Therapy? Crooked Timber (2009) - ein Review von hlmr

Therapy?: Crooked Timber - Cover
1
1 Review
2
2 Ratings
9.00
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Rock: Noise Rock


hlmr
30.12.2009 21:26

Kaum eine andere Band hat beherzter, beständiger und cooler kommerziellen Selbstmord als THERAPY? begangen. Nachdem die als Noiserocker gestarteten Nordiren mit dem sehr eingängigen, geradzu flockigen "Troublegum" (1994) ein wirklich erfolgreiches Alternative-Album als Zweitwerk auf den Markt geschmissen hatten, enttäuschten sie im weiteren Verlauf ihrer langen Karriere beharrlich jeden, der auf ein stilistisch ähnliches Album wartete. Des einen Freud, des anderen Leid. Natürlich war "Troublegum" ein Album voller Ohrwürmer, aber es ist einfach ignorant und dumm den Rest ihrer unglaublich interessanten Diskografie nicht zu würdigen - schließlich hat die Band mit dem etwas orientierungslosen "Shameless" (2001) erst ein schwaches Album veröffentlicht.

THERAPY? schlagen gerne Haken. Selbst die leichteren Werke "High Anxiety" (2003) oder "One Cure Fits All" (2006) wirken im Gegensatz zu "Troublegum" immer noch wie tonnenschwere Bleiklumpen, ganz zu schweigen von wirklich kruden Werken wie "Never Apologize, Never Explain" (2004 erschienen, ein Albumtitel den man sehr gut auf die Karriere von THERAPY? beziehen kann) oder "Suicide Pact - You First" von 1999 (immer noch die wunderbarste Veröffentlichung der Band), das Album, das THERAPY? den Majordeal kostete und durch die noisige Sperrigkeit wohl auch die letzten "Troublegum"-Fans, die das urige "Infernal Love" (1995) und das wieder andeutungsweise noisigere "Semi-Detached" (1998) noch tolerieren konnten, vergrault haben dürfte. Was uns direkt zu "Crooked Timber" bringt, denn das Album ist ähnlich radikal sperrig wie "Suicide Pact - You First". Auch wenn THERAPY? inzwischen eine kleinere Fangemeinde zum vor den Kopf stoßen haben als damals, ist es immer noch mutig, so ein Album zu veröffentlichen. Der nächste Haken. Und was für einer: "Crooked Timber" schlägt ein neues Kapitel im vielseitigen Buch der Band auf. Den Noise-Faktor werden THERAPY? in diesem Leben zum Glück nicht mehr abstreifen können, wenngleich er hier ein wenig in den Hintergrund verbannt wurde, um dem Rhythmus ansich volle Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten. Hier gibt es kaum Melodien, alles lebt von dem grandiosen Zusammenspiel von Basser Michael McKeegan und Drummer Neil Cooper. Aushängeschild, Sänger und Gitarrist Andy Cairns wirkt neben den beiden zwar nicht farblos, aber es scheint, also würde er seinen Bandkollegen mit Freuden die Hauptrolle überlassen - trotz grandioser Gesangsleistung.

Der Einstieg mit dem dunklen Monster "The Head That Tried To Strangle Itself" könnte nicht besser gewählt sein. Das Teil stimmt perfekt auf das ein, was den Hörer in den nächsten 50 Minuten erwartet: Eine schwarze, kantige und perkussive Rockhölle mit schrägen Tönen, die sich allerdings nicht zu schade ist, schöne Melodien zu umgarnen. Mit "Enjoy The Struggle", "I Told You I Was Ill" und "Blacken The Page" haben sich ein paar verhältnismäßig eingängigere Songs eingeschlichen, was aber von schweren Stücken wie "Clowns Galore" oder dem wunderbaren, zehnminütigen Instrumental "Magic Mountain" (FUGAZI meets frühe SOUNDGARDEN) wieder ausgebügelt wird. Die ganz großen Highlights heißen "Exiles", "Crooked Timber" und "Bad Excuse For Daylight". Bei diesen drei Tracks fackeln THERAPY? ein Feuerwerk ab, wie man es ihnen selbst als größer Gönner nicht unbedingt zugetraut hätte. "Exiles" ist ein sehr ungewöhnliches, größtenteils akustisch gehaltener Stück, das von dem wunderbaren Refrain lebt, umweht von einem Hauch KILLING JOKE (Produzent Andy Gill hat THERAPY? übrigens einen ähnlich fetten Sound verpasst, wie KILLING JOKE auf ihrem selbstbetitelten Werk von 2003). Der Titeltrack ist ein nachdenklicher, fast melancholischer Song mit grandiosen Arrangement, der niemals um große Soundflächen verlegen ist und das sicke "Bad Excuse For Daylight" ist der coolste THERAPY?-Rausschmeißer seit "30 Seconds" von "Infernal Love". Jawoll.

Egal, wie sehr man THERAPY? respektiert hat: Nach dem Genuss dieser Scheibe muss man sie einfach noch mehr respektieren. "Crooked Timber" ist ein intelligentes, forderndes, aber zu jedem Zeitpunkt wunderbares Album, wie man es selten zu hören bekommt. Hoffentlich bleiben uns THERAPY? in dieser Form noch sehr lange erhalten.

Punkte: 8.5 / 10


Warum sind die Cover-Bilder verpixelt?

Bedankt euch bei deutschen Abmahn-Anwälten

Leider passiert es immer wieder, dass Abmahnungen für angebliche Copyright-Verletzungen ins Haus flattern. Ganz häufig ist es der Fall, dass auf dem Frontcover ein Foto oder eine Grafik eines Fotografen oder Künstlers genutzt wird, was dann nur mit dem Namen der Band und dem Titel des Albums versehen wurde. Das ursprüngliche Foto/Kunstwerk ist somit immer noch sehr prominent zu sehen. Die Abmahner nutzen zumeist automatisierte Prozesse, die das Netz nach unlizensierten Nutzungen der Werke ihrer Mandanten durchsuchen und dabei Abweichungen bis zu einem gewissen Prozentgrad ignorieren. Somit gibt es also häufig angebliche Treffer. Obwohl das Foto/Kunstwerk von den Plattenfirmen oder Bands ganz legal für die Veröffentlichung lizensiert wurde, ist dies den Abmahnern egal, ganz oft wissen die ja nicht einmal, was für eine einzelne Veröffentlichung abgemacht wurde. Die sehen nur die angebliche Copyright-Verletzung und fordern die dicke Kohle.

Da Musik-Sammler.de nachwievor von privater Hand administriert, betrieben und bezahlt wird, ist jede Abmahnung ein existenzbedrohendes Risiko. Nach der letzten Abmahnung, die einen 5-stelligen(!) Betrag forderte, sehe ich mich nun gezwungen drastische Maßnahmen zu ergreifen oder die Seite komplett aufzugeben. Daher werden jetzt alle hochgeladenen Bilder der Veröffentlichungen für NICHT-EINGELOGGTE Nutzer verpixelt. Wer einen Musik-Sammler.de Nutzeraccount hat, braucht sich also einfach nur einmal anmelden und sieht wieder alles wie gewohnt.