Taylor Swift Red (2012) - ein Review von Flo

Taylor Swift: Red - Cover
1
1 Review
5
5 Ratings
8.30
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Pop


Flo
10.08.2014 14:21

Taylor Swift ist in den USA das, was man in der Klatschpresse als "Megastar" bezeichnet. Inzwischen verkauft sie sogar mehr Platten als der Vanilla-Ice-Imitator Justin Bieber. Eine solche Popularität kann bei der Musikrezeption aber auch störend wirken. Oft hat man keinen Bock mehr, sich näher mit den Liedern auseinanderzusetzen, die sowieso 24/7 im Radio rauf und runter gedudelt werden. Als europäischer Hörer hat man zumindest den Vorteil, nicht ständig über Swifts "High Profile Relationships" informiert zu werden. Woher diese Besessenheit kommt, die Privatsphäre von Prominenten zu durchleuchten, weiß auch nur der Teufel.

"Red" ist bereits Swifts viertes Album (dafür ist es das erste, bei dem das Cover nicht aussieht, als gäbe es bei Photoshop einen Female-Pop-Bildgenerator). Bei ihrer ersten Veröffentlichung war sie erst 16 Jahre alt, was in dieser Country-Pop-Schiene aber nicht unbedingt eine Seltenheit ist. Auffällig ist jedoch, dass sie seit jeher den Großteil ihres Outputs selbst schreibt, was ihr in den Augen von Authentizitätsfetischisten einen höheren Status einräumt als den anderen Popsängerinnen. (Wer gerade Zeit hat, soll mal nach dem Cracked-Artikel "4 Ways Rock Stars and Teen Pop Stars Are Exactly the Same" suchen.)
Aber in der Fachpresse steht sie auch als "Everybody's Darling" oft in der Kritik: Zu dünn sei ihre Stimme, für eine richtig tolle Sängerin fehlt der Wumms, die Bandbreite, das gewisse Etwas. Ein Megastar muss nicht nur erstklassig aussehen, sondern auch eine Stimme haben wie Tina Turner anno '66. 2010 hat sie auf diese Kritik mit dem Lied "Mean" geantwortet, was wohl einerseits ihr Selbstbewusstsein unter Beweis stellt, andererseits aber auch die einfältige Vorstellungswelt der Popkultur widerspiegelt, die sich insbesondere im dazugehörigen Musikvideo zeigt. Auf der einen Seite sind die neidischen, unglücklichen Bullys, die anderen das Leben zur Hölle machen, auf der anderen Seite die Opfer, die eines Tages wie das hässliche Entlein zum Schwan werden. Ansonstens geht es in ihren Liedern meistens um Liebe, Liebe, Liebe. Sich im Regen küssen, sich tief in die Augen schauen, all der Trennungsschmerz, zusammen alt werden... Die ganze Kiste eben.

Auf "Red" treffen nun in bester (heutiger) Popmanier Klänge aufeinander, die irgendwann in den letzten 20 oder 30 Jahren von anderen Künstlern populär gemacht wurden. So beginnt "State of Grace" gleich mal mit einer Light-Version von U2. Swift zufolge soll dieses Lied danach klingen, sich auf eine "epische" Art und Weise zu verlieben. Eine schöne Nummer, aber "epic" ist so was wirklich nur in einer Musikwelt, in der Kanye West als Genie gilt.
Hier zeigt sich auch gleich der größte Schwachpunkt von "Red": Dieses Album klingt besonders uninteressant, wenn die Klänge aus dem eigentlich sowieso schon unendlich großen Potpourri der Popmusik nur übernommen und imitiert werden, ohne ihnen wirklich hervorstechende Elemente hinzuzufügen. Hierbei kopiert Swift nicht nur selbst andere Interpreten, sondern bekommt auch noch von einem Produzenten wie Max Martin, dem ewigen Wegbegleiter von Britney Spears, Sounds geschustert, die klingen, als wären sie für jemand anderen gedacht gewesen. So klingt "22" stark nach Avril Lavigne – nur nicht so nervtötend. Das mit Gary Lightbody geschriebene und gesungene "The Last Time" klingt auch eher nach dessen Band Snow Patrol – so leicht sollte man sich den Platz auf dem eigenen Album nicht stehlen lassen. "Sad Beautiful Tragic" hat Swift allein geschrieben und wirkt im Vergleich zum Rest sehr erwachsen und gediegen – was wohl daran liegt, dass dieses Lied nichts anderes ist als ein Ripoff der Musik von Mazzy Star.
"Red" ist so zerfahren wie die meisten anderen großen (= kommerziell erfolgreichen) Popalben der letzten Jahre. Man versucht möglichst viele verschiedene Sounds auf einer Platte zu vereinen, um möglichst viele Hörerschichten anzusprechen, und verwirft dabei den Gedanken, eine homogene Platte zu produzieren. Diese Sounds werden auch nicht ineinander verwoben, sondern stehen als einzelne Tracks auf einem Album, das locker 20 Minuten kürzer sein könnte.

Aber konzentrieren wir uns auf das Positive, von dem es auch genügend zu finden gibt. Swifts Stimme ist nun sicher nicht die kräftigste, besitzt aber einen angenehmen, schmeichelnden Klang, der auch bei Uptempo gut hervorkommt. So ist der Titeltrack der beste Teil des Albums, auch, weil ihr dieser etwas rockige Country Pop einfach besser zu Gesicht steht als der Electropop von Max Martin. So könnte ruhig die ganze Platte klingen. Auch die leichten, beschwingten Lieder wie "Stay Stay Stay" und "Holy Ground" sind gut gelungen. Und allesamt Eigenkompositionen ohne viel Schnickschnack.

"Red" ist ein Album ohne große Überraschungen, auf dem Formatpop und (sicher ehrlich gemeinte) "Mädchen-Countrymusik" aufeinanderprallen, ohne dabei etwas wirklich Auffälliges zu erschaffen. Taylor Swift kann das sicher besser und ist noch so blutjung, dass sie genügend Zeit hat, neue Dinge auszuprobieren. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich auf der nächsten Platte nicht "Experimente" befinden wie "Taylor Swift featuring David Guetta".

Anspieltipps: "Red", "Holy Ground"

Ein Tipp: Was Country Pop aus dem US-Mainstream angeht, bleibt rückblickend auf das Jahr 2012 Carrie Underwoods "Blown Away" die bessere Wahl. Sie schreibt zwar nicht so viel selbst wie Taylor Swift, die Platte ist aber trotzdem gelungener, besonders die erste Hälfte. Was auch daran liegt, dass Underwood kein Problem damit hat, etwas dunklere Töne in ihren Home-Town-Kitsch einfließen zu lassen.

Punkte: 6 / 10


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