Coroner Mental Vortex (1991) - ein Review von quellecair

Coroner: Mental Vortex - Cover
2
2 Reviews
34
34 Ratings
9.12
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Thrash Metal


quellecair
28.04.2015 12:44

Die kleine, unscheinbare und im globalen Weltgeschehen kaum wahrnehmbare Schweiz - das Land der schönen Berge und Täler, der beliebten Milchschokolade, dem typisch grosslöcherigen Käse, den praktischen Taschenmessern und den präzisen Uhren. Und ja, der grossartigen Musik! Oder hat jemand die legendären Krokus vergessen? Oder Gotthard? Und während man mit Eluveitie bereits die nächste grosse CH-Band des extremen Musikbereichs weltweit feiert, hat zuerst noch eine andere Band, die man nur allzu oft übersieht und vergisst, eine Erwähnung verdient: Coroner. Seinerzeit noch als Roadies bei Celtic Frost engagiert, entschieden sich Tommy T. Baron (Tommy Vetterli) und Marquis Marky (Marky Edelmann) zusammen mit Ron Royce (Ron Broder) zur Gründung einer eigenen Band.

Während Celtic Frost mit ihrem düsteren, schweren und experimentellen Sound schliesslich sowohl den Black als auch den Death Metal nachhaltig mitprägten, steuerten Coroner in eine eindeutig technischere Richtung. Denn während die meisten Thrash Metal Bands Anno 87 sich zunehmend mit Geschwindigkeit und Härte um die Wette zu spielen schienen, lancierten die drei Zürcher mit "R.I.P." ein Debut auf den Markt, welches viele Kritiker mit offenem Mund zurückliess: rauh, schnell und technisch präzise wie ein Schweizer Uhrwerk vermischten Coroner klassische Musik und zuweilen sogar Jazzelemente in kompromisslosen Thrash Metal - Volltreffer! Und in den Nachfolgewerken "Punishment for Decadence" und "No More Color" steigerte man sich zunehmend, wurde noch komplexer und versierter und entwickelte sich so zu einem heissen Eisen im Untergrund und zu einer regelrechten Kultband.

Album Nummer 4 "Mental Vortex" aus dem Jahr 1991 wird von vielen Kritikern und Fans als das Referenzwerk (oftmals zusammen mit "No More Color") der Band angesehen. Tatsächlich fliesst in diesem Werk alles zusammen, was Coroner auf den bisherigen Alben auszeichnete. Der auffallendste Unterschied zu den bisherigen Alben ist die deutlich klarere und sauberere Produktion. Zudem wagen es die Schweizer hier nach drei kompromisslos schnell gezockten Alben das Tempo zu reduzieren und mit deutlich mehr Mid-Temponummern einem technisch makellosen und groovigen Sound ihren Stempel aufzudrücken. So klingen "Son of Lilith", "Semtex Revolution", "Sirens" oder das jazzige "Pale Sister" zwar etwas gedrosselt (zumindest was das Tempo anbelangt), dafür aber total heavy, kompromisslos und wuchtig an Riffs und groovig ohne Ende. "Metamorphosis" setzt dann all dem die Krone auf - besser könnte man Technical Thrash Metal nicht umschreiben. Doch auch die schnelleren Nummern "Devine Step" und "About Life" überzeugen restlos, zeichnen sich aber zusätzlich durch ihre Komplexität und durch ein ausgefeilteres Songwriting, welches hier einen vorläufigen Höhepunkt der Bandgeschichte erreicht, aus. Und als wäre dies noch nicht genug, so wird dieses Glanzalbum mit dem Beatles-Cover "I want You (She's so heavy)" abgerundet. Und ja, es klingt zwar total nach Coroner, ist aber in seinem Kern und Charme ganz klar erkennbar - schlichtweg top!

Ja, man glaubt es kaum, aber Qualität solchen Kalibers blieb Jahre, ja gar Jahrzehnte verkannt. Drei hochtalentierte Musiker, die einfach um ihre Anerkennung gebracht wurden, auch wenn sie von Insidern oder heute als stilbildend geltende Bands wie Death als Inspiration und mitunter als musikalischer Einfluss genannt wurden. Und auch wenn nach mangelnder Promotion, wenn nicht gar Ausbeutung von Seiten des Labels, die Band 1996 einen Strich unter die Rechnung machte und sich auflöste, entschied man sich 2010 zu einer Re-Union, nachdem Fans aus aller Welt die drei Herren unaufhörlich darum baten.

Um es auf den Punkt zu bringen: Wer nur annähernd etwas für Thrash Metal übrig hat, der sollte Coroner unbedingt eine Chance geben. Und wer technisch hochstehenden Thrash Metal mag, der kommt an dieser Band schlichtweg nicht vorbei. Für mich jedenfalls musikalisch das Grossartigste, was die Schweiz an metallischen Klängen je hervorgebracht hat - ja, isch so imfall.

Ach, und um noch eine augenzwinkernde Fussnote hinzuzufügen: Die letzten drei Alben (ebenfalls ab 2010) der heute erfolgreichsten Metalband der Schweiz Eluveitie wurden von niemand geringerem als von einem gewissen Tommy Vetterli produziert...


Original Review: http://quellecair.blogspot.ch/2015/04/filigrane-schweizer-technik.html

Punkte: 10 / 10


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