Ich glaube bis jetzt habe ich noch kein Eisregen-Album gehört, das mit so einem langsamen Intro beginnt wie "Waldgott". Düster, dramatisch, tragisch. Michael Roth in Höchstform, Keyboards und Gitarren klingen, als ob die Band gerade auf einer Beerdigung spielen. EIn vertontes Begräbnis, das zur Folge hat, dass Roth am Ende sogar seinen Wauzi beruhigen musste. "War in Wirklichkeit alles nicht so schlimm!"
Die schnellere Version folgt mit dem Titeltrack. Es ist für mich immer wieder ein Erlebnis, wenn Eisregen es wie früher angehen, ihre Instrumente nicht nur zu spielen, um einfach nur irgendwelche Begleitmelodien zu den Schreieskapaden zu schaffen, sondern damit etwas schaffen wollen. Ein Ambiente, eine Atmosphäre. "Todestag" wurde meines Erachtens geschrieben, um die guten Punkte auf "Rostrot" auf dieses Album zu holen, um damit ein vollwertiges Werk zu schaffen, ohne auch nur einen guten Punkt irgendwo beim Vorgänger versauern zu lassen.
"DSDSL" - das ist mal Humor, mit dem ich was anfangen kann! Klar, der Text ist so provokativ, wie Deutschrap im Ausland, doch die Lyrics sind gepaart mit den Gedanken, die wir wohl alle haben dürften, und eben typische Eisregensprüche wie "Mit Brille und schön gekämmt. Was für eine Scheiße! Was das Volk braucht, ist das Fleisch, nur das Verschimmelte, nicht das Weiße." Aus dem Track hört man zudem deutlich die Wut der Musiker über dieses TV-Format heraus. Abgeschlossen wird das Stück mit gnadenlosem Geblaste im Slam Death Stil.
"Höllenfahrt"... Tja, sowas darf auch nicht fehlen. Auch wenn sowas bereits im Überfluss auf den drei Vorgängern vorhanden war, so kann man zumindest mit einem dieser typischen Highspeed-Knüppel-Tracks auf einem Album nichts falsch machen. Nach bereits 40 Sekunden wird "Höllenfahrt" aber ziemlich eintönig, um nicht zu sagen langweilig. Sowas haben Eisregen wirklich schon besser hinbekommen.
"Lang lebe die Nadel", eine Ode an das Heroin (denke ich mal) und dementsprechend wird das hier auch im Eisregenstil glorifiziert. Ist ja auch ein guter Weg sich umzubringen, und davon haben Eisregen ja Ahnung.
Für die, die noch Glück hatten eine der frühen Pressungen zu ergattern, für die dürfte der "Flötenmongo" ein besonderes Obulus sein. MIr hätte ja das Instrumental gereicht, da der Text für mich ziemlich geschmacklos daherkommt. Aber ok, Eisregen können mit ihren Gore-Texten nicht mehr schocken, da musste halt eine andere Provokation her.
Kommen wir nun zur "Familienbande": technisch zeigen sich Eisregen wieder sehr komprimisslos, letzten Endes versinkt der Track aber wieder im selben Soundmatsch wie "Höllenfahrt". Da können auch die verständlichen Lyrics von Roth nicht viel ändern. Ist es denn zu viel verlangt mal eine klare Songstruktur heraushören zu können? Eisregen sollte man nicht gerade mit solchen Sachen in Verbindung setzen, das ist austauschbarer Black/Death Metal, wie ihn Bands schon vor Eisregen praktiziert haben. Hart ist das nicht, nur reine musikalische Stagnation.
"Oh wie sie schrie!" ist schon etwas besser - lyrisch der Horror (Frauen in Keller sperren gibt es zwar schon im echten Leben, solche Themen sind für mich dennoch nur schwer erträglich), der Text bohrt sich zudem durch die musikalische Untermalung ziemlich in die Ohren. Der warme, beschwingliche Klang der Instrumente stellt einen ziemlichen Kontrast zum Text her und lässt das alles sehr sadistisch wirken.
Haben Eisregen auf "Mitternacht" wieder von Rammstein abgeschaut? Scheint einem so - stampfende Rhythmen, besonders beim Chorus fehlt lediglich Til Lindeman am Mikro, so gravierend sind die Ähnlichkeiten. Aber gut, das letzte Rammstein-Album war zu dieser Zeit auch schon 4 Jahre her, da kann man sowas schonmal machen. Und klingen tut's doch gut, was ist also das Problem?
Auf "Oststern am Narbenhimmel" gehen Eisregen in eine ganz andere Richtung. Langsame, schleppende Instrumentals und flüsternde Growls dienen als Auftakt für ein apokalyptisches Gewitter. Bassdrums und schwere Saitenhiebe prasseln stellenweise nieder, bevor das Keyboard wieder in den Vordergrund gelangt und den Hörer immer weiter in den Abgrund zieht.
"Tot/Untot" zeigt: so werden harte Tracks gemacht - Tempowechsel und Breaks sorgen dafür, dass das ganz brutale Geblaste das Lied nicht so überlädt. Technisch also alles einwandfrei, lediglich die Growls, da hätte Roth schon mehr aus sich heraus können.
"Seele mein", scheint fast der Totalausfall des Albums. Die erste Hälfte scheint irgendwie zusammengeschustert, mit erzwungenen Vocals, die so gar nicht zu den fröhlichen und ebenfalls eher bemüht klingenden Instrumenten passen. Nach einem Moment der Stille haben wir dann zumindest instrumentell einen netten Abspann.
Kommen wir noch zum Bonustrack "Eisenherz". Dieser scheint das Demo von "Mitternacht" zu sein. Am Mikro: Michael Roths Sohn.
Ich will hier anmerken: dass dies mein zweiter Hördurchlauf von "Todestage" ist. Ich brauchte keine Anläufe für dieses Album, wie bei seinen Vorgängern und mit gerade mal 2 Vertretern der "heftigeren" Sorte haben Eisregen auch hier Platz für weitaus abwechslungsreichere Lieder gelassen, die sich fast allesamt hören lassen können. Hoffentlich verbauen sie ihren Fortschritt auf dem Nachfolger nicht wieder.
Punkte: 8 / 10