Gazpacho Tick Tock (2009) - ein Review von utwind

Gazpacho: Tick Tock - Cover
1
1 Review
9
9 Ratings
9.17
∅-Bew.
Typ: Album
Genre(s): Rock: Art Rock, Progressive Rock



14.07.2011 17:58

Am Anfang steht der Aufbruch - das freudige Empfinden Neues zu schaffen - das Pulsierende, Adrenalin
- es gibt einem Kraft, treibt an, macht uns stark. Und so rockt das neue GAZPACHO Album uns einen Willkommensgruß entgegen:

- "Desert Flight" heißt der erste Song. Straighte Gitarren - treibende Gesangsmelodien. In hohen Stimmlagen etwas an eine MUSE-Nummer erinnernd und doch vielmehr GAZPACHO, zollen die Norweger hier der Geschichte Tribut, man spürt förmlich die Aufbruchstimmung, die Freude und Euphorie. Zum Ende hin dann sphärische Sounds, elektronische Einschübe - starke Gitarren Sounds, angezogenes Tempo, treibende Drums - der Absturz.

Erzählt wird in diesem Konzept-Album die Geschichte von ANTOINE DE SAINT-EXUPERY (u.a. Der Kleine Prinz), welche sich später niederschlägt in seinem Buch "Wind, Sand und Sterne".
Am 29. Dezember 1935 macht er sich auf - einen Langstrecken-Flug-Rekord zu brechen.

Der Berufspilot möchte die Strecke Paris - Saigon (heute Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam), als schnellster Mensch bewältigen. Doch 200 km westlich von Kairo, muss er mit seinem Flugzeug in der Sahara notlanden und macht sich nun auf die einsame Wanderung durch die Wüste, unverletzt - Hilfe zu finden.

"The Walk" - der lange Weg durch die erbarmungslose Wüste beginnt.
Der Song ist in zwei Abschnitte unterteilt und hier werden erste orientalische Färbungen im Gesamtbild bemerkbar, eine Violine streut ferne Melodien in den Sound mit ein. Am Ende des ersten Abschnittes wird es dann richtig orientalisch - Tendenzen einer LOREENA MCKENNITT oder, einer von mir sehr verehrten Band, DEAD CAN DANCE sind auszumachen. Percussion, Violine, Sprachfetzen schaffen eine ruhige Atmosphäre, bevor uns Jan-Henrik Ohme in den zweiten Teil des Songs führt.

Immer stärker fängt uns das Geschehen ein, zieh uns hinab in die Geschichte, wir hören immer gebannter zu.

"Close your eyes, it's all around you - the heat's blanket of decay - spirits dancing all around you, dusty coral - lazy grey"

Die Musik begleitet, führt behutsam, spannt große Melodie-Bögen - auf denen Jan-Henrik seine unnachahmlichen Stimmungen verbreitet.

Eine tickende Uhr leitet über in das zentrale Thema "Tick Tock" - ein Dreiteiler voller Spannung und Dramatik - ja, man könnte den Film direkt vor Augen haben. Die Wüste droht einen einzulullen, man hört unterschwellig immer stärker auf den eigenen Herzschlag - Lebensquell, Anker in der Wirklichkeit.
Raum und Zeit verschwimmen - werden Eins.
Die Gleichförmigkeit der Umgebung droht einen zu verzehren, zu verschlingen, flüstert einem "Gib Auf ..." ins Ohr, in die Sinne - der Überlebenskampf beginnt - Lebenszeit verinnt - unaufhörlich ...

Monotonie - sie begleitet einen auf diesem schwierigen Weg - und so setzen GAZPACHO ein Metronom ein, welches immer wieder während der 22 Minuten dieses Songs hörbar wird, den Rhythmus vorgibt.
Und um diesen Rhythmus herum weben die Meister des New Artrock eine Klang-Landschaft nach der anderen, Wüstenbergen und -tälern gleich.

"The road's a dream within a dream - the world a cloud around you" - das Unterbewußtsein klammert sich ans Leben - möchte nicht aufgeben - Verzweiflung und Todesangst, Kampf um die Existenz.

