Klar hat es kein "In the Air Tonight". Aber es hat "I Don't Care Anymore". Was für ein brachialer Opener! Reduziert auf ein geniales mehrfach überlagertes Drum-Pattern auf einem Keyboard/Bass-Pedal-Teppich, mit ein paar düsteren Gitarren-Sprengseln von Daryl Stuermer ...und natürlich Collins unfassbar starkem Gesang. Da ist die Trauer über die zerbrochene Ehe einer überbordenden Wut gewichen. Was bei "Face Value" teilweise noch arg weinerlich klang ist hier blanker Zorn! Und der zieht sich - vor allem textlich - durch das gesamte Album.
"Hello..." ist Phil Collins' zweites und definitiv stärkeres Trennungs-Album.
Ich schließe mich Slick an: auf der Platte ist nicht eine schlechte Nummer. Kein Füller weit und breit. Auf die einzelnen Stücke muss ich hier nicht mehr eingehen. Nochmals danke, Slick! Hier sei vielleicht noch zu erwähnen, dass noch ein weiteres von Collins wahrscheinlich stärksten Nummern auf diesem Album zu finden ist: "Thru these Walls". Und tatsächlich recycelt Collins auf diesem Track den legendären Schlagzeug-Auftakt von "In the Air Tonight" - weil das offenbar auch noch irgendwie auf dieses rundum gelungene Album drauf musste.
So, und nun gibt es jene Platte als Remaster... mit Bonus-Tracks!
Zum Remastering: Ich habe mich Monate lang vor Erscheinen der neuen CD-Ausgabe (mit neuem Cover-Shot) gefreut wie Bolle. "I Don't Care Anymore" und "Do You Know, Do You Care?" endlich wie schon "In the Air Tonight" in FETT! Yey!
Und ich bin nicht enttäuscht worden.
Der Sound kommt ziemlich transparent aus den Boxen. Insgesamt ist das 2016er Remaster etwas lauter als das CD-Mastering aus den - ich glaube - späten Achtzigern. Audiophile Nerds (no offence meant!) werden behaupten, dass die Dynamik durch das Anheben der Gesamtlautstärke etwas abflacht. Das ist für mein Empfinden aber kaum bis gar nicht wahrnehmbar. (Vielleicht ist es auch der Segen des Ü-Vierzigers, dessen schwächer werdendes Gehör das etwas wurschter ist, als noch vor 20 Jahren...) Jedenfalls klingt die Neu-Auflage ausgezeichnet. Gerade die Drums kommen klar rüber, auch den Bässen hat das Remastering - meine ich - sehr gut getan.
Die Bonus-Tracks: gut, B-Seiten gibt's hier nicht. Die waren meines Erachtens bei Phil Collins auch immer eher verzichtbar. Das eine oder andere Kleinod aus dem Archiv wäre schon schön gewesen. Dafür gibt es Live-Aufnahmen. Und das nicht zu knapp. Anders als bei "Face Value" stammen die sogar zum größten Teil in etwa aus der Zeit der Veröffentlichung des Albums. Im Großen und Ganzen klingen die Aufnahmen auch sehr gut. Vor allem Schlagzeug und Bass kommen richtig satt aus den Boxen. Und auch auf der Bonus-CD ist es "I Don't Care Anymore", das einfach umhaut. Collins gibt alles und singt/schreit sich die Seele aus dem Leib. Wow!
Die beiden Demos ganz am Ende sind nett - aber nicht essenziell. Das ist vielleicht der einzige kleine Kritikpunkt, wenn man den auf Teufel komm raus einen finden will: Anstelle der Demos wäre vielleicht doch der eine oder andere Outtake oder vielleicht 'ne B-Seite interessanter gewesen.
Ich liebe dieses Album! Und nachdem es klanglich jetzt noch etwas aufgepeppter daherkommt, hat diese bereits in die Jahre gekommene Zuneigung noch einmal richtig Feuer bekommen.
Punkte: 10 / 10