Eisbrecher Die Hölle Muss Warten (2012) - ein Review von DarkForrest

Eisbrecher: Hölle Muss Warten, Die - Cover
2
2 Reviews
12
12 Ratings
7.54
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Metal: Industrial Metal


DarkForrest
24.01.2018 22:13

Nachdem ich zuletzt sehr viele positive Reviews geschrieben habe, dachte ich mir, dass es mal wieder Zeit wird, ein bisschen nach bei mir etwas unbeliebteren Alben zu stöbern. “Die Hölle Muss Warten” von Eisbrecher scheint mir da perfekt. Ich weiß, dass ich es mir damals geholt, 2-3 mal intensiv gehört, für scheiße befunden und dann ganz schnell vergessen hatte. Ich erinnere mich noch, dass ich eine handvoll Songs richtig gut fand, mir der Rest aber wie ganz grässlich weichgespülter Einheitsbrei vorkam. Fairerweise muss man dazu sagen, dass ich zu der Zeit eher kaum noch deutsche Härte gehört habe und das Album nicht die gleiche Chance hatte, von mir rauf und runter gehört zu werden wie die ersten 3 Alben.

“Die Hölle Muss Warten” ist dabei sicherlich kein unumstrittenes Album. Der Wechsel zu einem Major-Label und der eher ruhigere Sound haben damals ziemlich viele Unheilig-Vorwürfe laut werden lassen. Gleichzeitig muss man aber wirklich sagen, dass die Produktion mit dem offensichtlich reichen Budget gut gelungen ist und der Sound 1A klingt, obwohl ich mit diesem auf den Vorgängern aber auch nie ein Problem hatte. Um treue Fans, die so dreist waren und sich das Teil am Release gekauft haben zu bestrafen, hat man neben der regulären und limited Edition mit 2 Bonus Tracks und DVD später noch im selben Jahr die “Miststück Edition” veröffentlicht, damit man für eine handvoll neues Material nochmal Geld ausgeben darf. Da ich gewartet habe, kann ich mich jetzt hier auf die “Miststück Edition” beziehen und habe es hier mit mittlerweile ganzen 20 Songs zu tun. Dass hier quantitativ zu wenig geboten wird, kann Eisbrecher also keiner vorwerfen. Dafür hatte ich etwas Arbeit, mich in Ruhe nochmal durch den ganzen Krempel zu hören.

Interessant ist vielleicht noch ein kurzer Blick in’s Booklet. Als erstes fallen die peinlichen Poser Fotos von Alexx und Noel Pix auf. Dass die Band hier suggeriert, nur aus Alexx und Noel zu bestehen finde ich hierbei nicht einmal schlimm. Aber warum präsentieren sich die beiden so dermaßen prollig? Fand das irgendeiner der Beteiligten ästhetisch? Ist das irgendeine Art von Selbstironie, die mir hier entgeht? Wollte man sich über Schwule lustig machen? Egal: interessanter sind eigentlich die Credits und die Tatsache, wie viele externe Personen (die also nicht direkt zur Band gehören) am schreiben der einzelnen Songs beteiligt waren. Nicht unbedingt das beste Zeichen…

Aber genug drum herum geredet. 20 Songs hören sich ja auch nicht von alleine. Los geht es mit “Tanz Mit Mir”, ein ganz vernünftiger Opener, der mit seiner Tanzbarkeit hält, was er verspricht und der hart aber eingängig genug sein dürfte um alle Zielgruppen zu befriedigen. “Augen Unter Null” beginnt auch vielversprechend und ich frage mich langsam, ob das Album wirklich so weichgespült ist, wie ich es in Erinnerung hatte, als der Song im Refrain nicht nur ausgebremst sondern eher mal hart an die Wand gefahren wird. Der Wechsel von Alexx Gesang passt hier einfach null. Alles wirkt so, als wolle man das eigentlich ganz solide “Eiszeit” hier kopieren und würde kläglich daran scheitern.

