BAP Affjetaut (1980) - ein Review von Spike65

BAP: Affjetaut - Cover
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1 Review
15
15 Ratings
8.27
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Rock


Spike65
01.09.2017 16:51

Dä Major kütt: Ab jetzt rockt es bei BAP! Und doch ... der Liedermacher Niedecken blitzt immer wieder nochmal durch ... aber die Bandbreite der Band ist schon stark erweitert.

Der Opener "Ne schöne Jrooß" rockt ordentlich und überzeugt durch ein komplexes und abwechslungsreiches Arrangement, der Text ist wütend, bissig, ausgereift - Niedecken rüttelt textlich wach und Heuser liefert die Musik, die die Message direkt ins Ohr gehen läßt. Ein Songwriter-Paar hat sich gefunden, das noch einige Glanzstücke abliefern sollte. Dieser Opener ist reif für Deutschland's Radiostationen.

"Wat ess?" verleugnet nur bei der Autoren-Angabe seine Dylan-Herkunft - wer Ohren hat, der hört hier die Kölsche Fassung von "Ballad of a thin man": Dooo ya, Mista Jones? - Oder ... wat ess??? Nahe am Original ist auch das Arrangement.

Mit dem "Stollwerck-Leed" räubert Niedecken textlich im Revier von Ton Steine Scherben, musikalisch räubert Heuser bei den Rolling Stones - und beides tut dieser LP und dem Song gut: Ein erster direkter politischer Statement von Niedecken, der BAP - ob gewollt oder nicht - zu einem Sprachrohr von Bürgerinitiativen und außerparlamentarischer Opposition macht.

"Anna" ist eine bitterböse Retourkutsche an Niedecken's ehemalige On-Off-Beziehung, bei der wieder Niedeckens Bildersprache zu Hochform aufläuft: "Do wills Priesterin, Hex sinn, Torero un Stier ...". Dazu gibt es vom Major eine jazzige cleane Strat und vom Gast-Keyboarder Matthes Keul ein Moog-Solo a la Emerson, Lake & Palmer. Das Ganze mit einem Mitsing-Refrain mit Schlußeffekt: Ein Live-Klassiker ist geboren!

"Häng de Fahn eruss" ist der Prototyp einer Reihe von Rock'n'Roll Nummern, die immer wieder auf den BAP-Alben zu finden sind. Handwerklich gut gemacht, jedoch ohne großen Tiefgang, gedacht als Spaßnummer für den Zugabenteil der Konzerte - ganz nach der Devise:"It's only Rock'n'Roll, but I like it" ...

"Helfe kann dir keiner", erst hier auf dem 2. Album veröffentlicht, war der Ursprung von BAP. Ein Liebeskummer-getränkter Nachmittag, der nicht enden wollte, dazu der Ohrwurm "Cowgirl in the Sand" vom Album "Four-way Street" von CSNY, dessen Griffe Wolfgang Niedecken versuchte, auf der Klampfe zu erarbeiten - aber irgendwie kam er zunächst über E-moll und C-Dur nicht hinaus, und begann darauf seinen ersten kölschen Text zu dichten ... hier nun musikalisch aufbereitet mit E-Gitarre und Moog wird aus dem Liedermacher-Stück eine Rockballade, die auch heute noch zu den Gänsehaut-Momenten der Live-Konzerte gehört.

"Ruut-wieß-blau-querjestriefte Frau" - da ist er wieder, der Hauch von "Diplomatenjagd" und "Annabell ach Annabell": Weitab der Gefilde der klassischen Rockmusik tobt sich Niedecken textmäßig wieder aus in ausufernden und pointenreichen Schilderungen eines Auftritts in der Stammkneipe Chlodwig-Eck mit unerwünschtem Fan-Kontakt. Spitzzüngig wird die High-Society-Lady auf's Korn genommen, die sich zu den unrasierten Studenten-Rockern verirrt hat - Gimmicks wie Vogelgezwitscher unterstützen an markanten Stellen den pointierten neunstrophigen Text. Das ist der Südstadt-Dylan Niedecken auf dem Höhepunkt seiner Kunst - die Solo-Auftritte in Kneipen werden zu diesem Zeitpunkt schon deutlich weniger und im Januar 1982 wird es einen vorläufig letzten im Club Populaire in Bonn geben - danach ist Niedecken Solo mit Klampfe und Harp für Jahrzehnte nicht mehr zu erleben. Und obwohl so gar nicht rockig, hat auch dieser Song es geschafft, zu einem der absoluten Fan-Favoriten zu werden.

Mit "Vun mir uss Kitsch" kommt nun die erste absolute Gänsehaut-Ballade im BAP-Repertoire - das ältere "Jraaduss" wird erst auf dem nächsten Longplayer veröffentlicht. Ganz zart kommt diese Akustik-Ballade daher, das Harp-Solo viel zu zaghaft über dem Gänsehaut-erzeugenden Gitarrenpicking - live sollte später dann ein Saxophon diesen Part übernehmen. Hier ist das Arrangement leider noch nicht ganz auf den Punkt, aber Niedecken's Text schafft den Spagat zwischen Authentizität und Poesie: Trotz Slang-Ausdrücken wie "volles Rohr in dich verknallt" - oder vielleicht ja auch gerade deswegen - wird hier der Zauber des Moments festgehalten und glaubwürdig herübergebracht. Niedecken und Heuser lassen hier erstmals aufblitzen, was sie 2 Jahre später mit "Do kanns zaubere" zur Perfektion bringen ...

Und im vollen Kontrast dazu kommt mit "Kumm op ming Sick" nun ein Pink-Floyd-getränktes und fast schon in Fäkalsprache abgleitendes Stück aus der Rock-Schublade mit endlosem Schlußsolo. Das musikalische Spektrum wurde mit Eintritt Klaus Heuser's bei BAP um unzählige Facetten reicher. Sicher kein Stück zum nebenbei hören.

Den Schlußpunkt des Albums bildet mit "Pardong" ein Stück, das nicht so richtig einzuordnen ist. Auf Basis des Rhythmus-Automaten einer Heimorgel gibt sich Niedecken hier als Conferencier, der sich entschuldigt, fehl am Platze zu sein und singt das Lied der Nicht-Angepaßten. Ein Statement des Songschreibers ans Publikum:"Macht euch nur keine Hoffnungen, daß ich auf Charts schiele und das singe, was ihr von mir hören wollt. Ich laß mich nicht verbiegen - entweder ihr mögt mich, wie ich bin, oder ihr laßt es bleiben ..."

Auch dieses Album wurde noch von der Band selbst produziert. Das merkt man dank der musikalischen Klasse von Klaus Heuser nicht mehr ganz so sehr, aber noch merkt man den Arrangements wie auch der Auswahl und Reihenfolge der Stücke an, daß sich BAP da von keinem anderen reinreden ließ. Das sollte dann nach der Mitte der 80er ganz anders werden. Hier also noch BAP pur mit dem Kern der Erfolgsbesetzung, die in den nächsten Jahren 3 absolute Hammer-Alben aufnehmen sollte.

Die Remaster Bonus CD bietet 6 bzw. 7 Live-Versionen der Album Tracks aus der Zeit zwischen 1982 und 1986, einzig das "Peter Gunn/Brand new Cadillac" Medley ist davon erstmalig zu hören. Auch hier gibt es eine erste Fassung mit Interview, das auf der zweiten Fassung aus rechtlichen Gründen fehlt.

Punkte: 8.5 / 10


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