Ich mag ja ganz besonders Musikalben, die mich beim ersten Hören mit ihren Strukturen und Anhäufungen von Ideen überfordern, mir aber gleichzeitig das Gefühl geben, dass, wenn ich mich intensiver mit ihnen befasse, sie mich beim Enträtseln mit Endorphinausschüttungen und Erkenntnisorgasmen befriedigen werden.
Bei 'Reflections Of A Floating World' strengt beim ersten Durchlauf neben der Schubladensuche, auch die Suche nach Halt an. Das "Floating" ist nicht immer rund und gemütlich, sondern kann auch in Haken, geometrischen Formen und reißerischen Strömen den Hörer an den Rand des Ertrinkens bringen.
ELDER mögen Gitarren und auch Gitarrensolos, und fast wäre ich versucht sie in die psychedelische Jam-Rock-Ecke zu stellen, wo sie allerdings neben den überwiegend bluesig-angehauchten Saitenpornografen, wie Mathematik-Nerds wirken könnten, die eher im verschrobenem Jazz, oder gar Djent beheimatet wären. Ein flüchtiger Hauch von MESHUGGAH oder ANIMALS AS LEADERS ist schon vernehmbar. Bei direkteren Vergleichen schießen mir allerdings die Glanztaten von THE MARS VOLTA und AT THE DRIVE-IN durch den Kopf, vor allem wenn es um die Art der Vokalisierung geht. Aber auch die zuckend fragilen Rhythmen bzw. Unterbaukonstruktionen erinnern sehr an jene Ausnahmekünstler. Dennoch schaffen ELDER einen unvergleichlichen Fluß, der vom positiven Charakter auch z.B. sehr an 'Close To The Edge' von YES oder stellenweise PINK FLOYD erinnert. Dabei vermeiden sie es gekonnt allzu oft mit schnöden Genreklischees Ideenlosigkeit zu kaschieren. Vorher schweifen ELDER lieber in verschrobene Sphären und dramatische Eruptionen ab und reißen damit das Ruder immer im richtigen Moment rum. Auch wegen des Mellotron könnte man da ab und zu den Eindruck gewinnen, dass hier 'In The Court Of The Crimson King' einen nicht geringen Inspirationsanteil am Arrangement hatte.
NEU! und EXPLOSIONS IN THE SKY kommen beim Erleben der 2LP ebenso ins Gedächtnis, wie auch WISHBONE ASH, THIN LIZZY oder IRON MAIDEN. Herrliche Twin-Gitarren haben diese Schlitzohren nämlich auch im Sortiment und wissen damit gut umzugehen. Zum allen Überfluss muss ich nun noch KYUSS ins Spiel bringen, denn der Sound ist zuweilen übelst fett! Also wären wir zum jetzigen Zeitpunkt bei einer Kategoresierung, die in etwa Progressive-Psychedelic-Stoner-Jam-Rock oder so lauten könnte.
ELDER schaffen mMn perfekt den Spagat zwischen 70er-Rock-Feeling und moderner Architektur. Zu jeder Zeit kann man ihre zahlreichen Inspirationsquellen raushören und ELDER scheinen das vorerst letzte und logischste Glied dieser Evolution zu sein. Die Band schiebt da Details in ihre Songs, die einfach nur genial sind und damit meine ich nicht das schnell rausgekramte und schon sehr abgelutschte "genial"! Die Musik ist durchdacht und dennoch nicht steril, sondern von einer übernatürlichen Schönheit. Neben schrammeligen (Grunge/Garage?) Passagen lassen die Jungs aus Boston auch gerne mal einen Funkenregen an Saitenzaubereien herabregnen. Es passiert so viel und doch hat man nie das Gefühl von erzwungener Aufgesetztheit.
Die Produktion empfinde ich als nahezu perfekt und dazu kommt noch eine sauber gepresste 2LP, die einem nicht den Spaß am Vinyl verdirbt, sondern ordentlich läuft!
Als Fazit kann ich nur sagen, dass wenn man letztes Jahr objektiv gesehen mit 'Terminal Redux' von VEKTOR einen Meilenstein in der (härteren) Musikhistorie hatte, es dieses Jahr einfach ELDER mit 'Reflections Of A Floating World' sein muss. Platten wie diese sind äußerst selten!
Herausragend!
Punkte: 9.5 / 10