Eisbrecher Eiszeit (2010) - ein Review von DarkForrest

Eisbrecher: Eiszeit - Cover
3
3 Reviews
14
14 Ratings
7.79
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Dark Wave / Gothic: Industrial


DarkForrest
06.03.2021 16:46

Im April 2010 wurde es wieder kalt: Eisbrecher haben mit ihrem vierten Album eine neue "Eiszeit" eingeleitet und das zumindest aus kommerzieller Sicht bis dato am erfolgreichsten - Platz 5 in den deutschen Charts kann sich definitiv sehen lassen. So sehr Alexx Wesselsky, Noel Pix und ihr Team damit die breite Masse beeindrucken konnten, so sehr war "Eiszeit" das erste Album der Jungs, mit dem ich meine Probleme hatte. Die ersten drei Alben waren für mich alle mindestens gut und den Nachfolger "Die Hölle Muss Warten" fand ich so grenzwertig, dass ich danach aufgehört habe, mir die Alben zum Release zu kaufen. "Eiszeit" nimmt eine etwas seltsame Position dazwischen ein: ich habe es damals irgendwie als "okay" empfunden, mich seitdem aber auch kaum mit dem Album beschäftigt. Grund genug, das Teil nochmal ganz genau unter die Lupe zu nehmen:

Eine Besonderheit von "Eiszeit" ist sicherlich, dass man bereits zum Release mit einer großen Anzahl an Versionen überflutet wurde, die alle das gleiche Cover in anderen Farben haben. Wir hätten da die Basisversion in grau, die internationale Version in rostrot, die limited Edition mit 3 Bonus Tracks in schwarz, die Single in blau, das special limited Box Set i mit Bonus DVD in weiß mit grauer Schrift oder die Tour Edition (ebenfalls in weiß, aber mit schwarzer Schrift) mit allen Bonus Tracks, der kompletten Single (naja allen beiden Songs) und der Live DVD. Na? Alles gemerkt? Ich weiß, dass ich damals eher irritiert und genervt durch die ganzen Versionen war, aber im Nachhinein betrachtet ist so für jeden was dabei, je nachdem wie viel "Eiszeit" es denn sein soll. Und natürlich muss man positiv anmerken, dass alle Versionen von Anfang an verfügbar waren und Fans, die 2010 zugegriffen haben nicht ein paar Monate später mit einer noch besseren Version ein zweites Mal zur Kasse gebeten wurden.

Es ist gar nicht mal so leicht "Eiszeit" in ein paar Sätzen zu beschreiben, aber ich würde sagen, dass es am ehesten Elemente aus dem Debütalbum und "Die Hölle Muss Warten" mitbringt. Ersteres merkt man dass ein bisschen der musikalische rote Faden fehlt. Es wird relativ viel experimentiert und die Genregrenzen werden hier ziemlich ausgereizt. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, bietet den einen oder anderen interessanten Moment, wirkt am Ende aber auch etwas weniger abgerundet als ein "Antikörper" oder "Sünde". Außerdem gibt es ähnlich wie auf "Eisbrecher" nicht so viele Hits im klassischen Sinne, was das Album ja ebenfalls ganz interessant werden lassen kann. Auf der anderen Seite haben wir hier ein paar sehr poppige Elemente, wie wir sie später auf dem Nachfolger noch etwas öfter finden sollten. Das äußert sich hier noch nicht ganz so (aber teilweise durchaus) in einzelnen Songs, sondern eher in der sehr glattgebügelten Produktion der es nicht nur an Ecken und Kanten, sondern auch deutlich an Biss fehlt.

Das hören wir schon sehr gut beim ersten Song "Böse Mädchen" - welches wirklich schnell zur Sache kommt, recht einfach aufgebaut ist und sofort in's Ohr gehen soll, aber am Ende so oberflächlich bleibt, dass es genauso schnell auch wieder vergessen ist. "Adrenalin" auf "Antikörper" hat auf einen ähnlichen Einstieg abgezielt, aber wesentlich besser abgeliefert, während "Böse Mädchen" dagegen ziemlich lasch daherkommt.

