Diapsiquir Virus STN (2005) - ein Review von Fire Down Under

Diapsiquir: Virus STN - Cover
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1 Review
2
2 Ratings
10.00
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Black Metal


Fire Down Under
07.04.2018 22:52

Einer der Gründe, warum ich Black Metal so sehr liebe ist, dass es eines der wenigen Genres ist, das wirklich extreme Musik hervorbringt.
Gemeint ist damit (zumindest nicht in erster Linie) natürlich nicht nur hyperschnelles Gehacke (was nur eine Form der Extreme darstellt, nämlich extreme Geschwindigkeit), sondern die Tatsache, dass die Protagonisten dieses Genres ihre Fühler in alle erdenklichen Richtungen ausstrecken und Grenzen jedweder Art suchen, ausloten, um sie schlussendlich einzureißen und zu überschreiten. Black Metal ist somit neben dem Progressive Rock wahrscheinlich der Substil der harten Stromgitarrenmusik, der die größte Vielseitigkeit und - eben - Extreme aufweist. Und das in jede Richtung, jegliche Stimmung, und jegliche Atmosphäre.
Der französische Gestörtenhaufen DIAPSIQUIR (mehr oder weniger ein Projekt von Toxik Harmst, ehemals bei ARKHON INFAUSTUS und ORAKLE) aus der Umgebung von Paris fabriziert jedenfalls sehr extreme Musik.

Bei der (zugegeben wohl eher überschaulicheren) Hörerschaft von DIAPSIQUIR gilt wohl eher das ebenfalls sehr starke Nachfolgewerk "A.N.T.I." (2011), das jedoch auch schon wieder anders klingt, als das Meisterwerk der Band, doch ich halte "Virus STN" (2005) für das Magnum Opus der Band, da es einfach noch nihilistischer, noch kränker und noch abstoßender aus den Boxen herausgekotzt klingt. Satan ist ein Leitthema in der Musik von DIAPSIQUIR, doch hier geht es nicht um Satan im biblischen Sinne oder ähnlich gelagertem Märchenkram - es geht um das reine, unfiltrierte Böse der realen Welt. "Virus STN" ist ein vertonter Alptraum, ein schonungsloses Abbild des Lebens in den Banlieues um Paris. Der Soundtrack von Gewalt, Verwahrlosung, Elend, Stumpfsinn, blankem Hass und Menschenverachtung. Es stinkt nach Müll, der sich in den Treppenhäusern der massiven Brutalismusbauten stapelt, deren Fassaden aus schmutzigem, verwittertem Sichtbeton mehr oder weniger nahtlos in das Grau des Himmels übergehen. Man erblickt verlassene, zugewucherte Fabrikgelände, in deren Schutz Drogendealer ihren Geschäften nachgehen. Urbane Brachflächen, sich selber und dem Verfall überlassen. Kriminalität, sinnlose Gewalt, Mord, Vergewaltigung. Alkoholismus, Drogenmissbrauch, eine verlorene Jugend... Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit, Angst, Depression und Machtlosigkeit...

Vertont wird dieses Gebräu menschlicher und gesellschaftlicher Abgründe in Form einer abartigen Mixtur aus Industrial Black Metal und zahlreichen Einflüssen diverser Genres - jedoch völlig anders als z.B. MYSTICUM oder die mittlere Phase von DHG, die eher wie Black Metal auf Steroiden (und im Falle Ersterer ganz klar auch noch diverser anderer Substanzen) klingen, was den "Industrial"-Part des Stils betrifft. DIAPSIQUIR vertonen den absoluten "crasse" (=Schmutz), völlig abstoßend und widerlich - der Drumcomputer tackert komplett emotionslos und entmenschlicht, den (eher seltenen) BM-Geballer-Passagen werden oft fiese Doom-Parts in den Weg gestellt, bevor alles wieder völlig aus dem Nichts in einer sinnlosen musikalischen Gewalteskapade zerstört wird, mal ist es totales noisiges Gehacke, manchmal erinnert es an Rap direkt von der Straße, sogar eine Gabber-Passage kommt vor - und: Samples, Samples, Samples! Das Intro ist eine Collage aus Klassiksamples und Sprechparts auf einem minimalistischen HipHop(!)-Beat, der irgendwann in einen Elektro-Beat übergeht - zwischendrin irgendwelche verzerrte Schreie; der totale Psychoterror. Manchmal keimt sogar für wenige Sekunden ein Funken Hoffnung auf, doch diese wird kurz darauf wieder bitterlich und unbarmherzig zerstört.
Einzelne Songs hervorzuheben macht bei dieser Scheibe keinen Sinn, da sie nur im Gesamtkontext zu erfassen ist - und ein detailliertes Durchanalysieren würde der Musik in keiner Weise gerecht werden. Eigentlich kann es zu diesem Album nur zwei Meinungen geben: entweder man wendet sich angewidert ab (was wohl die Standardreaktion ist), oder man ist - wie ich - fasziniert von den menschlichen Abgründen, die hier musikalisch folgerichtig auch abgründig vertont werden.

Punkte: 10 / 10


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