Nirvana Incesticide (1992) - ein Review von Lord

Nirvana: Incesticide - Cover
2
2 Reviews
23
23 Ratings
8.22
∅-Bew.
Typ: Compilation/Best-Of
Genre(s): Rock: Grunge


Lord
10.06.2010 00:49

"Incesticide" ist der verstossene, wenig geliebte Sohn, das wohl am wenigsten geachtete Werk Nirvanas, das am schwersten zugänglichste, jedoch neben "Bleach" vielleicht das authentischste (sind sie zwar alle). Es ist dreckig, kaputt und unendlich schwer - ein destruktiver Brocken Musik, dessen Inhalt zwischen 1988 und 1991 aufgenommen wurde.

"Incesticide" mag ich eben vorallem deswegen, weil es enorm ungeschliffen und schwerfällig ist - es zeigt den Leidensweg und die Abneigung Cobains gegenüber so ziemlich allem und jedem auf - am Ende auch gegen sich selbst!
Die Scheibe beherbergt eine seltsame, sehr geknickte, kaputte, bedrohliche Atmosphäre - von den anderen Werken Nirvanas als Gesamtes vielleicht mit "In Utero" vergleichbar!

Das ungeliebte Album zeigt Cobains Liebe und Verehrung zur Gruppe The Vaselines (Indie-Band, bereits mitte der 80er aktiv) sehr deutlich; "Son of a gun" und "Molly's lips" (beide auf der 1991/92 veröffentlichten EP "Hormoaning" enthalten) sind zu hören. 1993 sollte der Vaselines-Song "Jesus wants me for a sunbeam" ("Jesus doesn't want me for a sunbeam" bei Nirvana) den Weg in die Unplugged-Setlist und somit in Millionen Haushalte rund um die Kugel finden und der Schottischen Gruppe eine deutlich steigende Aufmerksamkeit bescheren!

Ich liebe dieses Album wegen seiner "Stilvielfalt" und seiner destruktiv kaputten Grundstimmung, seinem ausserordentlich magisch mitreissenden Charme und den brutalen Emotionen - apathisch, energisch, unbequem, fies wie eine Krankheit, voller Angst und Verlangen, abgedreht, erschreckend und verstörend, wunderschön strahlend und sehr zerbrechlich; ein solches Gefühls-Wirrwarr mögen die Songs in mir auszulösen. Ich denke, sie transportieren viel Leid und eine grosse Sehnsucht... Nach was auch immer! Als würde die Welt alles zermatschen, alles klein halten wollen und man will frei brechen..

Mal "grungig/punkrockig" wie in "Dive", "Sliver", "Stain", "Been a son" (beide schon auf der "Blew" EP zu hören) oder "Aneurysm" (auch auf "Hormoaning" drauf, neben "D-7" von The Wipers und "Even in his youth" und den genannten Vaselines-Covers)! Powersongs mit einer Wut, denen vorallem Cobain mit seiner emotionalen Stimme Leben einhaucht, jedoch ein Leben mit viel Schmerz und Leiden.

Dem gegenüber stehen die richtig anspruchsvollen Songs, die nichts Gutes verheissen und wie ein Schandfleck der versteckt bleiben soll wirken: "Hairspray queen" fordert den Konsumenten bis zum Anschlag heraus, braucht Geduld und viel Liebe - erst dann sieht man die (zugegeben hässliche) Schönheit des Songs.
"Big long now" und "Beeswax", die zähflüssig wie Lava und kränkelnd vor sich hin siechen sind äusserst hässlich, man mag nicht hinsehen, dennoch ist man fasziniert und will nix verpassen - ähnlich wie bei einem Autounfall, wenn man sich schämt voyeuristisch hinzuschielen. Man tut es dennoch und ist unsympathisch interessiert.

Obwohl die Songs in einem Zeitrahmen von ca. 4 Jahren und an diversen Plätzen aufgenommen wurden, obwohl das Album 3 Covers enthält, wirkt es wie aus einem Guss und durch "Incesticide" führt ein roter Faden: Verzweiflung! Man kann es auch als Blutlinie ansehen, wenn man will.
Diese kaputte Stimmung, diese Hässlichkeit kommt auch auf dem Cover zum Ausdruck; das kranke, verstörende Bild untermalt und umrahmt die Songs perfekt!
Eigentlich ein sehr kunstvolles Album, das man vielleicht im Jugendalter am besten zu verstehen vermag - in einer Zeit, in der man mit sich selber kämpft, sich gegen die ganze Welt auflehnt..! Heute empfinde ich das Album noch immer gleich wie damals als es raus kam, denn ich erinnere mich an die Stürme die in mir tobten, zu denen Cobain den Soundtrack lieferte und sie so warm umhüllt und sie für immer festhält.

Dieses Werk ist nicht leicht zu verdauen, doch es ist ein Meisterwerk, faszinierend und aufregend. Kein Album für so nebenbei, ein Album dem man sich widmen soll, das wie ein Kind Aufmerksamkeit und Zeit braucht - erst dann dringt es dahin vor, wo es für immer verweilen wird; direkt in's Herz!

Volle 10, obwohl einige der Tracks nicht vollumfänglich überzeugen, klar. Es ist das Gesamtkunstwerk, das NIRVANAs Herkunft aufzeigt, wie das "ungeliebte, verstossene Kind" aufgewachsen ist und zu dem wurde was es ist... Oder eben nicht mehr ist...!

Punkte: 10 / 10


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