Kann man in so kurzer Zeit, inklusive Tour und diversen Nebenbeschäftigungen denen Kontra nachgeht (Boxtrainer, Moderation bei Sport1, Geschäftsführer einer Fassadenklettererfirma, Chef des neu gegründeten Labels "Tag1er" und vor allem frisch gebackener Vater), ein gutes Album schreiben?
Nun, ja und nein. Zunächst hat es garnicht gezündet, aber nach einigen Hördurchgängen ist es doch gewachsen. Kontra bleibt sich seiner Entwicklung treu, er entfernt sich weiter vom harten Straßenrap alter Tage, nähert sich noch weiter dem Mainstream an, aber ohne sich diesem anzubiedern. Die Texte sind immer noch hart und roh, aber auch tiefgründig und ehrlich. Er hat immernoch seine eigene Mischung, weder nah am Battle/Straßenrap, noch zu Nahe am Coming-of-Age Rap wie etwa Prinz Pi.
Was direkt auffällt ist, dass es nochmal mehr Gesang gibt als bisher, aber ohne Kitsch und so gut umgesetzt, dass man es problemlos noch als Rap durchgehen lassen kann.
Beim ersten Hördurchgang kam mir das Album etwas eintönig vor, doch wenn man sich näher damit befasst birgt es doch mehr Abwechslung als zunächst erkannt. Da gibt es das düstere "Motten", eine Kampfansage an alle Neider die ihm Ausverkauf vorwerfen, die elektronische Motivationshymne "Oder nicht" oder die Afrotrap-Hymne "Hunger" (Palmen aus Plastik lässt grüßen). Für die Fans der ersten Stunde gibt es die harten Streetrap-Tracks "Setz dich" mit Gzuz und AK Ausserkontrolle für die Extraportion Streetcredibility und das an früheste Tage erinnernde "Respekt" mit seinem treuen Weggefährten Fatal.
Fans jüngerer Stunde bekommen mit "Egal was kommt" zusammen mit Bausa, dem BoomBap-Brecher "Ellenbogen raus" mit SSIO und dem Chartstürmer "Fame" mit RAF Camora was sie erwarten. Letztgenanntes dürfte speziell Fans von French Montana überraschen ("Famous").
Auf der anderen Seite gibt es auch wieder sehr deepe Tracks, "Himmel", "Ich hab dich" oder mein Favorit "Ohne dich" seien hier genannt.
Insgesamt gefällt mir das Album inzwischen ganz gut, dennoch kann es nicht mit alten Werken mithalten. Die harten Tracks wirken nicht hungrig und aggressiv genug, die deepen Tracks gehen nicht so unter die Haut wie damals. Wer von "Gute Nacht" begeistert war, der wird mit "Erde & Knochen" aber definitiv auch seine helle Freude haben.
Kontra K sollte sich meiner Meinung nach lieber wieder etwas mehr Zeit für das nächste Album lassen, vielleicht auch ein zwei Tracks weniger aufnehmen, diese dafür dann aber besser durchdacht und mit mehr Emotionen, in welche Richtung auch immer, versehen.
Punkte: 7 / 10