THERAPY? schlagen gerne Haken. Selbst die leichteren Werke "High Anxiety" (2003) oder "One Cure Fits All" (2006) wirken im Gegensatz zu "Troublegum" immer noch wie tonnenschwere Bleiklumpen, ganz zu schweigen von wirklich kruden Werken wie "Never Apologize, Never Explain" (2004 erschienen, ein Albumtitel den man sehr gut auf die Karriere von THERAPY? beziehen kann) oder "Suicide Pact - You First" von 1999 (immer noch die wunderbarste Veröffentlichung der Band), das Album, das THERAPY? den Majordeal kostete und durch die noisige Sperrigkeit wohl auch die letzten "Troublegum"-Fans, die das urige "Infernal Love" (1995) und das wieder andeutungsweise noisigere "Semi-Detached" (1998) noch tolerieren konnten, vergrault haben dürfte. Was uns direkt zu "Crooked Timber" bringt, denn das Album ist ähnlich radikal sperrig wie "Suicide Pact - You First". Auch wenn THERAPY? inzwischen eine kleinere Fangemeinde zum vor den Kopf stoßen haben als damals, ist es immer noch mutig, so ein Album zu veröffentlichen. Der nächste Haken. Und was für einer: "Crooked Timber" schlägt ein neues Kapitel im vielseitigen Buch der Band auf. Den Noise-Faktor werden THERAPY? in diesem Leben zum Glück nicht mehr abstreifen können, wenngleich er hier ein wenig in den Hintergrund verbannt wurde, um dem Rhythmus ansich volle Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten. Hier gibt es kaum Melodien, alles lebt von dem grandiosen Zusammenspiel von Basser Michael McKeegan und Drummer Neil Cooper. Aushängeschild, Sänger und Gitarrist Andy Cairns wirkt neben den beiden zwar nicht farblos, aber es scheint, also würde er seinen Bandkollegen mit Freuden die Hauptrolle überlassen - trotz grandioser Gesangsleistung.
Der Einstieg mit dem dunklen Monster "The Head That Tried To Strangle Itself" könnte nicht besser gewählt sein. Das Teil stimmt perfekt auf das ein, was den Hörer in den nächsten 50 Minuten erwartet: Eine schwarze, kantige und perkussive Rockhölle mit schrägen Tönen, die sich allerdings nicht zu schade ist, schöne Melodien zu umgarnen. Mit "Enjoy The Struggle", "I Told You I Was Ill" und "Blacken The Page" haben sich ein paar verhältnismäßig eingängigere Songs eingeschlichen, was aber von schweren Stücken wie "Clowns Galore" oder dem wunderbaren, zehnminütigen Instrumental "Magic Mountain" (FUGAZI meets frühe SOUNDGARDEN) wieder ausgebügelt wird. Die ganz großen Highlights heißen "Exiles", "Crooked Timber" und "Bad Excuse For Daylight". Bei diesen drei Tracks fackeln THERAPY? ein Feuerwerk ab, wie man es ihnen selbst als größer Gönner nicht unbedingt zugetraut hätte. "Exiles" ist ein sehr ungewöhnliches, größtenteils akustisch gehaltener Stück, das von dem wunderbaren Refrain lebt, umweht von einem Hauch KILLING JOKE (Produzent Andy Gill hat THERAPY? übrigens einen ähnlich fetten Sound verpasst, wie KILLING JOKE auf ihrem selbstbetitelten Werk von 2003). Der Titeltrack ist ein nachdenklicher, fast melancholischer Song mit grandiosen Arrangement, der niemals um große Soundflächen verlegen ist und das sicke "Bad Excuse For Daylight" ist der coolste THERAPY?-Rausschmeißer seit "30 Seconds" von "Infernal Love". Jawoll.
Egal, wie sehr man THERAPY? respektiert hat: Nach dem Genuss dieser Scheibe muss man sie einfach noch mehr respektieren. "Crooked Timber" ist ein intelligentes, forderndes, aber zu jedem Zeitpunkt wunderbares Album, wie man es selten zu hören bekommt. Hoffentlich bleiben uns THERAPY? in dieser Form noch sehr lange erhalten.
Punkte: 8.5 / 10