Vier lange Jahre hat es diesmal gedauert, bis nun endlich der lang erwartete Nachfolger von "Disconnected" in den Startlöchern stand. Freilich haben einen Jim Matheos und Goldkehlchen Ray Alder die Wartezeit mit ihren Nebenschauplätzen OSI und ENGINE verkürzt, aber letztlich sind beide Bands eben nicht so stark wie die Kollaboration der beiden.
Das zehnte Studioalbum nimmt dabei den Faden auf, den man schon auf "A Pleasant Shade Of Gray" und "Disconnected" gesponnen hat. Das Ganze aber erneut um einige Nuancen im Sound geändert. So fällt zunächst auf, dass die Songs etwas kompakter ausgefallen sind und lediglich 'Heal Me' die Sieben-Minuten-Grenze überschreitet. Epen wie das 16-minütige 'Still Remains' sucht man vergebens. Desweiteren wirken die Nummern einen ganzen Zacken dynamischer, was vor allem bei 'River Wide Ocean Deep' deutlich wird, das nach dreiminütiger, ruhiger, leicht orientalisch anmutender Lunte plötzlich explodiert und in einem der härtesten Parts endet, die ich von FATES WARNING bisher gehört habe. Doublebassdrums inklusive. Ähnlich dynamisch kommen auch der Opener 'Left Here', 'Heal Me' und das mit Ohrwurm ausgestattete 'Handful Of Doubt' daher.
Daneben findet man mit dem gefühlvollen und eingängigen 'Another Perfect Day' auch eine Nummer, die durchaus kommerzielles Potenzial besitzt und für wohlige Gänsehaut sorgt. Die größte Überraschung ist allerdings 'Stranger (With A Familiar Face)'. Eigentlich der erste echte Metalsong seit Ewigkeiten. Im Rhythmusgerüst an QUEENSRYCHE's 'The Needle Lies' erinnernd, haut Jim Matheos hier wohl die härtesten Riffs seiner Karriere raus.
Überhaupt ist die Spannweite deutlich größer als zuletzt ausgefallen. Hier verbinden sich die gefühlvollsten mit den härtesten Momenten, die man von FATES WARNING seit langem gehört hat. Dazu kommt, dass die diesmal von Jim Matheos höchstpersönlich eingespielten Keys ex-Traumtheater-Tastenmann Kevin Moore nicht missen lassen, sondern mit experimentellen Klängen die Kompositionen durch die Bank aufwerten. Das Tastenspiel ist es auch, das – im Verbund mit der einmal mehr vielschichtigen Produktion – für die unnachahmliche Atmosphäre sorgt, die schon die letzten FATES-WARNING-Alben ausmachte. Und wenn man dann noch ein Chamäleon am Mikro hat, wie es Ray Alder nun mal ist, kann nicht mehr viel schief gehen.
Langer Rede kurzer Sinn: FATES WARNING liefern auch mit ihrem zehnten Studioalbum großes Audiokino ab, das sich einen Platz in meiner Bestenliste des Jahres locker erspielt hat. Wer auf progressive Sounds steht, greift hier zu. Jetzt.
Anspieltipps: River Wide Ocean Deep, Another Perfect Day, Handful Of Doubt, Stranger
http://www.powermetal.de/review/review-4722.html
Punkte: 9 / 10