Nur etwa anderthalb Jahre nach ihrem letzten Longplayer "Blutbahnen" legen die Jungs und die Dame aus Thüringen ihr neues Schlachtfest vor. Im Vergleich zum Vorgänger ist er diesmal nicht mehr ganz so klavierbetont und es geht insgesamt wieder etwas derber zur Sache. Für Verwirrung dürfte das Intro des Openers "Stahlschwarzschwanger" sorgen, da man Elektroklänge bisher nur aus der Selbstparodie "Die wahre Elektro-Hexe" kannte. Doch jener erste Eindruck verfliegt ganz schnell, wenn das (ein wenig an den Auftakt des "Blutbahnen"-Albums erinnernde) epische Intro beginnt. Der Song selbst legt dem Album schon einen höllischen Start hin. Insbesondere der cleane Gesang von Frontsau M. Roth hat sich noch weiter verbessert, doch auch seine Blutkehle, wie das Screaming von ihm genannt wird, ist hier wieder eine Spur aggressiver als auf dem Vorgänger.
Mit "Treibjagd", "Erscheine" und "Das liebe Beil" geht das Album gut weiter, wenngleich "Erscheine" bis auf ein paar Uptempo-Parts in der Mitte etwas zu sehr im Schneckentempo verläuft. Das nächste wirklich exzellente Schlachtfest folgt dann mit "19 Nägel für Sophie". Jenes Lied, welches man teils als richtige Ballade ansehen kann, ist in seiner Gesamtheit einfach unglaublich herrlich schwarzhumorig. Nicht nur einmal lief mir bei Textzeilen wie "Jeder von ihnen ein 30 Zentimeter langer, rostfreier Totempfahl" ein Grinsen über das Gesicht. Auch das Zwischenspiel, in welchem Roth ganz detailliert erklärt, WO er der jungen Dame die Nägel hinstecken möchte, ist extrem lustig gemacht. Weiter geht's mit "Sei Fleisch und Fleisch sei tot"! Ein klassischer Eisregensong möchte man fast sagen, denn jener hätte auch fast auf der "Farbenfinsternis" landen können, denn irgendwie erinnert er mich vom Sound und Gesamtbild daran.
So, meine lieben alten Damen, nehmen Sie sich in Acht, der psychisch labile Rentnerficker geht wieder um. "Schwarzer Gigolo", die Geschichte eines psychopathischen Omakillers, welcher eben jene verführt, um in dem Testament bedacht zu werden. Anschließend "wird die alte Dame einfach umgebracht". Herrlich böse, insbesondere die Art des Stücks, bis auf ein paar Parts im Refrain verzichtet Roth hier vollkommen auf seine Blutkehle und lässt das Stück somit generell eigentlich eher sanft anmuten. Das "Süßfleische Nachtgebet" lassen wir dann schnell hinter uns und kümmern uns dann lieber um "Das letzte Haus am Ende der Einbahnstraße" (Thema: Snuff-Movies drehen) und den Titelsong "Knochenkult". Jene sind nochmal richtig schön in typischer Eisregen-Manier dargeboten. Herrliche Textgebung, die beweist, dass Roth genau bestimmen kann, ob er nun eher verschlungene, düstere Texte wie im Titelstück oder ein bloßes Schlachtfest komponieren möchte. Besitzer der limitierten Box oder des Digipaks dürfen sich über eine Neuaufnahme des Demoklassikers "Blut ist Leben" freuen, welcher nun endlich ein vernünftiges Soundgewand verpasst bekommen hat.
Fazit: Mit "Knochenkult" legen Eisregen eines ihrer besten Werke vor. Das liegt hauptsächlich an dem Abwechslungsreichtum des Albums, denn man fixiert sich nicht auf langsame oder schnelle Songs, man schlägt textlich nicht nur in eine Kerbe, sondern mischt das, was die Band schon immer am besten konnte: Einen melodiösen Mix aus Black und Gothic Metal zu kreieren, ohne dabei das Niveau zu verlieren, außer es ist gewollt. Eisregenfans machen mit dem Album nichts falsch und Leute, welche in die Band reinhören wollen sind hier ebenfalls gut bedient.
Punkte: 9 / 10