Der Titeltrack gibt dann einen Vorgeschmack auf das, was uns auf dem Album noch öfter begegnen wird: richtig schmalzige Balladen, in denen Alexx cleaner Gesang einfach unerträglich klingt. Mein Problem ist gar nicht mal, dass hier irgendetwas “kitschig” oder “mainstreamig” (obwohl, das nervt auch), sondern vielmehr, dass es auf mich irgendwie amateurhaft wirkt, so als hätte Alexx plötzlich vergessen, wie man singt oder einfach keinen Bock auf diesen radiotauglichen Scheiß. “Verrückt” kannte ich bereits von der Single und habe mich etwas in die Irre führen lassen, denn dieser Song ist null repräsentativ für “Die Hölle Muss Warten”, was wiederum eindeutig für den Song spricht. Sehr straight forward holzt das Ding los, gibt uns die Härte, die wir bisher deutlich vermisst haben und ist dabei erfrischend unkompliziert aufgebaut. Hätte in der Form auch ohne Probleme so zu Megaherz - Zeiten erscheinen können.

“Herz Aus Eis” hat mit seinem leicht abgehackten Sprachgesang in den Strophen und dem epischen Refrain alle Zutaten für einen sehr oldschooligen Eisbrecher Song und tatsächlich: der hätte so auch auf dem Debütalbum oder überall anders gepasst. Sehr kalt, sehr klassisch, sehr Eisbrecher. Innovation sieht evtl. anders aus, aber zumindest macht “Herz Aus Eis” auch nichts falsch. Innovation gibt es dafür mit “Prototyp”. Ähnlich wie “Tanz Mit Mir” ein Song der alle Lager erfreuen dürfte, nur diesmal von allerhöchste Qualität. Macht einfach nur Spaß und ist definitiv nichts, was man in der Form schonmal gehört hat.

Als nächstes steht “Ein Leben Lang Unsterblich” auf dem Plan. Der Takt setzt ein, die Gitarren legen los und… Fuck! Kennt das, wenn ihr in den ersten 3 Sekunden merkt, dass ihr den Song scheiße findet werdet? Wir haben hier in etwa die gleichen Probleme wie beim Titeltrack, nur dass dort noch erfolglos versucht wurde um jeden Preis irgendwie Abwechslung rein zu bekommen, während ich hier jedes Mal ein bisschen mehr Lust bekomme Alexx zu schlagen, wenn er “ein Leben lang unstääääärblich” plärrt. Und das passiert immerhin 11 mal, wenn ich mich nicht verzählt habe. “Abgrund” ist dagegen soweit ganz okay. Manchmal ein bisschen sperrig, aber an manchen Stellen doch ganz flott lockert es die ganze Geschichte ein bisschen auf.

“In Meinem Raum” wäre auf den ersten 3 Alben unterdurchschnittlich bis nervig, hier fällt es dagegen nicht weiter negativ auf. Ich kann es mir sogar ganz gut anhören, ohne direkt etwas zu finden, was ich bemängeln müsste, aber habe wirklich alles, was ich gerade gehört habe 2 Songs weiter schon wieder komplett vergessen. “Keine Liebe” war für mich beim ersten Hören ein ziemlicher Mindfuck. Woher kommt mir das alles so bekannt vor, die Melodie, die Art wie Alexx singt? Genau! Von “Heilig” vom Sünde - Album. Vielleicht geht es ja auch nur mir so, aber ich kann gar nicht anders, als hier einfach nur eine schlechte und unpassende Version vom durchaus guten “Heilig” zu hören.

