Den weiblichen Körper als Entdeckungskarte, diese Idee hatten jetzt nicht erst Lindeman, Kruspe und co. Ein Lied darüber zu schreiben, wie man in 2 Stunden durch die Welt der weiblichen Anatomie reist, auf Expeditionsreise der unterschiedlichen Länder und Kontinente also zu gehen, das hatten sich schon viele Casa Novas getraut, aber eben noch keine Musiker, zumindest nicht in der harten Szene. Und das machen Rammstein auch auf dem ersten Track, deuten dann auf Stück 2 an in den Himmel aufzusteigen, auch wenn sie nicht wirklich "Engel" sein wollen. Zu diesem Lied muss man eigentlich kaum mehr etwas sagen, er war seinerzeit nicht umsonst ein Hit, denn 2 Strophen Blasphemie und ein ziemlich gutes Instrumental reichen meist aus, um die Gemüter in Wallung zu bringen.
Erfreulicherweise sind "Engel" und die andere Single "Du hast" die mit Abstand schwächsten Lieder auf dem Album und das sagt schon einiges über die Qualität dieses Werks aus: Es gibt nur gute Lieder auf "Sehnsucht". Morbider Humor darf natürlich auch hier nicht fehlen und Rammstein decken hier den ganzen Lehrplan des Sexualkundeunterrichts ab, inkusive der unorthodoxen Extrabereiche im Stile von "Spiel mit mir", "Tier", "Bück dich" und "Fellfrosch". Das wäre doch mal eine Motivation für die heutige sexuell hyperaktive Generation: Nehmt einfach ein paar Texte von Rammstein auseinander und erkennt ihre Bedeutung, ohne Hilfe aus dem Internet versteht sich, und erst wenn sich herausstellt, dass euer Hirn immerhin 1% der Aktivität eurer Geschlechtsteile habt, dann könnt ihr euch am Neuerlernten hier erfreuen.
"Schöne" Lieder gibt es hier zum Glück auch, nach dem "Seemann" vom Debüt hat diesmal allerdings das leblose "Klavier" die Ehre. Ein wundervolles Stück, das um's Fremdgehen... geht. Etwas, das heute wahrscheinlich nicht mehr so genannt wird, eher Erfahrungsaustausch oder so, aber ja ihr lieben Kinderlein, es gab mal eine Zeit, in der Männlein und Weiblein auch mal für mehr zusammen waren als nur für das Billard spielen zwischen den Beinen. Gibt auch so ein berühmtes Wort dafür, aber die eigentlich-gar-nicht-so-männlichen Mannen von Knorkator haben das Wort für jeden anständigen Mann mittlerweile verboten. Fragt mal eure Großeltern danach, die können sich noch daran erinnern. Nein, die werden euch nicht über den Krieg erzählen, auch wenn dieses Ding für euch mittlerweile ähnlich tot und suspekt sein dürfte wie eben Erstgenanntes.
Das Album bleibt dennoch ein musikalischer wie textlicher Geniestreich, wer also heute den Quagmire gibt und die passende Musik dazu sucht, ohne dabei äußerst obszön zu wirken, der wird hiermit wohl das Passende gefunden haben. Aber auch sonstige Hartmusiker werden an diesem Album Gefallen finden, zumal einfach jedes Lied musikalisch auf den Punkt gebracht ist und es sich hier nicht um Angeber handelt, die diese Musik kreiert haben.
Punkte: 9 / 10