Dulce Liquido Shock Therapy (2003) - ein Review von DarkForrest

Dulce Liquido: Shock Therapy - Cover
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1 Review
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2 Ratings
7.50
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Dark Wave / Gothic: Industrial


DarkForrest
15.01.2022 07:36

Hocico-Mitglied Racso Agroyam hat im Jahr 2000 unter dem Projekt Dulce Liquido mit "Disolución" mal ein eigenständiges Werk außerhalb des Main-Projects veröffentlicht. Es sollte sich als ordentlicher Aggrotech herausstellen - etwas minimalistischer und dreckiger als Hocico mit seinem ganz eigenen Reiz, aber auch nicht komplett ohne Potential für Verbesserungen. Da bietet es sich doch direkt an, dass er es 2003 mit "Shock Therapy" noch ein zweites - diesmal aber auch letztes - Mal versucht hat.

Dieses Mal erwarten uns 11 Tracks (plus 1 Hidden-Track) und wie schon beim Vorgänger haben die jeweils eine ziemlich ordentliche Laufzeit. Die 5 Minuten werden hier selten unterschritten wodurch wir uns über eine Stunde lang an "Shock Therapy" erfreuen dürfen. Wie schon auf "Disolución" liegt der Fokus klar auf Instrumentals mit ein paar wenigen Ausnahmen, bei denen Agroyam uns doch mal seine Vocals hören lässt. So gesehen bleibt also alles beim Alten, trotzdem stellt sich beim Genuss von "Shock Therapy" ein leicht anderes Hörgefühl ein als bei "Disolución". Warum und inwieweit das so ist kriegt man erst so richtig heraus, wenn man es ein paar Mal gehört hat.

Das Album kommt diesmal ohne umständliche Intros aus und legt mit "Dementia" direkt los - und das sogar sehr wuchtig. Der Track ballert schon sehr gut und ist gerade noch so melodisch genug, dass man dazu gut abtanzen könnte. Allerdings ist der Sound hier für mich nicht ganz perfekt. Vielleicht liegt es auch an meinen Kopfhörern, aber gerade der Bass tritt mir hier etwas zu sehr in den Hintergrund. Mit "Pissed Off" haben dann direkt den ersten Song mit Vocals und wie schon letztes Mal ändert sich damit auch schlagartig die Musik, die gleich mal viel zugänglicher wird. Das hier könnte man ohne weiteres so im Club abspielen, ohne auf besonders viel Protest zu stoßen. Nicht falsch verstehen: wie haben es hier immer noch mit Aggrotech/Industrial zu tun und zwar auch mit ziemlich hartem. Trotzdem verliert Dulce Liquido hier wieder ein bisschen was von seiner Einzigartigkeit und die Tatsache, dass die Lyrics diesmal englisch und nicht spanisch sind trägt noch weiter dazu bei. Damit klingt "Pissed Off" für mich ungefähr wie ein Song von Suicide Commando oder Agonoize aus der Zeit von durchschnittlicher Qualität.

"Mental Torture" ist da schon wieder etwas schwerer verdauliche Kost. Eine grundlegende Melodie ist zwar noch da, aber insgesamt ist alles so minimalistisch gehalten, dass es schon schwierig wird, sich an irgendwas fest zu halten. Ich habe damit gar nicht mal unbedingt ein Problem, zumal ich es auch ganz gelungen finde wie die einzelnen Electro-Parts miteinander kombiniert wurden, aber knapp 6 Minuten sind mir dafür dann doch viel zu lang. Ja, wenn man genau hinhört, dann fallen im Song immer mal wieder sehr dezente Veränderungen auf, aber die rechtfertigen für mich die lange Spielzeit überhaupt nicht. Mit "Anticristianos" gibt es gleich den nächsten Song mit Vocals. Aus irgendeinem Grund klingen sie durch den übertriebenen Hall diesmal sehr verwaschen - aber hey: dafür auf spanisch! Alles in allem ganz solide Qualität, aber man merkt einfach, dass solche Songs nicht der Schwerpunkt von Dulce Liquido sind. Zur Auflockerung zwischen den ganzen Instrumentals sicher ganz nett, aber für sich gesehen nichts, wofür ich mir die CD kaufen würde.

Bei "Humid Dreams" sieht das ganze schon anders aus - was für ein kranker Beat! Dazu kommen einige sehr schöne abgefuckte Ambient-Effekte und ein insgesamt ziemlich schnelles Tempo. "Humid Dreams" ist nicht nur originell und brutal, sondern trifft auch meinen Geschmack voll und ist eins der Highlights auf "Shock Therapy". Auch "Infernus" kann sich hören lassen. Vom Konzept her geht das ganze in eine sehr ähnliche Richtung wie "Mental Torture", hat diesmal aber zum Glück genug Variation zu bieten, um mich die ganze 5 Minuten bei Laune zu halten.

