2016 tourte Gilmour mit seinem Soloalbum "Rattle That Lock". Für die Konzerte wurden keine riesigen Stadien ausgewählt, sondern „schöne Orte, die etwas zur Erhabenheit der Musik beitragen“ sollten. Der ungewöhnlichste Ort war sicher das Amphitheater von Pompeji, in dem zwei Konzerte vor je 3.000 Personen stattfanden. In mehrfacher Hinsicht auch der geschichtsträchtigste Ort, denn die Konzerte waren seit 79 nach Christus die ersten vor Publikum, und genau 45 Jahre zuvor wurde hier der Konzertfilm "Pink Floyd: Live At Pompeji" augenommen. Gilmour hatte für die Tour seine Band umgebildet. Deren Mitglieder sind beileibe keine Unbekannten und füllen ihre Rollen voll aus: Chester Kamen an der Gitarre, Guy Pratt am Bass, Chuck Leavell und Greg Phillinganes an den Keyboards, Steve DiStanislao am Schlagzeug sowie Joao Mello an den Blasinstrumenten. Und David Gilmour selbst? Ist mit 71 Jahren in Topform. Sicher und leidenschaftlich ist sein melodisches Spiel, die Gitarre singt, glitzert und röhrt. Stimmlich ist er zwar gealtert, doch die typischen Chrakteristika sind da, und die Töne sitzen.
Nach dem Opener "5 A.M." folgen mehrere Stücke seines Soloalbums wie "Rattle That Lock" und "Faces Of Stone", die live deutlich dazu gewinnen. Das Publikum ist hier mutmaßlich wegen des Rahmens noch dezent eingeschüchtert, die Stimmung leicht gespenstisch, doch sie löst sich mit dem unerwarteten, etwas anders arrangierten "The Great Gig In The Sky". Gilmour erweist mit "A Boat Lies Waiting" Rick Wright seine Referenz und seine Erwähnung der Geister der Vergangenheit hallt noch bis "Shine On You Crazy Diamond" nach, schließlich ist Syd Barrett vor zehn Jahren verstorben. Die Reise geht über Klassiker wie ein emotionales "Wish you Were Here", "One Of These Days" und ein krachendes "Sorrow" weiter, bis sie mit "Time" und einem hervorragenden "Comfortably Numb" endet.
Produktionstechnisch setzt das Set für ein modernes Live-Album Maßstäbe. Die Bühne ist breit, der Klang durchsichtig und knackig, ohne steril zu wirken. Die Instrumente gehen nicht unter, auch das live oft schwierige Schlagzeug wird gut eingefangen. Für das Publikum wurde eine schöne Balance gefunden, die die Atmosphäre verstärkt, aber nicht den musikalischen Genuss schmälert. Verteilt ist das Ganze auf vier LPs, deren plane Pressung der musikalischen Qualität keinesfalls nachsteht und die in gefütterten Innenhüllen und zwei Gatefold-Covern stecken. Zusammen mit einem 24-seitigen Booklet finden diese in einem hochwertigen Schuber Platz.
Punkte: 9.5 / 10