Swans To Be Kind (2014) - ein Review von Janeck

Swans: To Be Kind - Cover
1
1 Review
8
8 Ratings
8.12
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Rock: Post Rock, Psychedelic Rock


Janeck
18.05.2014 17:36

Gestern habe ich die Vorhölle durchschritten.
Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal so aus meinem Körper gerissen wurde, schwerelos durch Schwefel- und Pestgestank getrieben bin und mich häufiger als nie zuvor der Angst gegenüber sah.
"To Be Kind" ist nicht nur Musik, nicht einfach ein weiteres berauschendes und brutales Stück Seelenmord von den Swans - "To Be Kind" ist für mich nahezu ein völlig neues Hörerlebnis, ein vernichtender und auslöschender Anschlag auf meine Menschlichkeit.
Michael Gira hat hier 121 Minuten lang die pure Hölle vertont. Der Mann ist mittlerweile 60 Jahre und offenbart der Menschheit seit über 30 Jahren die vielleicht verstörendste, abgrundtiefste, schmerzerzeugendste, gewaltigste und von Ängsten zerfressene Musik, die jemals erschaffen wurde.
Auch wenn ich bei dem Vorgängerwerk "The Seer" noch nicht komplett durchgedrungen bin, hat mich gestern "To Be Kind" bei meinem ersten Erlebnis so sehr entsetzt zurückgelassen, dass ich jetzt schon behaupten kann, dass dieses Album direkt in meine Liste der 10 besten Musikabenteuer mit boshafter und versklavender Gewalt eingedrungen ist.
Das geschah bei mir zuletzt mit solchen terrestrischen Weltneuformern wie "Ænima", "Within the Realm of a Dying Sun", "White Chalk", "Haus der Lüge", "Through Silver In Blood", "The Work Which Transforms God" oder vielleicht noch "Om" und "Monotheist".

Schon die Begrüßung am Höllentor 'Screen Shot' mit der blechernen kalten Snare, dem zappelnden und nach einem greifenden Gitarren- und Bassnervensträngenwirrwarr und dann der rituelle Auftritt von Gira:
"No pain, no death, no fear, no hate
No time, no now, no suffering
No touch, no loss, no hand, no sense
No wound, no waste, no lust, no fear
No mind, no greed, no suffering
No thought, no hurt, no hands to reach
No knife, no words, no lie, no cure
No need, no hate, no will, no speech
No dream, no sleep, no suffering
No pain, no now, no time, no hear
No knife, no mind, no hand, no fear"
Was man da alles durchlebt, ein Wechselbad der Urängste ist das. Und dann ufert die Lautstärke und die erdrückende psychische Gewalt in eine unermessliche Lautstärke aus, dass man danach sein pochendes Herz sogar in den Haarspitzen fühlt.

Dann wieder beunruhigende Stille in 'Just A Little Boy (For Chester Burnett)', bis man plötzlich glaubt, dass Hitler persönlich zu einem spricht. Da regiert der blanke und unaushaltbare Wahnsinn in Giras Stimme. Gelächter, verwinkelte und sprengende Eruptionen an den Instrumenten, echoschneidende Gitarrenfragmente, donnerndes Schlagzeuggranit, pulsierende und dröhnende Lautstärke - Momente der erstarrenden Finsternis.

Und dann, und dann das bösartige "A Little God In My Hands" mit diesen mächtigen tobenden Noise-Fanfaren. Der Schamane Gira zeigt auch hier wieder seine hässliche Fratze als Anführer der Apokalypse. 7 Minuten Welteinsturz, 7 Minuten Menschenverachtung, 7 Minuten Chaos im Universum.
"Eye full of sun, hand full of mud
Oh universe: you stink of love!
Forever lazy, forever crazy
Forever holy, forever hungry
Forever hateful, forever beautiful
Forever needing, forever reaching
Forever stinking, forever breathing
Forever growing, forever leaving"

Aber das war alles bisher nur ein Akt der "Begrüßung", die manisch lächelnde Eintrittskarte in die Speisekammer der Brutstätte aus dem Dunkelreich.
Was Gira mit 'Bring The Sun/Toussaint L'Ouverture ', dem schier unerklärlichen Ausbruch aus allem menschlichen, vertont hat, ist mir in meiner Laufbahn als Musiknarr noch nie untergekommen.
Eine 34 Minuten andauernde Reise in den Zellkern der Schwärze. Das Universum ist zu klein, um zu erklären, zu was Menschen imstande sind zu erschaffen. Gira hat hier eine Kernexplosionen in meinem Geist gezündet und meinen Körper auseinandergenommen, meine Seele für immer verstrahlt, meinen Geisteszustand ausradiert und für immer mit einem Bannfluch verhext.
Es klingt vielleicht übertrieben und nicht von Sinnen, aber dieses kosmische Gewitter sind die großartigsten 34 Minuten Ton, Musik, Gesang, Text, Gefühl und Untergang meiner selbst, die ich erlebt habe. Nichts, wirklich NICHTS hat mich vorher so mitgenommen und eigentlich auch komplett zerlegt, wie dieser Ritt auf einem Todespferd mit lachender Fratze in den Kern der vernichtenden Sonne. Ich lege mich hiermit fest, dieser Song ist schon gar keine Musik mehr, das ist ein leibhaftiges Ritual, wie ich es mir nie vorzustellen vermochte.
Wenn Michael Gira unendlich lange (man möchte einfach nicht, dass es aufhört!) die Formel "Bring the sun, bring the sun, bring the sun, bring the sun, bring the sun, bring the sun, bring the sun, bring the sun, bring the sun, bring the sun..." beschwört, eingeleitet durch geisterhafte Anbetungen, nuschelnde Wortreihen und Aufrufungen, öffnet sich das Dach der Nacht.
"Bring the suuuuuun, bring the Suuuuuuuuun, BRING THE SUUUUUUUUUUN!". Immer wieder, immer intensiver, immer tosender, immer mitreißender. Die Musik folgt Gira auf Schritt und Tritt, astrale Chöre lassen die Welt in sich einstürzen, das Herz rast, die Nerven sind längst kümmerlich verendet, die Pupillen starr und geweitet, alle Körperteile verkrampft, das Leben steigt ganz langsam aus der menschlichen Hülle - alles verschwunden, keine Existenzen mehr, völlige Leere.
Stille, vereinzelnde Resttöne, leicht orientalisches Flair, Pferdegetrampel, Unbehagen, Gewalt, Lautstärke, Auslöschung, Trillerpfeife, Kopfexplosion - es ist soweit:
"Toussaint L'overture!
Toussaint L'overture!
Toussaint L'overture
Liberté!
Egalité!
Fraternité!
Sangre de Dios!
Hijo de Dios!
Amor de Dios!
Sangre es Vida!
Vida es Sangre!
Sangre es Amor!
Amor es Sangre!
Toussaint!
Toussaint!"
Diese Worte betont Gira so gnadenlos bedrohlich, dass man wahrlich den Leibhaftigen über das Trümmerfeld wandeln sieht. Nie habe ich so etwas zuvor durchlebt.
Es ist schier unmöglich das Werk in Worte zu fassen, denn alle Songs sind von unfassbarer Brillanz. Die 121 Minuten vergehen dabei auch wie im Flug, sogar von eine Nummer wie 'Oxygen' wird man im Stolpertakt überrannt.
Ich bin immer noch benommen und ratlos. Michael Gira, der Scharfrichter auf Mescalin. Album des Jahrhunderts!
Fuck, fuck, Halleluja, hallelujah. Fuck, fuck, fuck, Halleluja, hallelujah, hallelujah!

Punkte: 10 / 10


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