"Spy Eye" beginnt mit einem markerschütternden Schrei, der komplett aus dem Nichts kommt. Jetzt stellt euch mal vor ihr hört das Album zum ersten Mal draußen im Dunkeln mit Kopfhörern in ordentlicher Lautstärke und rechnet nicht damit - jep, genauso ging's mir. Nachdem ich gerade so dem Herzinfarkt entkommen bin, konnte ich mir dann auch in Ruhe den eigentlichen Song anhören und der ist ziemlich genial, da er sich über die gesamte Laufzeit hinweg weiterentwickelt. Der Anfang ist überraschend clean und leise mit ein paar creepigen Synths im Hintergrund. Nach und nach wird er um immer verzerrtere Effekte ergänzt, bis schließlich ein paar sehr fette Beats hinzukommen und sogar ein paar Samples von Schreien verarbeitet werden, die eine schöne Brücke zum Anfang schlagen. Ziemlich krank - ziemlich geil.

"Incubos" ist nicht nur der längste, sondern auch wahrscheinlich der vielfältigste Song auf "Shock Therapy". Hier kommt fast alles zusammen, was bis jetzt musikalisch durch die instrumentalen Songs transportiert wurde. So gibt sich "Incubos" auch immer mal wieder unterschiedlich schnell, hart und melodisch aber fast immer tanzbar. Wenn ihr nur in das Album reinhören wollt, um ungefähr zu wissen wie es klingt, aber nicht wisst wo ihr anfangen sollt, würde ich genau diesen Song empfehlen. "Under The Silence" ist der letzte Song mit Vocals auf "Shock Therapy". Sie sind mir auch hier etwas zu stark verzerrt und mit Hall unterlegt, dafür kann diesmal die Musik im Hintergrund echt was und stellt die Vocals ziemlich in den Schatten. Wenn man den Gesang eher als Beiwerk betrachtet (was bei Dulce Liquido ja eh naheliegend ist) dann geht "Under The Silence" eigentlich ganz gut klar.

"Lamb's Creed" ist der letzte Song im eigentlichen Sinne und schließt den Kreis ganz gut zum Anfang. Es geht für mich in eine ähnliche Richtung wie "Dementia" nur nochmal etwas schneller, komplexer und aufwändiger im Aufbau, aber dadurch insgesamt auch etwas besser. "Lanif" ist dann nur noch ein kurzes Ambient-Outro, das mit seiner Laufzeit von 1.13 bei mir keinen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen kann. Damit endet der offizielle Teil von "Shock Therapy". Wenn man jetzt noch ein paar kurze Tracks kompletter Stille durchlaufen lässt, gelangt man irgendwann zu Track 20 - dem Hidden-Track. Dieser klingt ein bisschen wie eine Promo für "Pissed Off" und beinhaltet einen 1 ½ Minuten Zusammenschnitt von dem Song ohne Vocals. Das ist ganz nett - vielleicht sogar ein besseres Outro als "Lanif", ansonsten aber natürlich nichts besonderes.

Damit endet "Shock Therapy" dann gänzlich und hinterlässt bei mir einen eher gemischten Eindruck. Einerseits wurde das Tempo bei Dulce Liquido deutlich hochgefahren. So mancher Track ist hier ein echter Brecher. Gerade "Humid Dreams" hat mir ziemlich erfolgreich das Gehirn weggeblasen und "Spy Eye" zeigt, dass Abwechslung und Kreativität auch auf diesem Album noch eine Sache sein können. Gleichzeitig gibt es aber auch ein paar Songs, die ziemlich in's Leere laufen. Und im direkten Vergleich zu "Disolución" bleibt bei mir etwas weniger hängen. Klar, der Vorgänger war teilweise eine deutlich weniger Runde Sache und hatte mehr Ecken und Kanten. Dafür war jeder Song wirklich einzigartig und konnte sehr gut für sich alleine stehen. Das ist hier weniger so. Manche Songs klingen recht ähnlich und auch wenn ich mir fast jeden Song auf "Shock Therapy" rauspicken und mit ihm eine gute Zeit haben kann, stellt sich ziemlich schnell eine Übersättigung ein, wenn ich das Album am Stück hören will. Insgesamt ist es wirklich immer noch nett und in einigen Dingen sogar ein Fortschritt zu "Disolución", aber im direkten Vergleich schneidet bei mir der Vorgänger etwas besser ab.

Punkte: 6.5 / 10


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