Morrison hatte schon immer ein Faible für Jazz gehabt – obwohl man ihn zuerst als Folksänger, dann als Bluessänger einordnete – und auf „Astral Week“ ließ er die Neigung freien Lauf, da er hier die perfekte Ergänzung für seine komplexen Texte fand. Die LP wurde in zwei Tagen eingespielt, wobei Morrison den Musikern nur minimale Hinweise gab und sich wenig über die Texte und ihre Bedeutung äußerte. Stattdessen sang er Scat zu den größtenteils improvisierten Instrumentalstücken der Band.
Nie waren Morrisons Texte schräger und poetischer gewesen. „Madame George“ ist ein sensibles Phantasiestück aus dem heimatlichen Belfast über einen gealterten Drag-Künstler, ausgemalt in den verschmierten Pastelltönen eines halbvergessenen Traums. Dagegen ist „Sweet Thing“ ein elektrisierendes Liebeslied – schon beim ersten Akkord läuft einen ein Schauer den Rücken hinunter.
Eins muss man den künstlerfreundlichen Warner Brothers zugestehen: sie erkannten, dass Morrison besser für Alben als für schnelle Hits geeignet war und nahmen das schwache Echo der LP in Kauf. Damals und später erkannten viele Kritiker das Genie in Morrisons erstaunlichem Solo-Werk, und „Astral Week“ erscheint seitdem bei Umfragen nach den besten Alben regelmäßig auf den ersten Plätzen.
Punkte: 7 / 10