Eisblut Schlachtwerk (2005) - ein Review von DarkForrest

Eisblut: Schlachtwerk - Cover
1
1 Review
15
15 Ratings
7.73
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Black Metal, Death Metal, Grindcore


DarkForrest
12.01.2020 21:30

"Schlachtwerk" ist das einzige Album der Band Eisblut, aber es würde wohl wenig Sinn machen, sich direkt auf das Album zu stürzen ohne vorher etwas Kontext zur Band anzubringen. Eisblut ist ein Sideproject der Blutkehle M. Roth und Bursche Lenz von Eisregen (daher auch der unglaublich kreative Name). Wie auch beim Hauptprojekt gibt es harten Metal mit recht morbiden Texten in deutscher Sprache zu hören. Doch im Gegensatz zum Original sollte das Konzept hier mehr Experimentierfreude bei den Vocals, direktere und noch brutalere Lyrics höheres Tempo und die Tatsache zulassen, dass man sich selbst etwas weniger ernst nimmt. Wenn ihr euch Eisregen als Horrorfilm vorstellt, dann wäre das hier Quasi ein Splatterfilm.

An sich eine geile Idee, nur eine Sache sollte sich dabei als leicht problematisch rausstellen: Während das ganze 2005 noch einen gewissen Neuigkeitswert hatte, sollten Eisregen bereits ein Jahr später mit "Hexenhaus" und den Alben danach eine sehr ähnliche Richtung einschlagen. So klingt "Schlachtwerk" im Nachhinein schon ziemlich stark nach Eisregen der mittleren bis späten 2000'er. Das heißt aber nicht, dass Eisblut nicht auch ein paar eigene Trademarks hat - zumindest wenn man genauer hinhört. Auffällig wäre da zum Beispiel das Lineup: Violine und Keyboard machen hier Platz für einen zweiten Gitarristen. Die meisten Songs sind deutlich schneller gehalten, das Schlagzeug ballert mehr und insgesamt wirkt alles deathmetal-lastiger, was von mir sehr positiv zur Kenntnis genommen wird. Gleichzeitig sind aber auch ein paar sehr softe eher rockige Nummern am Start.

Ursprünglich sollten sich wohl alle Texte im Serienmörder drehen, was für mich persönlich ein absolut großartig gewesen wäre. Am Ende ist es eine bunte Mischung geworden. 3 Songs sind vom Serienmörder - Thema übrig geblieben, zwei Stücke wurden laut Booklet dem italienischen Regisseur Lucio Fulci gewidmet und auch der Rest behandelt eher Themen, mit denen man sich bei der BPjM nicht unbedingt beliebt macht. Lustigerweise stand "Schlachtwerk" im Gegensatz zum 1 Jahr vorher erschienen "Wundwasser" von Eisregen trotzdem nie auf dem Index.

Los geht es sehr schnell und direkt mit "Wenn Der König Stirbt". Schnell sowohl im Sinne von Tempo als auch im Sinne von unter zwei Minuten vorbei und ich bin direkt zwiegespalten. Immerhin kann man sagen, dass die neue Death Metal Ausrichtung hier ziemlich klar zur Geltung kommt, auf der anderen Seite ist mir die Spielzeit zu kurz im damit wirklich warm zu werden. Alles wirkt unnötig gehetzt und schnell abgefrühstückt, wodurch wir hier einen vergleichsweise schwachen und schnell vergessbaren Song haben. Das genaue Gegenteil versucht dann "Silbersarg" darzustellen. Durchweg cleane Vocals (damals eine Neuheit), gedrosseltes Tempo und fast schon Kuschelrockfeeling, welches im starken Gegensatz zu den fiesen lyrics stehen soll. Ein wenig wird hier sogar ein ähnlicher Vibe erzeugt wie damals beim "Schlaflied" von den Ärzten, falls das noch jemand kennt. An sich eine gelungene Umsetzung. Cleane Vocals sind nicht unbedingt M. Roths Stärke und das hört man hier teilweise auch raus, aber wenn das ganze musikalisch vernünftig eingebettet ist, dann kann es funktionieren und das tut es hier.

Falls euch knapp 40 Minuten zu lang sind, um herauszufinden, ob Eisblut etwas für euch ist, dann empfehle ich "Sag: Ich Will Tot Sein". Für mich repräsentiert dieser Song das Album am besten. Es ist alles da, womit die Band sich rühmt: hohes Tempo, sadistische Lyrics, Growls, Screams, cleane Vocals, Härte, auch mal softe oder langsamere Passagen, die die ganze Geschichte auflockern - ich mag's. "Überreste" wäre so auch als eher härterer Eisregen Song durchgegangen. Gleichzeitig schafft er es aber auch, auf einem Album welches auf Abwechslung setzt unter zu gehen und wie zu viele andere Songs auf "Schlachtwerk" zu klingen. Schwer zu erklären, wenn man es nicht selbst hört, aber fast jedes Element ist zwar irgendwie okay, wird aber von mindestens einem anderen Song besser umgesetzt. Gleichzeitig hatte ich beim reinhören vor ein paar Tagen recht lange 'nen Ohrwurm davon - irgendwas macht er also richtig.

