear Factory Album kaum zu hören bekommen. "Escape Confusion" hebt sich ähnlich wie "Suffer Age" durch ein sehr langsames aber hier fast schon doomig-schweres Intro mit den tiefsten Growls ab, zu denen der Sänger fähig scheint. Sehr nettes Feature von "Soul Of A New Machine": immer wenn man denkt, dass man alles gehört hat, überraschen Fear Factory mit etwas neuem. Schade, dass "Manipulation" am Ende dagegen schon wieder etwas platt wirkt. Es klingt jetzt nicht direkt schlecht, aber es ist wirklich ziemlich einfach gestrickt und mir hätte irgendwie wenig gefehlt, wenn es bei eh schon 16 anderen Songs ausgespart worden wäre.

Das große Auswahl an Songs erscheint im ersten Moment tatsächlich erstmal etwas überwältigend, wenn man die ersten Male reinhört. Da hier zusätzlich noch mit wirklich einigen Genres experimentiert wird, wirkt "Soul Of A New Machine" zwischendurch auch mal etwas unübersichtlich. Gleichzeitig ist es auch einzigartig, weil ihr einige Überschreitungen an Genre-Grenzen nur hier zu hören bekommt. Und für das breite Spektrum an Sounds und Eindrücken, mit denen man hier überflutet wird, gibt es immerhin auch noch genügend Songs, die recht schnell und gut in's Ohr gehen.

Wirkliche Tiefpunkte gibt es unter den Songs eigentlich auch nicht (wenn wir "Natividad" mal nicht als Song im engeren Sinne betrachten), trotzdem frage ich mich, ob es "Soul Of A New Machine" nicht am Ende sogar ganz gut getan hätte, sich von 3, 4 oder 5 Songs zu trennen, um eine rundere Erfahrung aus dem Album zu machen. Später haben Fear Factory ja auch mehr oder weniger auf Alben gesetzt, bei denen man sich etwas besser zurecht findet, dafür aber jeder einzelne Song etwas mehr Gewicht hat.

Im Schnitt ist "Soul Of A New Machine" für mich ein gutes Album mit ein paar echten Highlights und einigen Songs, bei denen es okay ist, dass sie da sind, die aber auch gleichzeitig austauschbar wären. Gehört haben sollte man diesen Hybriden aus allen möglichen Genres aber allemal.

Punkte: 7 / 10


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