Carlo Maria Giulini / Wiener Philharmoniker (1988)
Bruckners 9. Sinfonie ist ein Werk, das mich schon vom ersten Moment in den Bann gezogen und nicht mehr losgelassen hat, und gehört mit ihrem lebensumfassenden Schwanken zwischen Genese und Untergang, Glaube und Verzweiflung mit Sicherheit zum Großartigsten, was ich an Symphonischem überhaupt kenne. Wie das Finale der dieses unvollendet gebliebenen Werks aus der Hand des Komponisten ausgesehen hätte, wagt man sich kaum vorzustellen. Zwar habe ich schon die eine oder andere der existierenden Rekonstruktionen des letzten Satzes gehört, aber keine wusste mich wirklich zu begeistern.
Bruckners finales Opus war für mich als Klassik-Frischling also das Werk der Wahl, um mich ein wenig in die Feinheiten und Unterschiede der Interpretation einzuarbeiten, auf die es im Klassik-Bereich ganz wesentlich ankommt. Ich habe mir also ein paar verschiedene Einspielungen besorgt, und wie ich bald fand, erschließen sich besagte Unterschiede oft auch dem blutigen Laien unmittelbar.
So wusste ich seit dem ersten Hören unvermittelt, daß ich mit Giulinis 1988er Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern die wohl optimale Einspielungvon Bruckners Meisterwerk in den Händen hielt - ich wüsste hier nicht auch nur das geringste Detail zu verbessern.
Ganz wesentlich lebt diese Einspielung von der unvergleichlichen Eleganz, mit der die Sinfonie vorgetragen wird. Dabei wählt Giulini ausnehmend langsame Tempi (ich besitze Aufnahmen, die über 10 Minuten (!) kürzer sind), weiß die Spannungsbögen aber jederzeit meisterhaft zu entwickeln und zu halten, wo mancher seiner Kollegen unbedacht von vermeintlichem Höhepunkt zu Höhepunkt eilt. Keiner der mir bekannten Dirigenten kann Giulini hier über die ganze Strecke das Wasser reichen.
Dabei unterstützt wird er von den furios aufspielenden Wiener Philharmonikern, die ihrem Maestro hörbar über die gesamte Spielzeit aus der Hand fressen. Daß das ganze technisch 100%ig umgesetzt ist, versteht sich bei dem Namen natürlich von selbst. Dazu kommt noch der ausnehmend schöne Orchesterklang des VPO - insbesondere die Streicher und die herausragend abgestimmte Bläsersektion suchen (vergeblich!) ihresgleichen.
Noch unglaublicher wird das schwindelerregende Qualitäts-Level in allen Bereichen vor dem Hintergrund, daß es sich hier nicht um eine Studio-Aufnahme in einer Kombination der besten Takes handelt, sondern um einen live aufgenommenen Konzertmitschnitt aus dem Wiener Musikverein.
Und wem das hier alles spanisch oder chinesisch vorkommt, dem sei geraten, sich die Aufnahme einfach selbst anzuhören - sie wird ihre Magie mit Sicherheit zu verbreiten wissen, wie es bei mir auch der Fall war. Worte wurden wahrscheinlich ohnehin nicht gemacht, um diese Einspielung zu beschreiben. Man muß sie selbst erfahren haben - mit Sicherheit mit der beste Einkauf, den ich seit langem getätigt habe.
Oder um einen Amazon-Rezensenten zu zitieren: "The finest recording of anything ever made!"
Weit weg von der Wahrheit ist das nicht.
Für alles andere als die Höchstnote würde ich angesichts dieser Leistung vor Scham im Boden versinken, von daher: 10 Punkte.
http://www.musik-sammler.de/media/77250
Punkte: 10 / 10