“Exzess Express” (doofer Titel) bringt dann wieder die Härte zurück auf “Die Hölle Muss Warten”. Ganz solides Lied und nachdem, was bis jetzt so kam auch ungefähr das was ich gerade hören will, aber so richtig will der Funken auch nicht überspringen. Ich fühle mich hier ein bisschen abgefertigt. Naja, das passt zumindest thematisch dann ganz gut. Es folgt ein harter Übergang zum sehr schmalzigen “Rette Mich”. Dass Alexx schon immer sehr langsame (und textlich manchmal auch etwas pathetische) Balladen am Start hatte, ist mir klar. Das gab es schon seit “Müde” auf “Wer Bist Du” zu Megaherz Zeiten. Auch da war die Qualität schwankend. Während zum Beispiel “Freiflug” wirklich Eindruck bei mir hinterlassen hat, konnte ich mit besagtem “Müde” wenig anfangen. Alexx ist also seit jeher in der Lage Balladen zu rocken aber auch zu verkacken. “Rette Mich” könnte in diesem Feld der bisherige Tiefpunkt sein. Ich überlege gerade, ob es eine noch kitschigere Megaherz- oder Eisbrecherballade gibt… Nö, fällt mir spontan keine ein.

“Atem” schließt dann reguläre Version des Albums maximale unspektakulär ab. Eine weitere Ballade, die qualitativ irgendwo zwischen “In Meinem Raum” und “Augen unter Null einzuordnen ist und deren Takt extrem monoton und einschläfernd ist. Die beiden ursprünglichen Bonus Tracks glänzen auch nicht gerade mit Exklusivität. “Treiben” geht so sehr in Richtung des Vorgängers, dass ich die beiden im Kopf kaum auseinander halten kann. Gegen “Böser Traum” kann ich nicht so viel sagen. Absolute Durchschnittsware, vielleicht am ehesten mit “Herz Aus Eis” zu vergleichen, nur etwas langweiliger und identitätsloser. Das Stück würde glaube ich auf gar keinem Eisbrecher Album positiv oder negativ auffallen. Mit der Stimme von Lex würde es sogar als Filler auf einem aktuellen Megaherz Album durchgehen.

Was mir bis hier aufgefallen ist, ist wirklich die ziemlich große Menge an komplett belanglosen Songs. “In Meinem Raum” oder “Atem” sind nicht so schlecht, dass ich sie mir nicht anhören kann, aber mir fehlen jegliche Alleinstellungsmerkmale. Ich frage mich, wie Fans des Albums, die Band selbst oder das Label das sieht. Gibt es irgendetwas, was gerade diese Songs ausmacht oder wurden sie von Anfang an als Filler konzipiert? Vielleicht lohnen sich ja wenigstens die neuen Songs der Miststück Edition.

Da hätten wir einmal “Metall”. Das Ding wirkt so erzwungen hart, dass ich mir gut vorstellen kann, wie es kurz vor Release von Band oder Label hieß “Wir brauchen unbedingt noch etwas, um die NDH - Fans anzulocken. Kann man da nicht noch schnell was zusammenwürfeln?”. Das Ergebnis klingt ziemlich albern, aber auch genau so unterhaltsam. Da ich mittlerweile dringend auf Abwechslung warte, ist mir “Metall” ganz recht. Mit “Miststück 2012” dann gleich die nächste harte Nummer. Ich finde es gar nicht schlimm, dass die Band lange Zeit einen Song als Höhepunkt jedes Konzerts hatte, welcher gar nicht von ihr stammt “Miststück” rockt. Aber war hier wirklich eine Neuauflage im Eisbrecher Stil nötig? Das Ergebnis klingt wie erwartet: nicht schlecht, aber nicht so gut wie das Original, was in erster Linie daran liegt, dass man sofort hört, dass der arme Song nie dafür gemacht wurde, in ein Eisbrecher-Gewand gestopft zu werden. Was auch noch auffällt ist, wie zahm der Rest des Albums klingt. Man merkt einfach, wie sehr die Band den ollen FSK Flatschen haben wollte. Jetzt ist Eisbrecher im Vergleich zu Megaherz zwar keine Band, in welcher eine etwas härtere Ausdrucksweise eine große Rolle spielt, aber gerade bei “Exzess Express” hätte sich das vielleicht angeboten?

