Die Toten Hosen Ballast Der Republik (2012) - ein Review von Lord

Toten Hosen, Die: Ballast Der Republik - Cover
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1 Review
47
47 Ratings
7.87
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Punk: Deutschpunk


Lord
23.05.2012 10:08

30 Jahre die Toten Hosen aus Düsseldorf - ein sinnvolles Jubiläum!!
Als sich die Hosen 1982 aus den Resten von ZK zusammen fanden, hätte wohl kein normal funktionierender Mensch geglaubt, dass aus der Chaos-Truppe mal was vernünftiges wird: Seit Jahren ausverkaufte Tourneen, Millionen verkaufte Platten, Nr. 1 Hits - und nicht zuletzt ein Legendenstatus der unerschütterlich ist; fest gemauert, in Stahl gegossen!!

Ich persönlich bin seit knapp 25 Jahren Anhänger der Band - seit 1988 sogar Fan. Keine Band habe ich häufiger live gesehen, von keiner anderen Band (Duran Duran mal abgesehen - passt ja auch bestens zusammen) habe ich mehr Tonträger in meiner Sammlung stehen. Mit keiner Band habe ich Wut, Trauer, Triumpfe, Siege, Verluste, Hoffnung, Versagen, Niederlagen, Unsterblichkeit oder Höhepunkte intensiver erlebt, mit keiner anderen Band verbinde ich eine derartige Nähe und keine andere Band hat mich seit den frühesten Teenager-Jahren bis heute mehr geprägt als die TOTEN HOSEN.

Mit diesem Vorwort sollte klar sein, dass es für jemanden, dem die Band so nah steht immer wieder eine spezielle Herausforderung ist, sich mit neuen Veröffentlichungen zu beschäftigen... Stets schwingt diese Angst mit, dieses ungute Gefühl die Band könnte versagen, es könnte nicht mehr gefallen und somit würde ein Teil in mir sterben. Komischerweise machte ich mir diese Gedanken nie bis zu "Kauf mich!" 1993 - vielleicht war ich zu jung und unbekümmert, vielleicht hat sich aber nach 1993 die Musik der Hosen verändert. Auf jeden Fall kamen deutlich variablere Elemente hinzu, als 1996 "Opium fürs Volk" auf die Menschheit losgelassen wurde - und nicht alles wusste mich damals zu überzeugen.

1999 dann der Tiefpunkt: "Unsterblich". Eine Jammerscheibe. Erbärmlich. 3 gute Songs (Helden und Diebe, Warum werde ich nicht satt & Der Mond, der Kühlschrank und ich) - der Rest absolute Panne, für mich noch heute nicht zu hören ohne eine bittere Traurigkeit zu verspüren.
2002 mit "Auswärtsspiel" ging es zwar wieder bergauf, doch auch da vermisse ich oft griffige Melodien - "Das Mädchen von Rottweil" und "Nur zu Besuch" mal ausgenommen.
2005 dann "Zurück zum Glück"; damals hatte man sich die Scheibe schön gehört und geredet, wusste aber tief im Inneren, dass die Platte den Test der Zeit NIE bestehen wird - "Herz brennt" und "Alles wird vorübergehen" mal ausgenommen. Ausgerechnet die Balladen.
"In aller Stille" erschien im Spätherbst 2008: Eine gute Platte, doch eben auch nicht so gut wie die Platten bis und mit 1996. Aber man konnte wieder hoffen, was nach "Zurück zum Glück" schwer fiel.

Ich erwartete mit Hoffnung, Vorfreude, Euphorie und Angst neue Töne der Band - und als dann "Tage wie diese" ende März raus kam, war ich enttäuscht. Ernüchternder Song, dachte ich - kein Powerstatement wie ich es mir gewünscht hätte. Ein U2-Radio-Hit, melodiös, poppig. Ich dachte: "Ok, dann wird "Ballast der Republik" wohl doch nichts", denn auch die anderen Songs der "Tage.."-Single konnten mich nicht recht begeistern.

Anfangs Mai erschien dann "Palast der Republik", äh Ballast natürlich!!
Mit zittrigen Händen legte ich das Vinyl auf - und es war so wunderschön, es war so befreiend als zum ersten mal seit 1990 ("Auf dem Kreuzzug ins Glück") mal wieder ein RICHTIGES Intro ertönte. Emotional, sich steigernd, melancholisch, schön. Ohja, ich konnte aufatmen, der Einstieg ist geglückt!! Ebenso der folgende Titeltrack "Ballast der Republik"; ich musste schon etwas grinsen, denn der Song hätte auch von den späten Onkelz kommen können - gute Offensive mit Power nach vorn. Guter Text (ausgearbeitet mit dem Rapper Marteria).
Dasselbe Powermuster fährt auch das lockere "Traurig einen Sommer lang" - ein ironischer Knaller mit teuflischem Seitenhieb auf Rex Gildo - HOSSA! Da werden die Moralapostel wieder was zu mosern haben, gähn!

Ich will jetzt einfach mal meine persönlichen Highlights erwähnen und hervor heben:

-"Altes Fieber" - welch eine Hymne, was für eine Melodie, was für ein wahrer Text der Nostalgie, die bei älteren Menschen, zu denen gehöre ich ja mittlerweile auch, halt dazu gehört: Die Jugend ist vorbei und wird nie wieder kommen. Aber man hat eben die Erinnerungen und die können, wenn sie stark und verbindend sind vergegenwärtigt werden und so entstehen immer wieder neue Höhepunkte!

