Archive Restriction (2015) - ein Review von noiseagain

Archive: Restriction - Cover
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1 Review
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3 Ratings
8.33
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Rock: Alternative Rock, Progressive Rock



14.02.2015 15:52

Tanzen, zucken, mitsingen, träumen, schwärmen und den Tränen nahe sein: ARCHIVE halt.

Da sind sie wieder, diese Archivare. Ist noch gar nicht so lange her, es war der Sommer 2014, als sie uns mit "Axiom" recht kniffeliges Lauschfutter vor die Ohren gehalten haben. Kniffelig insofern, weil man für den vollen Genuss von "Axiom" neben Ohren auch Augen brauchte, handelt es sich doch um die Musik zu einem finsteren Science-Fiction-Film.

"Restriction" ist nun wieder ein "richtiges" ARCHIVE-Album. Zwölf neue Songs gibt es zu hören, diesmal wieder in voller Lautstärke und Bandbreite des archivarischen Klangkosmos, bestehend aus zwei Tastenmännern, (bis zu) drei Gitarristen, einem Drummer und vier (!) Stimmen. Und gleich der erste Durchlauf schafft es, wieder das eine oder andere Fragezeichen aufzuwerfen. Denn die Band hat, so scheint es, schon wieder alle Elemente ihrer kreativen Chemie kräftig durchgeschüttelt, zum Explodieren gebracht, und nun wird geschaut, welche Eigenschaften die neuen Songpolymere aufweisen. Let’s go!

Mit 'Feel It' (gesungen von Dave Pen) geht es fetzig los, es wird von einem flotten ARCHIVE-typischen Cyborg-Beat (also organisches Schlagzeug mit elektronischer Percussion) getragen, zu dem in den Refrains geradezu der Punk abgeht. Schrammel-Gitarren, Noise-Sounds und natürlich mehrere Lagen an tiefenwirksamen Synthie-Sounds bestimmen den Sound. Das wird live ein Knaller. Vorfreude!

Der Titelsong (restriction = Beschränkung) macht dann seinem Namen alle Ehre. Es wirkt, als würde das Song-Gerüst wie ein Käfig für den Gesang (Pollard Berrier) sein, die Worte werden eher gesprochen als gesungen und alle dreimal wiederholt. Es gibt keine Strophen und keinen Refrain, dafür jede Menge Elektro-Sounds und eine moderate Öffnung gegen Ende hin. Seltsames Ding und (einziger) Skip-Kandidat der CD.

Die Entschädigung folgt sogleich. Meine geliebte Holly Martin ist dran und gleich zweimal hintereinander. 'Kid Corner' steht ganz in einer Reihe mit den Holly-Martin-Songs ('Hatchet' und 'Violently') auf "With Us Until You’re Dead", auf dem die jetzt brünette ex-Blondine ihren fulminanten Einstand gefeiert hat: Ein verschachtelter Elektro-Prog-Song mit noisigen Synth-Sounds wie Eispanzer, die Martin im Laufe des Song sukzessive durchbricht. Zum Dahinschmelzen ist dann das zärtliche 'End Of Our Days' - laut Hollys eigener Aussage ihr liebster Beitrag bislang zu ARCHIVE - bei dem jeder heimlich verliebte Fan träumen darf: "I’m for you" haucht sie sehensüchtig wie Fakten schaffend ins Mikro. Wenn eine Stimme sexy ist, dann diese!

Auch 'Third Quarter Storm' ist pure Schönheit und tiefste Trauer zugleich. Nur Dave Pen und ein verhalltes Piano, später verhaltene Begleitung, das ist - und war schon immer - das Setup ARCHIVE’scher Gänsehaut-Momente. Ja, man schafft es ja doch wieder, das gewaltige Sanges-Potential ALLER Vokalisten in Szene zu setzen. Dafür gebührt Respekt!
Und wenn ich von gekonnter Vokalakrobatik rede, darf natürlich die zweite Dame nicht fehlen: Maria Q! Auch sie hat wieder ein Prachtstück komponiert bekommen. Wieder verhallte Sounds, ein geisterhaftes Arrangement, ein roter Teppich für Melodien, die nur Maria singen kann. Wow, dieses Dreierpack halblauter Songs holt einen komplett in eine andere Welt. Zeit für Lärm also!

Und den gibt es wieder im nächsten Dreierpack, aus dem vor allem 'Ruination' live wieder für zuckende und tanzende Leiber sorgen wird. Bei 'Black & Blue' darf man noch einmal mit Holly träumen bevor - wir sind schon wieder fast am Ende - ein weiterer schäumender Höhepunkt angespielt wird: Der Sechsminüter 'Greater Goodbye’ kommt im ersten Teil neueren ANATHEMA-Songs fast bedrohlich nahe, auch wenn Dave Pen im Vergleich zu Vincent Cavanagh trauriger und verzweifelter klingt. Der Abschied in diesem hochintensiven, mantrisch aufgebauten Song wirkt zunächst bitter und bricht dem Protagonisten das Herz, erfährt jedoch eine vor allem für ARCHIVE untypische Wendung: Die Trennung wird zur Befreiung, einer Heilung. "La-la-la"-Gesang und freundliche Akkorde beschließen den Song. Und auch wenn 'Ladders' zum Abschluss noch einmal laut und bombastisch wird, 'Greater Goodbye' ist nicht mehr zu toppen und wäre das perfekte Finale gewesen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass ARCHIVE mit "Restriction" wieder voll in der Spur ist und einmal mehr ein faszinierendes Album aufgenommen hat, das man - wie immer - oft und konzentriert hören muss, bis es sich voll entfaltet. Interessanterweise stellt der Langzeit-Archivar - der eigentlich darauf eingestellt ist, sich bei jedem neuen Album geschmacklich neu zu orientieren - fest, dass "Restriction" fast sogar ein typisches ARCHIVE-Album geworden ist. Nach der Gewöhnungsphase erkennt er die unverkennbaren Trademarks wie mantrische Wiederholungen, die oben erwähnten elektro-organischen Percussions und die akkumulativen Steigerungen eindeutig wieder. Ebenso typisch wirkt mittlerweile der Zuschnitt der Songs auf die jeweiligen Sänger - Melancholie und Verzweiflung für Dave Pen, rockige Elektronika und Eklektisches für Pollard, Sperriges und Zärtliches für Holly und Nachdenklich-Gefühlvolles für Maria. Und an dieser Stelle könnte es sein, dass der eine oder andere Fan vielleicht ein wenig Kalkül hinter dem Schaffen vermuten wird. Und auch ich habe beim mehrfachen Hören den leisen Eindruck, dass die Band aus dieser Besetzung noch mehr rausholen könnte. Aber ganz im Ernst: bei einer Truppe, die in ihrer Karriere schon drei Zehner ("Londinium", "You All Look The Same To Me" und "Controlling Crowds") auf den Markt gebracht hat, darf man auch mal mit einem Neuner und zwei, drei "nur guten" Songs hochzufrieden sein. Tanzen, zucken, mitsingen, träumen, schwärmen und den Tränen nahe sein, das alles ist auf JEDEM ARCHIVE-Album möglich. So auch auf diesem. Fanboy? Na klar, was sonst? Live gibt es nämlich eh nix Besseres!

www.powermetal.de 13.01.2015

Punkte: 9 / 10


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