“Wenn Zeit Die Wunden Heilt” klingt wie ein richtig poppiger Feelgood-Song, der nicht unbedingt zum eigentlich depressiven Text passt. Oh, und er hat im Hintergrund das Ticken einer Uhr als extrem nerviges Gimmick. Dann hätten wir noch “Zu Leben”, ein bisschen das positive Gegenstück zu “Zu Sterben” vom Sünde Album und der wahrscheinlich rockigste Song auf dem Album - Kann man machen. Zum Schluss hätten wir dann noch “Zeit”. Ganz kurz hatte ich die Hoffnung auf eine Neuauflage vom gleichnamigen Song auf der “Herzwerk”-Demo damals von Megaherz. Natürlich ist es das nicht, sondern eine durchschnittliche Eisbrecher-Nummer, von der wir hier schon genug haben.

Eine Bonus DVD gibt es dann auch noch. Hier beweist die Band, dass sie (Alexx allen voran) nach wie vor alle sehr sympathisch sind und zeigen live auch durchaus Spielfreude. Ganz nettes Material auf jeden Fall.

Was bleibt als Fazit zu sagen? Ich finde “Die Hölle Muss Warten” nicht mehr so schlimm, wie ich es in Erinnerung hatte. Finde ich es gut? Nein, auf gar keinen Fall. Aber der durchschnittliche Song (und davon gibt es viele) kann als Hintergrundberieselung fungieren, ohne komplett zu nerven. Für mich zeichnet sich hier ein Muster ab: ein knappes Drittel des Albums besteht aus guten bis sehr guten Stücken, in denen Eisbrecher zeigen, dass mangelndes Talent hier nicht das Problem sein kann. Meisterwerke wie “Willkommen Im Nichts” oder “Antikörper”, die in jede Eisbrecher Playlist gehören gibt es hier zwar eher weniger, aber “Prototyp” und “Verrückt” kommen schon sehr nah dran. Ein weiteres Drittel sind ziemlich langweilige Filler, die nicht viel falsch machen, in der Masse untergehen und hier eindeutig zu oft vertreten sind. Ob jetzt “Abgrund”, “Treiben” oder “Atem”: die Liste ist lang. Songs wie “Ein Leben Lang Unsterblich” oder der Titeltrack sind für mich dann aber neue Tiefpunkte, die wirklich weh tun.

Der hohe Balladenanteil auf “Die Hölle Muss Warten” ist nicht unbedingt der größte Schwachpunkt des Albums. Wenn ich mir noch einmal “Kinder Der Nacht” oder sogar das heftig kitschige “Blut Und Tränen” durch den Kopf gehen lasse, komme ich zu dem Schluss, dass die Band auch die leiseren Töne beherrscht. Vielleicht stimmt das Mischverhältnis nicht mehr ganz, aber das größere Problem habe ich mit der mangelnden Abwechslung. Zu viele Songs klingen zu ähnlich. Lustigerweise meint Noel Pix in der Tourdoku, dass die Band sich weiter entwickelt und ein größeres musikalisches Spektrum bedienen möchte. Ist das wirklich so? Ich fand das Debütalbum durchaus abwechslungsreich. Es gab schnellere Stücke “Angst?”, langsame Balladen “Frage”, Gruftikitsch “Mein Blut”, das poppige “Fanatica”, mit “Ruhe” und “Hoffnung” zwei instrumtale Nummern, sehr klassische Eisbrecher Songs wie “Herz Steht Still” oder eben “Eisbrecher” und Songs wie “Schwarze Witwe” bei denen ich gar nicht weiß, wo ich die einordnen soll. Einige davon sicherlich auch ziemlich gewagt und nicht jedermanns Sache. Hier erscheint es mir eher anders herum. Fast jeder Song passt in eine von 3 Kategorien, Abwechslung sucht man vergeblich, dafür ist das ganze Album für jede Zielgruppe leicht zugänglich und soll offenbar eher ein breites Spektrum an Hörern bedienen. Dank der großen Quantität an Songs sind auch für mich ein paar gute dabei und der überwiegende Teil ist dank talentierter und erfahrener Band auch hörbar, aber das ist mir persönlich zu wenig.

Punkte: 4.5 / 10


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