-"Reiss dich los" ist sowohl textlich als auch musikalisch ein Leckerbissen der Platte: Wunderbarer, sich öffnender Refrain. Besonders als die Stimmen mit "..jetzt oder nie" einfallen, kriege ich nach dem x-ten mal noch eine dicke Gänsehaut. TREFFER!!

-"Europa" ist ein kurzes (im Intro deutlich an Slade erinnerndes), spannendes, auf den Punkt gebrachtes Meisterwerk. Textlich befasst man sich mit dem Flüchtlingsstrom, der auf Europa zukommt. "Und wenn sie nicht gestorben sind, sterben sie noch heute"... BAMMM... Keine Worte!

-"Oberhausen" ist ein typischer Hosen-Song, hätte genauso gut auch auf "Damenwahl" drauf sein können - und das ist 26 Jahre her. Musikalisch ein Hochgenuss und auch textlich wieder so ein Schicksals-Text über eine Frau wohl mittleren Alters, die sich an die Liebe ihres Lebens hält und alles dafür tut, seine Aufmerksamkeit beibehalten zu können und sich dabei selber weg schmeisst. Tragisch.

-"Draussen vor der Tür": Wenige Worte hierzu... Wer es kennt, wird es verstehen und lieben!!

-"Vogelfrei": Perfekter Abschluss eines grossartigen Albums. Auch hier mit einem erstklassigen Refrain, der wieder eine gute Zeit und Drang nach vorne vermittelt. Grosse Melodie, Hymne! Fand ich zuerst nicht sooo hammer, jetzt umso mehr!! Starker Hosen-Song!

...und da wäre dann noch "Tage wie diese"... Wie eingangs erwähnt sagte mir der Song zu Beginn 0,00 zu - zu platt erschien er mir, zu lasch... Es ist halt keine Poweroffensive die man wegen der offensichtlichen Power sofort cool findet. Der Song hat eher eine defensive Power, die sich eben erst dann bemerkbar macht, wenn man sich in den Song rein begibt. Das besungene Thema kennt jeder; ein Tag, der einfach nur perfekt ist. Vorfreude die nicht enttäuscht wird, man erlebt mit Freunden einen Hammertag. Als ich die Videos zur Magical Mystery Tour gesehen habe, war ich oft den Tränen nah: exakt DAVON (u.A.) handelt der Song - vielen Menschen wurde einfach nur ein Tag des perfekten Glücks geschenkt.
Der Song steigert sich und explodiert förmlich im Refrain (was natürlich von Miesmachern wieder als Vorwurf genommen wird: Mitgegröhle). Für mich persönlich gibt es keinen Song der die Vorfreude, das Gefühl des bevorstehenden Sommer so auf den Punkt bringt wie "Tage wie diese". Erste Grillabende mit Freunden, sonnige Tage - und "Tage wie diese" rundet das alles perfekt ab! Ich muss nicht erwähnen, dass der 30. Juni, wenn ich die Hosen wieder mal live sehen werde, für mich eben auch so ein Tag sein wird (..ich wart seit Wochen auf diesen Tag..).

Der Release-Termin ist spitze gewählt: Wie 1990 bei "Kreuzzug" und 1993 bei "Kauf mich!" kommt auch "Ballast der Republik" im Mai raus und fängt somit die euphorische Frühlingsstimmung ein, die Vorfreude auf den Sommer, die EM - alles! Man assoziiert mit der Scheibe unweigerlich eine gute Zeit, grossartige Momente, Freiheit.
Da war "In aller Stille" schlechter getimet mit Veröffentlichung im November: Ich persönlich assoziiere mit der Scheibe nun Kälte und Müdigkeit, auch wenn sie gut ist.

Die Hosen haben auf "Ballast der Republik" zum Melodienreichtum alter Tage zurück gefunden, ohne anbiedernd zu sein. Die Platte ist wie "Damenwahl" oder "Kauf mich!" nicht sonderlich hart produziert, doch sie lebt von eingängigen Melodien, von guten Texten und vorallem einem GEFÜHL, wie ich es LANGE nicht mehr bei einer Hosen-Platte dermassen intensiv hatte. Pure Euphorie, Zufriedenheit - positive deluxe!
Einen Ausfall gibt es nicht - man kann sich darüber streiten, ob "Das ist die perfekte Welle", äääh, sorry "Das ist der Moment" notwendig gewesen wäre oder ob es schon unterdurchschnittlicher Deutsch-Pop ist... Im Endeffekt reisst halt auch dieser Song mit.

Die Scheibe begleitet mich nun schon seit einem knappen Monat in jeder freien Minute. Es ist wirklich wie 1993 - damals war ich in der Lehre - als ich es kaum erwarten konnte nach Hause zu kommen um mir die Scheibe reinziehen zu können. So ist es auch gegenwärtig: Jede freie Minute die sich anbietet wird mit "Ballast der Republik" bereichert.
Ich bin mir 100% SICHER, dass "BdR" auch in 10 Jahren noch in meinen Top-6 aller Hosen-Scheiben rangieren wird!!!

Punkte: 9 / 10


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