Meine Fresse, das Album glänzt mit penetranten und variantenreichen Riffs, facettenreichem Songwriting, und mehr oder minder guten Solos. Leider orientieren sich Thrash Metalbands viel lieber an der Spielart von Slayer, vor allem wenn es um Solos geht. Dabei sind diese Gitarristen nicht King oder Hanneman und sowas wie auf "Captor of Sin" wird in seiner Art auch weiterhin nicht zu toppen sein.
Ich könnte jetzt eine Menge über das Album, vor allem über die Lieder, schreiben, doch die Energie, die Sodom auf "Agent Orange" versprühen, lassen sich nicht in Worte fassen. Beginnen wir mal mit dem Opener: Nachdem der coole Anfangsriff - wie wir von weiter unten nun wissen von Sacred Reich geklaut - einem den Eindruck vermittelt, es wird sich hier um einen gemütlicheren Sodomtrack handeln, fühlt man sich kurz darauf wie mitten in Vietnam. Die dramatischen und fast kaltherzigen Riffs, die von Angelrippers Grolls auf den Höhepunkt getrieben werden, hinterlassen vorerst einen sehr traumatischen Eindruck. Das Solo ist ähnlich ausgefallen, eigentlich haben wir hier überhaupt keine Melodie, sondern die Vertonung eines Anschlags!
"Tired and Red" bombt ballert erst den Weg frei, dann folgt erstmal eine kleine akkustische Passage, bei der man sich als Hörer erstmal sammeln kann, ehe ein wunderbares melodisches Gitarrenspiel fortsetzt. Abwechslungsreicher waren Sodom davor und danach kaum noch, um mal diskret zu bleiben und das Wort "nicht" zu meiden.
Der Marschriff auf "Remember the Fallen" gestaltet sich hymnisch, fast episch, hier zeigt sich ein weiteres mal, warum der Weg weg vom Satanischen zur militärischen Thematik der Band den Weg zur kreativen Goldgrube geebnet hat. Ausdauer ist hier das Stichwort, auf den 4:20 passiert objektiv gesehen sehr wenig, doch die Art der Umsetzung würde die enorm angespannte Stimmung, die aufgebaut wird, nur zerstören.
Die Riffwalzen und Tempowechsel die der "Magic Dragon" abwechselnd niederprasseln lässt, machen ihn zu einer Größe für sich. Das Gepeitsche auf "Exhibition 'Bout", auf dem Onkel Tom einmalig wütend klingt auf dem gesamten Album und das so ziemlich vernünftigste Solo des Albums beinhaltet. Einfach großartig!
Gegen Ende beschert uns das bereits erwähnte großartige "Baptism of Fire" einen der prägnantesten Chorusse - technisch und stimmlich - die ich von den jungen Sodom bisher hören durfte. Mit diesem Stück übrigens schließt sich der Kreis, denn Frank Blackfire, meinen Ohren nach der leidenschaftlichste Gitarrist in der Geschichte Sodoms, lässt einem hier das Herz höher schlagen, und kombiniert hier nach Lust und Laune sämtliche Spielarten aus den vorangegangenen Stücken, klatscht im Intro den verstörten Riff von "Incest" im "Magic Dragon" Groove hin, gallopiert daraufhin weg und teert die Strophen im "Agent Orange" Rhythmus zu, ehe er den Chorus in "Tired and Red" Manier losfeuert. Das Solo gestaltete er ebenfalls im Stile von "Tired and Red" bzw. "Exhibition 'Bout".
"Agent Orange" macht fast alles richtig, vor dem Tank-Cover "Don't Walk away" nehme ich aber die CD wieder raus, das ist wirklich unerträglich. Dann doch lieber "Ausgebombt". Insgesamt haben Sodom hier aber ein Album konstruiert, das Eingängigkeit mit Abwechslung und vor allem Kreativität vereint und deshalb jede Art von Lob gegenüber diesem Album gerechtfertigt ist, meiner Meinung nach sogar noch untertrieben.
Punkte: 9 / 10