Am Tag der deutschen Einheit bin ich bei tollstem Wetter spontan in die Einsamkeit der Berge geflüchtet, mein MP3-Player im Gepäck. Stunden später lag ich unter bizarrsten Felsformationen auf einem kleinen Wiesenstück in der Herbstsonne, vor mir ein endloses, karges Geröllfeld, Wolken und Nebelfetzten in den hohen Felstürmen - ansonsten Einsamkeit. Dies war der ideale Zeitpunkt für GEHENNA. Zuhause vor dem Rechner war das nur Gerumpel mit schlechtem Sound. In diesem besonderenen Ambiente wurde mir jedoch klar, was diese Klänge bedeuten sollen. Auf einmal waren sie so karg wie erhaben, abweisend zwar aber doch wunderschön, wie die Natur um mich herum. Die Musik war die der Felsen, des Gerölls, der Nebelschwaden in den Zackengraten, die des Sonnenuntergangs und des danach aufkommenden Schattens. Ein ganz tolles Aha-Erlebnis war das, beinahe spirituell.
Zurück zuhause vor dem Rechner ist das nun kein Gerumpel mit miesem Sound mehr. Aber der nüchtern-analytische Verstand, der beinahe verkrapft versucht, Musik in eine Schablone zu pressen und mit einer Note zu versehen, verwehrt sich diesen kargen Klängen. Lässt man die Gedanken abschweifen und sich in den Tönen vergehen hallt es jedoch wieder, dieses erleuchtende Gefühl. Irgendwas stellt GEHENNA da an. Ich kann es aber weder greifen noch beschreiben.
(Sechs Wochen später)
Mittlerweile sind die Tage kürzer geworden, die Schatten dafür länger. Die Berge sind eingeschneit und es ist Ruhe eingekehrt. Das einsame Wiesenstück, in dem ich mich gesonnt habe, gehört nun der Wildnis. Was auch immer sich dort im Winter tummelt, Gämsen, Steinböcke oder doch vielleicht Felsendämonen, ich werde es nicht erfahren. Möglicherweise wird dieser Ort ja zu GEHENNA, einem Ort für Verdammte. Die Musik jedenfalls wird immer stärker, immer einnehmender, man stellt sie an und sie ist da und sie macht etwas mit einem: verstören, einnehmen, auf morbide Weise faszinieren. Kann Musik mehr bewirken?
(Aus der Gruppentherapie auf www.powermetal.de vom 26.10.2013)
Punkte: 9 / 10