Abgesehen davon, dass man nach Möglichkeit die Treppen nehmen sollte, würde ich Fahrstuhlmusik nicht zwingend negativ verwenden. Erst recht nicht im Falle von "Heritage".
Dass die Songs überwiegend ruhig gehalten sind, woran auch ich mich erst mal gewöhnen musste, ändert nichts daran, dass hier großartig arrangierte Stücke geschrieben wurden, die sämtlich auch über Spannungsbögen verfügen. Ganz gleich, ob nun Rainbow gehuldigt wird oder - volle Deckung! - die Red Hot Chili Peppers herhalten mussten. Man höre den Groove und den Gesang im ersten Teil von "The Lines in my hand"! Ich hab allerdings noch nicht nachgeforscht, welcher Song hier Pate stand. Und doch offenbart sich nach der Überwindung dieses Schocks ein reines Opeth-Stück.
Freilich, Opeth veröffentlichen keine Platten mehr, bei denen man sofort auf die Knie fällt. Das ist meiner Meinung nach alles bis einschließlich "Ghost Reveires", der Vorgänger war mir dann doch zu sperrig. Nichts desto trotz ein ganz famoses Werk.
Opeth haben den Anspruch, all das zu tun, was sie wollen, und sie sind auch in der Lage, dies musikalisch umzusetzen. Der Beweis ist allerspätestens mit "Heritage" erbracht, auch wenn man dies in gewisser Weise schon nach "Orchid" oder "Morningrise" sagen konnte. Doch warum sich eine Band wie Opeth rund 15 Jahre später immer noch auf progressive Death Metal Songs mit Akustikpassagen beschränken?
Überhaupt: Die Frage nach dem besten Opeth-Album. Ich denke, es ist immer das, das man gerade hört (OK, mit der Ausnahme "Watershed").
Und wenn's auch mal vermeintlich seicht zugeht. Wenn sich schon eine Truppe wie Dissection einst ein Outro wie "No dreams breed in breathless sleep" leisten konnte (ich hab's grad noch mal angehört: DAS ist seicht! Geradezu erschütternd.), dann können Opeth 100mal mit dem Intro "Heritage" in ihr Werk einführen.
Was für eine Band! Bin auf die Live-Umsetzung gespannt und wie sich die Stücke in das bestehende Material einfügen werden.
Dieses Album kann man nebenbei laufen lassen oder ihm mit voller Aufmerksamkeit lauschen, es ist ein reifes und mutiges Werk, trotz der Verschiedenartigkeit der einzelnen Songs ergibt es doch ein großes Ganzes. Nur bei einem bin ich mir noch nicht ganz im Klaren: Würde ich mir für das nächste Album wieder Growls wünschen? Einerseits ja, aber wenn der Weg von "Heritage" fortgeführt wird, erscheint es im gleichen Moment doch nicht mehr nötig. Sehr spannend, ob man dan Album nun mit Wein oder Bier genießt. Und wenn das nicht für die Größe dieser Band spricht, dann weiß wahrscheinlich auch der Akerfeldt bald nicht mehr weiter. Nein, das ist nicht vorstellbar!
Punkte: 9 / 10