Deep Purple Stormbringer (1974) - ein Review von Lord

Deep Purple: Stormbringer - Cover
2
2 Reviews
48
48 Ratings
7.76
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Doom Metal, Hardrock


Lord
21.02.2011 11:44

„Stormbringer“ erschien im selben Jahr wie „Burn“, nämlich 1974, jedoch im Dezember. Das zweite Album mit dem Gespann Coverdale/Hughes...
„Stormbringer“ – noch heute wohl die umstrittenste Scheibe von Deep Purple vor der 1984er Reunion. Manche lieben sie, viele hassen sie. Selbst beim Man in Black fällt "Stormbringer" bis auf wenige Songs durch.

Man muss das Album als das ansehen was es ist; ein Funk/Soul/Rockalbum, nicht mehr und nicht weniger – irritierend dabei ist, dass auf dem Cover der Name „DEEP PURPLE“ aufblitzt und dass eben genau auch diese Band agiert. Irritierend deswegen, weil die Platte rein gar nichts mehr mit dem zu tun hat, was Deep Purple unsterblich gemacht hat; der gnadenlose Heavy Rock auf „In Rock“. Selbst zu „Burn“ liegen Welten. Aber nimmt man "Stormbringer" eben nur als Musikvehikel und assoziiert es nicht mit dem Namen „Deep Purple“ – was zugegeben schwer fällt – hat man eine starke Rock/Soul-Scheibe vor sich liegen, die zwar hie und da Schwächen aufweist, jedoch ordentlich eingespielt ist.

Der Entstehungsprozess war in Sachen Songwriting leicht. Nach der erfolgreichen Tour zu „Burn“ und der Jungzellenkur der Band durch die Jünglinge Hughes und Coverdale, konnte die Band nochmals Motivation und Kraft mobilisieren – so entstand genug Material für ein Doppelalbum. Eine kurze Zeit lang hiess es sogar, dass jedes Bandmitglied eine Plattenseite für sich kriegt, um seine musikalischen Ideen umzusetzen. Dies würde jedoch ein Triplealbum erfordern und diese Idee war dann selbst den Egos der Herren Coverdale, Hughes – mittlerweile schon sehr gut dabei in Sachen Kokain – und Blackmore unangenehm. So entstand ein einfaches Album, von dem man heute nicht denken würde, dass dermassen viel Material geschrieben wurde, dass es beinahe ein Doppelalbum geworden wäre.

Das Problem von "Stormbringer" ist also offensichtlich: Was „In Rock“ so stark gemacht hat, ist die Einheit, der rote Faden, der das Album als ein zuzuordnendes Werk erkennbar erscheinen liess. Nun sind jedoch mit Hughes und Coverdale zwei Mitmusiker am Werk, die erstens noch unverbraucht sind und deswegen mit ihrer Energie die anderen Musiker - die Urheber von Deep Purple, die schon seit 6 Jahren im endlos Tourneestress verweilen und am Ende ihrer Kräfte sind - schier zu überrennen vermochten, und zweitens durch den Alterunterschied eine ganz andere Präferenz in der Musik haben als Ritchie Blackmore. Dass es zu Reibereien kommen würde, liegt auf der Hand.
Dazu kommt Blackmores Vorschlag, dass man wegen der Tantiemen, die nun mal gutes Geld einbringen, die Credits modifizieren soll, so dass nur derjenige in Erscheinung tritt, der das Stück geschrieben hat. Eigentlich ein ok Vorschlag – nur sind die Egos der Herren dermassen aufgebläht, dass sich nun keiner mehr in seine Komposition reinschwatzen lässt, damit ja nichts geteilt werden muss, damit weitgehendst so wenige Namen wie möglich bei den Credits erscheinen. Das führt zu einer Ansammlung von Songs, die mit einem gemeinsamen Werk einer Band nicht mehr viel zu tun haben. Es sind zwar weitgehendst gute Songs, doch es ist definitiv nicht Deep Purple.
Blackmore sieht sich nun auf einmal in der für ihn bis dato unbekannten Lage, dass seine Ideen und Songvorschläge abgewiesen werden – welch Majestätsbeleidigung – das sollte Folgen haben. Er wollte den Song „Black sheep of the family“ gerne covern, doch die Jünglinge waren wegen ihrer Gier nach Tantiemen natürlich dagegen. Blackmore wurde zusehends unzufriedener mit seiner Rolle – jawohl, Rolle! Früher war er der Chef – in der Band. Logisch, dass er sich das nicht lange bieten lassen wird, doch dazu gegen Ende des Reviews.