Mit "Wiegenlied Vom Totschlag" hätten wir dann endlich den ersten Song, der einen Serienmörder behandelt, nämlich Adolf Seefeldt, welcher seine Opfer erst in einen hypnotischen Schlaf versetzte und dann erfrieren ließ - also keine schlechte Grundlage für einen Eisblutsong und auch entsprechend ordentlich umgesetzt mit ziemlich eigener Atmosphäre und angenehm ruhigem Intro, dass dem Song zusätzlich Charakter verleiht. Mit "Gespenst In Den Trümmern" geht es direkt weiter mit Bruno Lüdke, welcher lange Zeit als schlimmster deutscher Serienmörder galt ohne dass überhaupt zu 100% geklärt wurde, ob er auch nur für einen einzigen Mord verantwortlich war. "Gespenst In Den Trümmern" nimmt sich textlich also ein wenig künstlerische Freiheit raus. Davon abgesehen überzeugen mich hier vor allem die recht abwechslungsreichen Gitarren, während auf Seiten der Vocals jetzt keine so großen Überraschungen zu erwarten sind.

Ist euch das ganze thematisch zu düster? Wie wäre es mit einer kleinen humoristischen Auflockerung? Zum Beispiel mit dem Song "?" in welchem der Drummer wie der letzte Vollspacken das Taube Nüsschen Lied aus dem Spongebob Film singt? Nein? Na immerhin werden nur 15 Sekunden eures Lebens damit verschwendet. Der nächste "richtige" Song ist gleichzeitig der Titeltrack und fügt sich musikalisch in das Schema schnelle Riffs, harte Drumms und irgendwo dazwischen noch 'ne cleane Passage. Am ehesten mag er noch textlich auffallen, da hier mal das Thema Masochismus behandelt wird. Für mich ist "Schlachtwerk" in 15 Jahren am wenigsten gut von den Songs hier gealtert, was auch und vor allem an den Lyrics liegt, denn während ich 2005 Texte wie "Gestern erst hab ich masturbiert und mir dabei den Fuß amputiert." noch halbwegs witzig fand fehlt mir hier doch ein wenig der Shock Value. Musikalisch aber okay.

So richtig dreht "Schlachtwerk" aber eher gegen Ende auf. "Krankes Herz" - auch eher ein ruhiger Song, der erst im Refrain gutturalen Gesang einsetzt - ist ein fucking Meisterwerk, auch heute noch. Ein wirklich intensiver Song, der davon lebt, dass er sich Zeit nimmt im richtigen Moment zu zünden und nicht einfach nur das Gaspedal stumpf durch zu drücken. Auch "Über Dem Jenseits" ist sehr kreativ geworden. Straighter Death Metal ohne viel Schnickschnack, hammergeile Gitarren und eine knackige Länge von knapp 3 Minuten, die aber ausreicht alles gut zu präsentieren. Ähnliche Ausrichtung wie "Wenn Der König Stirbt" aber deutlich bessere Ausführung.

Ebenfalls klasse geworden ist "Menschenfleischwolf" aber vielleicht bin ich da voreingenommen, weil ich ziemlich fasziniert vom eher unbekannten Kannibalen Karl Denke bin, der als schlesischer Fritz Haarmann bekannt wurde, indem er seine Opfer nicht nur verspeiste, sondern wirklich alles verwertete und die Reste "für schlechte Zeiten" konservierte. Aber auch musikalisch wurde das Konzept von Eisblut hier klasse umgesetzt. Sehr brachialer Sound, nette Tempowechsel und Bonuspunkte gibt's ganz klar für die polkaartige Passage in der Mitte. Leider Endet "Schlachtwerk" nicht mit einem Knall sondern eher mit einem Furz. "Am Glockenseil" ist ein Cover vom gleichnamigen Eisregen Song, welcher wiederum auf Lucio Fulcis Film "Ein Zombie Hing Am Glockenseil" basiert. Wahrscheinlich hätte es "Remix" eher getroffen, da wir hier plötzlich mit Synthies konfrontiert werden. Es mag sicher Eisregen Songs geben, die zum remixen geeignet sind, "Am Glockenseil" passt aber eher weniger und schon gar nicht bei Eisblut, welche ja eher auf Tempo setzen und nicht unbedingt schon recht schnellen Songs auf diese Weise jede Kraft nehmen sollten. Den Abschluss bildet "Altersheim" - ein 4 Sekundensong. Grindcoreparodie? Keine Ahnung. Sicherlich kein wirklicher Mehrwert aber die gute Nachricht ist ja, dass auch hier wieder nur 4 Sekunden Spielzeit verschwendet werden.

Insgesamt gefällt mir "Schlachtwerk" aber sehr gut. Ein paar schlechte Momente sind dabei, aber die meiste Zeit klingt alles gut bis absolut genial. Wer Eisregen mag oder sich generell von deutschen Texten im Metal nicht abschrecken lässt sollte zumindest mal reinhören. In der Regel dürfte man es dann lieben oder hassen. Noch lieber hätte ich eine klarere musikalische oder auch thematische Ausrichtung gehabt. Soll heißen, dass ich es schön gefunden hätte, wenn man entweder mehr zum Death Metal gestanden und Songs wie "Über Dem Jenseits" draufgepackt oder munter herumexperimentiert und Sachen wie "Silbersarg" oder "Krankes Herz" abgeliefert hätte. So sind doch recht viele Songs ein merkwürdiger Kompromiss aus beidem. Und wirklich hilfreich um Eisblut als eigenständige Band abzuheben wäre es gewesen, wenn sich jedes Album um ein Thema gedreht hätte wie es ursprünglich wohl geplant war - z.B. Serienmörder auf dem einen Album und Splatter- / Exploitationfilme auf dem nächsten.
Apropos "nächsten": im Booklet ist bereits das nächste Album "Narbenwelt" angekündigt. Ich warte immernoch ungeduldig…

Punkte: 8 / 10


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