Der Titeltrack ist dagegen der eine Hit des Albums, bei dem die Band alle Stärken ausspielt und sich wahrscheinlich die meisten Fans drauf einigen können, dass das Ding wunderbar so passt wie es ist, weshalb es auch ziemlich offensichtlich war, dass da im Vorfeld eine Single draus wurde. "Bombe" (oder "Die Bombe" wie es im Booklet heißt) klingt sehr nach dem ersten Album: langsames Tempo, ungewöhnliche Melodie, weibliche Vocals zur Unterstützung, etwas unbeholfener Text aber definitiv etwas, was sich ein wenig abhebt - sowohl auf positive als auch auf negative Art und Weise.

Mit "Gothkiller" holen sich Eisbrecher Roberto Vitacca als Verstärkung und liefern nicht nur ihren ersten komplett englischsprachigen Song ab, sondern wechseln gleich komplett das Genre, indem sie sich im in irgendeiner wilden Mischung aus Gothrock und Futurepop versuchen. Das ganze klingt einigermaßen seltsam, aber fuck it - es macht ziemlich Laune und geht wesentlich besser nach vorne, als es eigentlich sollte. Also warum nicht? "Die Engel" ist dann einer von zwei Songs, die sich schon ziemlich eindeutig in Richtung Popmusik bzw. schwarzen Schlager bewegen, aber nicht auf eine spaßige Art wie "Vergissmeinnicht" sondern wirklich ziemlich platt, kitschig und eindimensional.

"Segne Deinen Schmerz" versucht es zwar ebenfalls mit einem eher langsamen Tempo, aber abgesehen davon, dass der elektronischere Ansatz mit den Beats, die hier on Point sind, ziemlich gut funktioniert, hat Alexx offenbar doch noch nicht vergessen, wie man ordentlich Emotionen in den Gesang packt. Das alles ergibt einen mehr als ordentlichen Song, der besser klingt als der etwas lahme Remix auf der Single vermuten lässt. Bei "Amok" wird - wie der Name schon vermuten lässt - mal wieder etwas mehr Härte zelebriert. Obwohl ich das eigentlich mag und Eisbrecher sich härtetechnisch eh eher mal sehr weit am unteren Ende meiner Musiksammlung befindet, kann ich mit den Eisbrecher-Songs, die fast ausschließlich auf Härte setzen wie "Die Durch Die Hölle Gehen" oder eben auch "Amok" gar nicht mal so viel anfangen, wenn wir da nicht noch eine melodischerer Komponente haben, die das ganze irgendwie abrundet. Die haben wir hier neben den harten Beats und Sprechgesang nicht so sehr, was "Amok" für mich etwas trocken macht.

"Dein Weg" - Popschlager Nummer 2 und was soll ich sagen: es trifft immer noch nicht meinen Geschmack. Im Vergleich zu "Die Engel" vielleicht etwas weniger schlimm, da die musikalische Untermalung hier und da ganz angenehm melancholisch klingt, aber die Vocals? Autsch! "Supermodell" ist wieder etwas härter und auch experimenteller und hat sogar ein ziemlich passables Gitarrenriff, was auf "Eiszeit" nicht ganz so häufig vorkommt und hier für ganz solide Unterhaltung sorgt.

So langsam geht die "Eiszeit" dem Ende entgegen. Der letzte Track der Basisversion ist "Der Hauch Des Lebens" - eine etwas langsamere Ballade, die aber ziemlich intensiv daherkommt. Keine Offenbarung, aber ein ganz gelungener Abschluss. Besser jedenfalls als "Kein Wunder", dem ersten Bonustrack und - von Remixes mal abgesehen - längsten Song des Albums. Mit knapp 5 Minuten zieht er sich auf jeden Fall ganz schön und obwohl ich gar nicht genau festmachen kann, was ich daran nicht mag, finde ich ihn am Ende des Tages ziemlich langweilig und er will einfach nicht hängen bleiben. Technisch gesehen wirkt er eigentlich ganz rund, aber im Ergebnis kann ich gut verstehen, warum er es nicht auf das reguläre Album geschafft hat.