Gestartet wird jedoch gekonnt und wunderbar mit dem groovenden, wie Lava gezogenen Klassewerk „Stormbringer“! Zwar kein „Burn“, aber nahe dran – wunderbare Gitarrenparts, wunderbares Blackmore-Riff – wunderbare Gesänge im Refrain, melancholisch anmutende Atmosphäre der Suche, des Verlustes und des Schmerzes. Und dennoch überragend schön und kraftvoll!
So stark wie das Album beginnt wird es auch enden; die Ballade „Soldier of fortune“ ist die schönste Deep Purple Ballade aller Zeiten. Zwar hätte ein solcher Song – wie 1972 „When a blind man cries“ – noch vor ein paar Jahren bestimmt kein Platz auf dem Album gefunden, zum Glück jedoch wurde dieses Blackmore/Coverdale Meisterwerk der Sehnsucht, der Angst, der puren Melancholie, einer Verzweiflung und Suche und Schönheit für die Ewigkeit und passend als Closer dieses umstrittenen Albums, das heute noch verloren zwischen so vielen Deep Purple Klassikern seinen Platz sucht, auf Platte gepresst! Man konnte jedoch nach dem Ausklang der Scheibe ahnen, dass diese Schwermütigkeit eine Art Prophezeiung sein wird.

Doch auch die Songs dazwischen wissen zu überzeugen. Da wäre „The Gypsy“ mit einem wundervollen Blackmore-Slidesolo, dass wieder diese Schwermütigkeit in sich trägt. Gerüchten zufolge soll er es zwar nur so nebenbei mit einem Schraubenzieher eingezockt haben – das auf „In Rock“ oft kritisierte nicht eingebrachte Gefühl zugunsten von Tempo und Technik, kann ihm hier jedoch keiner Vorwerfen. Nur eben; was hat „The Gypsy“ mit Deep Purple zu tun??
Dieselbe Frage kann man sich bei „Hold on“, „Holy man“, Love don’t mean a thing“ und „You can’t do it right“ stellen; allesamt gute bis gar starke Songs, nur eben da verankert, wo Deep purple bislang nichts zu suchen hatten – im Philadelphia Soul!
Das Problem: Wird sich ein Soulfan das Album anhören, wird er bereits am Opener „Stormbringer“ scheitern weil es zu rockig ist. Und Deep Purple Fans wollen nun mal keinen Philly-Soul hören sondern damn ROCK!! Diese Stevie Wonder-Ausflüge sind zwar interessant und gelungen, doch mit dem brachialen Rock den Purple-Fans hören wollten zu jener Zeit, hat es nun mal nichts die Bohne zu tun.
Dann bleiben noch „Lady double dealer“ und „Highball shooter“ (das die Atmosphäre des 1973er Releases „Who do we think we are“ gut einzufangen vermag); eigentlich das was man von der Band erwartet und hören will. Zwei Rocker, zwei Songs, die auf Tempo aufgebaut sind und somit eigentlich Nummer-sicher gefallen müssten. Tun sie auch. Nur ist hier das Problem, dass die Sache recht aufgesetzt wirkt. Wie eine Parodie auf das Mk II Line-Up, das solche Songs verkörpert hatte und Ian Gillan wusste wie man sowas zu singen hat. Der gute David Coverdale scheint mit dieser Aufgabe leicht überfordert. Aber sind wir mal gnädig; beide Songs sind gelungen und eben wenigstens Deep Purple!

Das ist also „Stormbringer“... Wie soll man das nun benoten? Nach Deep Purple-Grad oder nach persönlichem Geschmack ohne Namens-Assoziation? Ich wähle letzteres und so kommt die doch recht hohe Note zustande! Meiner Meinung nach spielt Ritchie Blackmore auf diesem Album zwar wenig, doch wenn, dann mit einem Feeling das aussagekräftiger nicht sein könnte. Ich liebe seine Soli auf diesem Album. Von Jon Lord ist zwar wenig zu hören, aber das war schon auf „Burn“ so und wird auch auf „Come taste the band“ weitgehendst so sein!

Anzumerken bleibt noch, dass Blackmore die Band 1975 verliess um „Rainbow“ in’s Leben zu rufen mit Elf-Sänger Ronnie James Dio. Elf haben Deep Purple auf Tour schon ein paar mal begleitet und man verstand sich super – so wundert es keinen der Dios Stimme kennt, dass Blackmore sich diesen Spitzensänger nicht entgehen lässt. Noch während Blackmore bei Deep Purple „mitspielt“ (zweideutig, beabsichtigt) nimmt er „Black sheep of the family“ auf, das auf dem brillanten 1975er Debütalbum „Richtie Blackmore’s Rainbow“ erschien. "Black sheep of the family" - eine 1970 veröffentlichte Single der Gruppe Quatermass, dei der Blackmore-Kumpel Mick Underwood die Drums bediente, der in den 60ern mit Blackmore bei The Outlwas zockte - war ein Statement, eine Ablösung und Selbstverwirklichung, nachdem Ritchie in seiner eigenen Band zum Statisten degradiert wurde!

Erwähnung muss noch finden, dass die Scheibe ursprünglich „Silence“ heissen sollte und dass das Fantsiecover ein Einfluss auf die 80er-Metalszene haben wird!

Punkte: 8 / 10


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