Aber soweit sind wir hier noch nicht, und Oldfield ist auch noch nicht bei "Crises" und "Moonlight Shadow" angelangt. (Auch eines der Oldfield-Alben, die besser sind, als ihr Ruf.)
"Five Miles Out" ist das erste Album, auf dem Oldfield aktiv in richtung TOP40 schielt. "Q.E.2" war noch zu 'artsy'. "Filve Miles Out" hingegen enthält den ersten richtigen Hit - "Family Man" - der leider nur in der Hall & Oats-Version und nur in den USA ein Hit werden sollte. Der eine hört Disco und verpöhnt Selbiges, der andere vefällt dem pumpenden Rhythmus spätenstens ab Vers 2. Ein netter kleiner Pop-Song - und durchaus 'heavy'. Den dämlichen Fairlight-Tropfen-Sound kann man ja beflissentlich überhören oder hinnehmen. Maggie Reilly jedenfalls ist in Topform. (Empfehlenswert: die Live-Version der Deluxe Edition. Maggie gibt alles!)
Der andere 'Pop'-Song auf dem Album ist das titelgebende "Five Miles Out" - bekanntermaßen erstmals Mike Oldfield selbst als Sänger. "FMO" ist einer der Singles, bei der man sich fragt, warum heute (2015) so etwas nicht mehr möglich ist; eine kleine Pop-Oper, Drama par excellence, absolut abseit von jeglichem Verse-Chrous-Verse-Chorus-Chorus-Schema. Toll!
Und nun zu den Instrumentals:
"Taurus II" ist ein Longtrack inder Tradition von "Tubular Bells", "Hergest Ridge", et cetera. "Taurus 1" vom Vorgänger-Album ("Q.E.2") wird gelegentlich musikalisch aufgegriffen. Ansonsten liefert "Taurus II" das Leitmotiv für "File Miles Out" (den Song) und einen Großteil von "Orabidoo" (dazu später).
"Taurus II" ist gewiss die beste lange und komplexe Komposition seit "Ommadawn" von 1975. In seinen guten Momenten - und davon gibt es viele - vermag es dem Stück, den Hörer mitzureißen - in seinen schwächeren Momenren (und auch davon gibt es einige) - wirkt "Taurus II" schlicht albern; es gibt hier einige der für MO auch typischen manieristisch naiven Melodien á la "Cuckoo Song" und "Don Alfonso" (!) Mit seinen 24 Minuten Spielzeit ist "Taurus II" vielleicht einfach ein paar Minuten zu lang geraten.
Nach mittlerweile 30-jäjriger Kenntnis dieses Albums muss ich feststellen: das zentrale Stück ist nicht etwa der Opener "Taurus II", sondern "Orabidoo". (Eine gewagte These, ich weiß!) Das Stück besteht aus vier Teilen: ein sehr ruhiges Intro, einen zunächst nervigen aber im Grunde gelungenen Vocoder-Part, den 'playout' des "Taurus"-Themas - STARK! - und eine gesungene Coda. Man muss sich an "Orabidoo" erst gewöhnen, aber irgendwann funkt 's. Das Remastering hat der Nummer gut getan. Der Wechsel zwischen ruhigen Parts und instrumentalen Ausbrüchen ist bemerkenswert.
Und dann gibt es noch die Kollaboration mit Carl Palmer.
Gut - auf "Q.E.2" wars noch Phil Collins. Jetzt halt einer der anderen großen Trommler der damaligen Zeit. Aber eigentlich hätte das, was Palmer da zusammentrommelt auch so manch anderer hinbekommen. OK, der Sound, ja! Aber das alleine ist doch zu sehr subtil als das das Stück in Euphorie versetzt. "Mount Teide" (oder "Teidi") ist eines der schwächeren Instrumental-Kompositionen Oldfield und daran ändert auch Palmers Perkussion nix.
Nachdem ich auch im Besitz der Delixe-Edition bin, noch ein Wort hierzu:
Es gibt die nicht essentielle B-Seite "Waldberg (The Peak)" und eine Demo-Version von "Five Miles Out" als Bonus. Lohnenswert ist hingegen das Köln-Konzert vom 6. Dezember 1982. Due Band ist in bester Spiellaune, Maggie Reilly gibt am Mikro wirklich alles, "Tubular Bells" kommt im Gewand der frühen Achtziger, sehr interessant, "Taurus II" wartet mit ungewöhnlichen Fairlight-Sounds auf. Toller Konzertmitschnitt!
Fazit:
"Five Miles Out" ist m.E. Oldfields bestes Achtziger-Album. Die Singles sind stark und noch deutlich weniger auf Kommerz und "kauf mich!" ausgelegt als später bei "Crises". Die Instrumentalstücke sind phasenweise sehr 'ambient' und kompositiorisch noch sehr mutig. Das Album ist insgesamt sehr abwechslungsreich, die Singles stören nicht - im Gegenteil! - und "Mount Teide" lässt sich skippen, tut aber auch nicht wirklich weh.
Ich gebe dem Album 9 Punkte, weil es halt an Größen wie "Tubular Bells", "Ommadawn" und später "Amarok" nicht herankommt. Im Oldfield-Kontext sind 9 aber durchaus passend. Schon alleine für die Band (Mike Oldfields damalige Tour-Band) und die Sängerin.
Punkte: 9 / 10