Du sagst, du warst davor ein grosser Hosen-Fan.. Und "Comino" - ich denke das wäre dann Campino - würde hier singen statt gröhlen. Nun, 7 Jahre zuvor, auf "Damenwahl", sang Campino auch schon. "Damenwahl" war äusserst brav produziert, eingängiger als "Unter falscher Flagge" davor und die "Horrorschau" danach (die Roten Rosen-Scheibe gar nicht erst mitgezählt). Und was "Alles aus Liebe" angeht - wahrlich auch für mich kein Highlight - so enthält "Damenwahl" mit "Freitag der 13." einen Song, der sowohl von der Melodie (dieselben Akkorde) als auch vom Textinhalt der klare Vorläufer von "Alles aus Liebe" ist. Insofern ist dieser Kritikpunkt etwas lächerlich, sorry.
Zum Album: Auch für mich das letzte "grosse" Hosenalbum. Zwar krachten sämtliche Nachfolger - "Unsterblich" mal ausgenommen - mehr als "Kauf mich", das nun wirklich butterweich und blutarm produziert war (besonders die Drums), dennoch enthält das Songwriting die Hosen-typischen Trade Marks der vorhergehenden Alben. "Typische" Hosen-Songs sind gute Kracher mit super Melodien wie zB "Wehende Fahnen", "Achterbahn", "Liebeslied", "Der Mord an Vicky Morgan", "Glückspiraten", "All die ganzen Jahre" und "Mehr davon". Hymnenartige Songs, einprägsam mit einem touch Melancholie. Dieses Muster wird auch auf "Kauf mich" beibehalten: "Wünsch dir was", "Der letzt Tag" oder "Niemals einer Meinung" stehen dafür gekonnt Pate. Dass auch Neues gewagt wurde, offenbart sich gekonnt in "Mein grösster Feind" oder "Gewissen".
Teilweise wird "Horrorschau"-mässig agiert - sei es in "Hot-Clip-Videoclub" oder in einem meiner Faves der Scheibe; "Gute Reise"
Zu erwähnen sind noch die B-Seiten der damaligen Singles: "Wahre Liebe", "Krieg und Frieden" oder "Hilfe" sind GROSSARTIGE Songs, um die sie heute als A-Seiten wohl nur froh sein könnten.
Mit "Opium fürs Volk" wandten sich die Hosen diesem sympathischen, einfachen Deutsch-Punk ab. Ich weiss noch, dass ich nach den Jahren 1994/95, in denen Bad Religion und Pennywise ihren endgültigen, weltweiten Durchbruch hatten, sowie Rancid, Green Day und Offspring den melodiösen "Punk"Rock lostraten, der viele Bands wie Millencolin oder No fun at all nach sich zog, erwartete, dass die Hosen auch diese Surfpunkrock Linie einschlagen würden, was mich damals auch gefreut hätte. Gleichzeitig ging es jedoch mit dem Crossover/Hardcore-Tralala ala Rage against the Machine los, was wohl bei den Hosen den grösseren Eindruck hinterliess. So hörte sich dann "Opium.." eher nach Crossover als Punkrock an. Und ab da verloren die Hosen für mich ein bisschen ihre Idendität.
"Kauf mich" ist das bislang letzte "wahre" Hosenalbum, das ich von A - Z zumindest GUT finde. Manche Sachen wie das auf Vinyl leider weggelassene, als Hiddentrack platzierte "Der letzte Tag", "Gute Reise", "Drunter, drauf & drüber", "Niemals einer Meinung" sowie "Wünsch dir was" sind hervorragend, andere Songs sind eher mittelmässig - ich denke da an die Hitsingle "Alles aus Liebe" oder "Rambo dance" feat. Tom Gerhard - die Hosen tauchten dann revanchierenderweise in "Voll normaal" auf.
Typisch für 1993 sind "Willkommen in Deutschland" und die bereits zu Weihnachten 1992 erschienene Single "Sascha": Nach den Vorkommnissen in Rostock, Solingen und Mölln musste gehandelt werden und so wurden auf den Deutsch-Veröffentlichungen von 1993 Anti-Nazisongs zum festen Bestandteil. Sei das bei den Ärzten mit "Schrei nach Liebe", BAP (an die "Willkommen in Deutschland" musikalisch erinnert) mit "Widderlich" oder gar den Onkelz mit "Deutschland im Herbst". Die Hosen jedoch hatten von Anbeginn weg Songs, die sich mit dem Thema beschäftigten: zB "Ülüsü", "1000 gute Gründe" oder "5 vor 12".
"Sascha" konnte man zuerst live bei der Veranstaltung "Heute die, morgen du" vom Dezember 1992 hören, während "Willkommen in Deutschland" schon im September 1992 bei Live-Konzerten gespielt wurde.
"Kauf mich" fährt gute 8,5 Punkte ein.
Punkte: 8.5 / 10