Ich habe damals einfach mal blind zugegriffen und bin bei "1000 Narben" gelandet. Bekommen habe ich eine der beiden Singles, die vorab veröffentlicht wurden und zwei Songs des (damals) kommenden Albums enthält - nicht mehr und nicht weniger. Ich werde gleich noch ausführlicher darüber meckern, dass mir das überhaupt nicht ausreicht, aber schauen wir uns erstmal die Songs im Detail an - sind ja eh nicht viele.
"1000 Narben" ist einer der schnelleren Songs auf "Schock" und wird von einer recht simplen, aber eingängigen Elektro-Melodie getragen, die mal stärker mal schwächer durch Gitarren ergänzt wird. Die Vocals sind dabei relativ gleichförmig, gehen im Refrain aber doch ganz gut in's Ohr. Irgendwie hört sich alles so an als wäre "1000 Narben" vor allem für die Live-Erfahrung konzipiert worden - an der einen oder anderen Stelle werden sogar dezent Publikumsgeräusche reingeschnitten. Und ja: zumindest "Schock Live" bestätigt meinen Eindruck, dass "1000 Narben" live etwas besser funktioniert als in der reinen Studioversion. Inhaltlich geht's übrigens nicht in eine ähnliche Richtung wie "Leider", wie man vielleicht auf den ersten Blick denken könnte. Im Gegenteil: "1000 Narben" hat eine sehr lebensbejahende Botschaft und sagt uns, dass wir das Leben in vollen Zügen leben, zu unseren Fehlern stehen und wieder aufstehen sollen, wenn wir fallen. Das ist okay, aber jetzt nicht wahnsinnig originell und das gleiche gilt auch für den Rest des Songs: völlig okay, aber wenig kreativ. Härte und Tempo wären zwar da, um live ein wenig mitzureißen, aber wenigstens ein originelles Gitarrenriff oder ähnliches hätte ich mir eigentlich schon gewünscht.
Damit klingt "1000 Narben" eher wie ein Filler für mich. Ein guter Filler, aber wirklich nichts, was bei mir hängen bleibt. Daher finde ich den Song als Aufhänger für eine Single auch eher ungeeignet. Deshalb verwundert auch das abstrakte und sterile Cover nicht unbedingt: was soll man visuell auch schon groß aus dem generischen Thema des Songs rausholen? Vielleicht hätte man noch den einen oder anderen guten Remix draus machen können. Auch wenn Eisbrecher ihre Fans nicht unbedingt mit zu schrägen oder abgefuckten Remixes überfordern wollen, könnte ich mir gerade bei einem eher simpel aufgebauten Song wie "1000 Narben" vorstellen, dass man auch schon mit ein paar einfachen Änderungen ein ganz interessante Mixes aus dem Ding rausbekommen könnte. Aber nö: Remixes soll es diesmal keine geben.
Also begnügen wir uns mit der B-Seite "Zwischen Uns". Im Gegensatz zu "1000 Narben" ist "Zwischen Uns" ein Song der mich auch heute noch begeistern kann. Das Riff geht nicht nur gut nach vorne, sondern klingt auch recht originell. Das Highlight dürfte aber die Gastsängerin Mia Aegerter sein, die sich ein großartiges Duett mit Alexx liefert. Die beiden harmonieren nicht nur super miteinander, sondern liefern sich auch noch das eine oder andere für NDH-Verhältnisse ganz clevere Wortspiel. Tempo und Timing sind hier ebenfalls klasse und alleine wie der letzte Refrain nochmal an Intensität zulegt ist schon eine Menge wert. "Zwischen Uns" ist für mich nicht nur der beste Song auf "Schock", sondern bis heute unter den Top 5 meiner Lieblingssongs von Eisbrecher ever. Allerdings gibt es auch hier ein kleines Problem: genau dieser Song hat kurz zuvor einen eigene Promo-Single bekommen. Ich meine: ja klar, das Ding war sicher nicht für die große Masse, aber trotzdem drängt sich der Eindruck doch sehr stark auf, dass "Schock" einfach kaum gute Songs zu bieten hat, wenn man vor der Veröffentlichung des Albums bei den Singles so stark recyclen muss - vor allem wenn man bedenkt, dass wir auf "Die Hölle Muss Warten" genau das Problem hatten, dass die Singles großartig aber wenig repräsentativ für das Album waren. "Zwischen Uns" hatte quasi schon vorab seinen Auftritt - warum man es hier nochmal auf die B-Seite klatscht, weiß ich wirklich nicht.
So, mehr ist aus dieser Single nicht raus zu holen. Wenn ich "1000 Narben" jetzt ausschließlich anhand der Qualität der Songs bewerten würde, dann wäre die CD für mich "gut". Ein ganz netter, aber unspektakulärer und ein großartiger Song gehen insgesamt schon in Ordnung. Aber ich berücksichtige ja auch wie gut das ganze als Gesamtkunstwerk funktioniert und hier haben wir ein Problem. Eisbrecher sind im Laufe der Zeit einfach faul geworden, was ihre Singles angeht und hauen im Gegensatz zu früher immer mal wieder welche auf den Markt, die inhaltlich kein exklusives Material zu bieten haben. Das kann man so machen, wobei die Single dann ein paar Wochen später nach Release des Albums quasi komplett obsolet wird und nur noch was für absolute Sammler ist, aber ich finde das immer langweilig.
Ich verlange ja noch nicht mal exklusive Songs als B-Seiten, obwohl Eisbrecher wenige Wochen später mit "Rot Wie Die Liebe" eine Single liefern sollten, die genau das hat (ratet mal, welche CD man sich dann lieber kaufen sollte). Der eine oder andere Remix wäre ja schon eine nette Geste des guten Willens gewesen. Vielleicht hätte man ja auch noch ein oder zwei Live-Aufnahmen, die man auf Halde hat, unterbringen können. Auch wenn 2015 der ganze Multimedia-Krempel nicht mehr so eine Sache war wie Mitte der 2000'er, wären selbst irgendwelche obskuren Videoclips wie bei den Singles zu "Antikörper" besser gewesen als gar nichts. Zumindest wird der Inhalt aber ganz gut durch das weiße, leere und sterile Backcover der Single repräsentiert.
Tja und auch bei dem, was da ist muss ich meckern: "1000 Narben" ist für mich wie gesagt nur sehr bedingt als Titeltrack für eine Single geeignet und "Zwischen Uns" im Prinzip vollkommen redundant. Ist "1000 Narben" damit für mich absoluter Rotz? Nö! Ich habe schon schlimmeres gesehen und gehört und die Songs an sich gehen ja in Ordnung. Nur wenn es irgendeine Veröffentlichung um "Schock" herum gibt, die ihr locker überspringen könnt, ohne was zu verpassen, dann genau die hier.
Punkte: 5 / 10