Aus der Monotonie bricht plötzlich ein sakralen Männerchor (absolute Klasse!) hervor - die Drums pochen auf Veränderung, hart werden Gitarren Strukturen eingestreut - Teil 2 von "Tick Tock" bricht an.

"... just keep on living ..." - Marillion Noten zu KAYLEIGH Zeiten schweben plötzlich im Klang-Kosmos mit. Die Gesangs-Melodien werden immer bewegender, stärker, zwingender.
Ein Kaleidoskop menschlicher Gefühle zeigt sich hier: nicht nur Verzweiflung, auch immer wieder Hoffnung (Fata Morgana), Todesangst und Demut.

Hier sollte man einmal die Band hervorheben.
Was Schlagzeug - Robert R. Johansen und Bass - Kristian Torp hier mit einbringen ist absolut beachtenswert. Sehr songdienlich und doch immer wieder Akzente setzend - Hartmut schrieb in seinem LIVE Bericht zum Bass-Spiel - hier nachzulesen - von der Größe Pete Trevawas, und das kann ich nur bekräftigen. Die Jungs wachsen immer weiter ... bin wirklich gespannt, wo das noch hinführen kann. Auch Mikael Kromer - nicht nur Gitarrist, sonder auch Violine und Mandoline und Jon-Arne Vilbo - Gitarre, variieren ihr Spiel ungemein, passen es den jeweiligen Stimmungen immer aufs Neue an, sind sanft bis dissonal, ruhig bis druckvoll, während Thomas Andersen eine Sound-Collage nach der anderen, gerade die warmen Mellotron Spielereien sind erwähnenswert, auf das entstanden Klang-Gemälde oben auf setzt. Ja - GAZPACHO malen ihre Musik - sie gestalten Welten, bringen Farbe auf und lassen uns teilhaben.

"Come out of the shadows, the hills are a-green - painting you a rainbow, singing you a dream ..."

Wir sind im dritten Teil von "Tick Tock" und die Musik wird episch - die Melodie-Bögen noch dramatischer, ausufernde Weisen - absolut zwingend, treffen in Herz und Seele.
Nach 5 Tagen wird Antoine von einer Beduinen Karawane gerettet - kurz vor dem Verdursten.

Zum Abschluss wird mit "Winter is never" noch ein, für GAZPACHO Verhältnisse kurzes Stück geboten.
Die Verarbeitung seiner Rettung - Rückkehr in die Arme seiner Frau.
Sanft und ruhig klingt die CD aus - einmal mehr kann Jan-Henrik Ohme seine Kunst zeigen.
Er präsentiert sich auf dieser CD variabler als je zuvor - schmeichelt, verzweifelt, aber ohne überzogenen Pathos. Manchmal fast weinerlich präsentiert er uns die Gefühlswelt des Protagonisten in unnachahmlicher Manier. Er macht das Erlebte transparent, ist der Anker in den Klanggemälden von GAZPACHO.

Dieser atmosphärisch dichten und musikalisch fesselnden Scheibe sollte man unbedingt Zeit geben - sie wird definitiv immer weiter wachsen, neue Feinheiten offenbaren. Sie ist abwechslungsreich, technisch perfekt, aber nicht steril - sehr melodisch, aber nicht im negativen Sinne eingängig.

Und so schaffen GAZPACHO nach dem 2007er Werk "Night", ein weiteres Meisterwerk. Für mich sogar stärker, als der grandiose Vorgänger, da ausgereifter und variabler im Sound, da noch intensiver in den Stimmungen und im Gesang.

FAZIT

IRGENDWO ZWISCHEN SEELE UND HERZ, ZWISCHEN TRAUM UND REALITÄT,
LIEGT DAS LAND GAZPACHO - ES BEDARF RUHE UND DIE FÄHIGKEIT DES ZUHÖRENS
UM DIESES LAND ZU ERFAHREN - ES IST HYPNOTISCH - GEHT UNTER DIE HAUT - VERFÜHRT - PURE MAGIE

Punkte: 10 / 10


Gazpacho: Tick Tock

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