Die Platte beginnt mit einem superben Riff, das umgehend in einen eingängigen, aber leicht verspielten Midtempo-Thrasher übergeht. Phils einsetzende markante Stimme lässt sofort erkennen, um welche Band es sich handelt. Der Text behandelt zwischenmenschliche Beziehungen, die geprägt sind von den zwei Polen Liebe und Hass und so heißt der Song treffend „Love…Hate“. Neben dem etwas vertrackten aber sehr kreativen Drumbeat, besticht der Song vor allem durch einen wundervoll getragenen C-Teil und der kleinen Hook im Refrain.
Anschließend läutet ein Gitarrenfeedback den Titeltrack ein. Auch hier bewegt man sich im Midtempo-Bereich und stellt unter Beweis, dass Thrash nicht zwangsläufig hyperschnelles auf-die-Fresse-Geballer sein muss, um cool zu sein. Der Beat ist relativ straight und (vielleicht) dadurch wird der Song so eingängig. Wie der Titel vermuten lässt, behandelt der Song die Konsumgesellschaft der USA, den Kapitalismus und zweifelt die Demokratie an. Dabei ist es typisch für Phils Lyrics, dass er sich nicht in platter Phrasendrescherei ergeht, sondern sehr ernüchternd Missstände kritisiert. Der Song besticht vor allem mit seinem tollen Mitsingteil im Refrain, in dem es heißt „lady liberty rots away – no truth, no justice – the american way“. Genial!
Danach folgt das von Beat und Riff her an den ersten Song der Scheibe erinnernde „The Way It Is“, welches sich mit dem Musikbusiness auseinandersetzt. Im Text wird eine Person ganz offen angesprochen, die in Musik lediglich Geld und Ware sieht, dabei aber keinerlei Leidenschaft hegt, dies aber nach außen anders darstellt. Ein weiteres Mal bewegt man sich im mittleren Tempobereich und ein weiteres Mal tut man dies souverän.
Danach folgt ein Highlight des Albums: Das perfekt arrangierte „Crimes Against Humanity“. Der Song beginnt mit einem bassdrumlastigen, erneut im Midtempo-Bereich angesiedelten Schlagzeugintro, bevor Bass und Gesang einsteigen. Dass der Bass dabei lediglich einen Ton spielt ist simpel aber effektiv, während Phil hier die ersten Zeilen eines aussagekräftigen Textes, der sich mit Umweltverschmutzung befasst, durch die Kanäle jagt. Höhepunkte des über sechs Minuten langen Songs sind die großartige Hookline im Refrain, sowie das Solo im Mittelteil, welcher sich in den Uptempo-Bereich steigert und mich persönlich etwas an „…And Justice For All“ (die Platte genrell, nicht der Song) erinnert. Ein Song für die Ewigkeit.
Soweit zur A-Seite. Nachdem die Platte gewendet wurde, haut es einem das straight nach vorne peitschende „State Of Emergency“ um die Ohren. Der Song ist der Beweis, dass man diverse Songfragmente mit etwas Dynamik auch oft widerholen kann, ohne dass es langweilig wird. Textlich werden politische Gefangene, die der Apartheid zum Opfer fielen und die Vorherrschaft des weißen Mannes thematisiert und kritisiert. Auch dieser Song geht etwas über sechs Minuten und wartet mit einem Uptempo-Mittelteil auf.
Danach folgt mit dem balladesk beginnenden „Who’s To Blame“ ein weiteres Highlight. Aus einer ruhigen von Akustikgitarren getragenen Harmonie geht man über in eine bedrohliche Soundwand aus tiefen Toms und gedämpften Gitarren, ehe man in einen von Doublebassdrum und fetten Gitarren dominierten Refrain ausartet. Die Lyrics behandeln unter anderem die gerichtlichen Prozesse gegen Ozzy und Judas Priest, da deren Songs laut diversen Eltern Jugendliche mithilfe unterschwelliger Textzeilen zum Suizid drängen würden. Phil dreht den Spieß um und besingt die Schuld von zu hart fordernden Eltern und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die einem Teenager den Willen zu Leben nehmen. Sehr gelungene Umsetzung einer Achterbahnfahrt zwischen Halbballade und Uptempo-Thrasher.
„I Don’t Know“ ist dann eine kurze und fast durchgängige Uptempo-Abrissbirne, die ein weiteres Mal durch clever akzentuierte Doublebassdrum-Salven und einen gemäßigten C-Teil besticht. Der Text beschreibt, dass man sich von anderen Menschen nicht vorschreiben lassen sollte, wie man zu sein habe, sich nicht in Schubladen oder Etikettierungen stecken lassen und stattdessen lieber selbstsicher als eigene Person auftreten sollte.
Der letzte Song des Albums überrascht dann mit funkigen Klängen und einer Bläser-Section. Ein Blick ins Textblatt macht die Gründe dafür transparent. Der Song appelliert an Metalheads, die Intoleranz gegenüber anderer Musikrichtungen abzubauen und zu hören, was einem gefällt. Phil erwähnt, dass neben Metallica und Black Sabbath auch Bands wie NWA oder Prince zu seinen Favoriten zählen. Neben der mutigen lyrischen Message beweisen Sacred Reich nicht nur, dass Humor und Metal sich nicht zwangsläufig gegenseitig ausschließen, sondern auch, dass sie auf anderem musikalischen Terrain eine gute Figur machen.
Wie lässt sich das alles unterm Strich also zusammenfassen? In erster Linie liegt mit diesem Tonträger tatsächlich ein Beweis vor, dass eine Thrash-Platte, die überwiegend im Midtempo-Bereich verankert ist genauso killen kann, wie ein voll-auf-die-Fresse-Album der Marke Sadus. Die Scheibe ist durch und durch innovativ und präsentiert Sacred Reich viel eigenständiger als noch zu „Ignorance“-Zeiten (ein ebenfalls beachtliches Album), als die Jungs in erster Linie als Slayer-Kopisten gehandelt wurden. Dennoch gibt es eben auch hier weiterhin gewisse Trademarks, die Sacred Reich so einzigartig machen. Allen voran sei Phils Gesang zu nennen, aber ebenso die Gitarrenarbeit von Wiley Arnett, dessen unverkennbarer Stil auf allen Alben besonders in den Soli prägnant ist. Daneben muss auch Drummer Greg Hall erwähnt werden, der auf dieser Platte ein weiteres Mal (und vorübergehend zum letzten Mal) zeigt, wie versiert, virtuos und kreativ er an seinem Instrument agiert. Nicht umsonst wurde er eine Zeitlang als Dave Lombardo-Nachfolger bei Slayer gehandelt. Und mit den durchgehend cleveren sozialkritischen Lyrics Phil Rinds zementieren Sacred Reich ihren Ruf als „Thinking-men“ des Thrash Metal. Zur Ergänzung sei hierzu das Promo-Tape „Uncensored Material“ erwähnt, auf dem Phil zu den Songs bzw. den Texten des Albums Erklärungen, Erläuterungen und Beweggründe abgibt.
Alles in allem ist dies mein persönlicher Favorit in einer Diskografie, die durch ihren Abwechslungsreichtum besonders positiv auffällt. Im direkten Vergleich stellt man fest, dass Sacred Reich nie stagnierten und sich stetig weiterentwickelt haben, dabei aber immer Alben in höchster Qualität abliefern konnten. Mit „The American Way“ haben sie aber definitiv ihr Meisterstück abgeliefert. Dieses Album wird ums Verrecken nicht langweilig.
Punkte: 10 / 10