Ganz zum Schluss werden dann zumindest die Besitzer der limited Edition noch mit zwei Remixes verwöhnt. Zuerst hätten wir da "Amok" im "Renegade Of Noise Remix". Ich war ja von vorn herein etwas skeptisch, bei der Songauswahl und der Tatsache, dass Remixes von Eisbrecher-Songs auch nur begrenzt kreativ sind, aber ich muss sagen, dass ich positiv überrascht wurde. Wahrscheinlich bietet sich gerade ein Song wie "Amok" gut zum remixen an. Ich habe das Gefühl, dass er hier endlich das musikalische Grundgerüst gefunden hat, welches ihn gut klingen lässt. Definitiv die von mir bevorzugte Version. Zum Abschluss hätten wir dann noch den "TLP-Remix" von ausgerechnet von dem guten alten "Schwarze Witwe". Klingt im Ergebnis immer noch gut, lässt den Song aber etwas generischer wirken und wertet das Original nicht auf nennenswerte Art auf.

Bevor wir ein Fazit ziehen, noch ein kurzer Blick auf die Live-DVD, welche der Tour-Edition beiliegt. "Kurz" ist wohl ganz treffend, denn wir haben es hier gerade mal mit drei Songs zu tun. Aber fangen wir erstmal mit dem positiven an: mit "Vergissmeinnicht", "Heilig" und "Leider" hat man drei Songs gefunden, die ziemlich sichere Livenummern sind und mit denen man im Grunde nichts falsch machen kann. Trotzdem sind sie verschieden genau, dass sie unterschiedliche Stärken der Band widerspiegeln. Wer Eisbrecher kennt, der weiß dass sie Live eine ziemliche Granate sind und zum Glück haben sie auch bei der Aufnahme keinen schlechten Tag erwischt. Die Stimmung ist wirklich ordentlich und die Tatsache, dass die Halle nicht zu groß ist, tut der Atmosphäre des Konzerts ganz gut. Auch der Sound kann sich wirklich hören lassen. Vor allem "Leider" klingt durch die sehr dominanten Gitarren echt heftig und beeindruckend im Vergleich zum Original.

Bis auf die Tatsache, dass "Vergissmeinnicht" ein paar echt hässliche Slowmo-Shots hat, kann ich inhaltlich wirklich nicht viel an der DVD aussetzen. Allerdings sind 3 Songs und ein optisch nicht sehr ansprechendes DVD Menü schon etwas wenig, gerade wenn man bedenkt, dass erst 5 Jahre später die erste richtige Live-DVD von Eisbrecher das Licht der Welt erblicken sollte. Ich verlange jetzt kein komplettes Konzert als Bonus-DVD (obwohl die Vorstellung bei der Tour-Edition für mich jetzt auch nicht unbedingt völlig absurd klingt), aber die Bonus-DVD zu "Die Hölle Muss Warten" hatte wenigstens 5 Songs, zwei Musikvideos und eine kleine Doku zu bieten, was denke ich ein angemessener Kompromiss ist, wenn man sich ein ganzes Konzert doch lieber für einen eigenen Release aufheben mag. Schließlich ist es zwar nett, die drei Songs zu haben, aber unbedingt viel mehr Geld ausgeben würde ich jetzt auch nicht für die Tour-Edition.

Am Ende des Tages gefällt mir "Eiszeit" doch etwas besser, als ich es in Erinnerung habe. Der eine oder andere Song wie der Titeltrack "Gothkiller" oder "Segne Deinen Schmerz" kann wirklich was und ist eine echte Bereicherung für das Repertoire der Band. Trotzdem wird hier die Qualität der ersten drei Alben nicht ganz aufrecht erhalten. Neben dem einen oder anderen belanglosen Filler gibt es einzelne Songs, die neue Tiefpunkte der Band einleiten und der Sound könnte insgesamt etwas mehr knallen. Ich breue es jetzt wirklich nicht, "Eiszeit" im Schrank stehen zu haben, aber es wäre jetzt auch nicht das allererste Album von Eisbrecher, welches ich empfehlen würde.

Punkte: 6 / 10


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