Meine erste Berührung mit "Alcest", kurz vor der Veröffentlichung des zweiten Albums namens "Écailles de Lune" geschah mit einer EP mit dem Titel "Le Secret" aus dem Jahre 2005, über Drakkar Productions veröffentlicht. Gefallen hat mir das Gebotene nicht, wobei ich aus heutiger Sicht die Gründe nicht (mehr) verstehe. Vielleicht war ich einfach noch nicht offen genug für die Musik von "Alcest". Genug geredet, eben jene EP wurde 2011 über Prophecy Productions als Neuaufnahme, inkl. der Originalaufnahmen, wiederveröffentlicht.
Das Review richtet sich nun speziell auf die Neuaufnahmen, da die Originale jedem Freund der Klänge von "Alcest" bereits bekannt sein dürften. Dank des klareren und druckvolleren Sounds würden die beiden Stücke, meiner Meinung nach, nun auch gut auf das bereits erwähnte zweite Album der Franzosen passen. Vom etwas rohen Sound aus dem Jahre 2005 ist nichts mehr vorhanden.
Regen, atmosphärisches Gitarrenzupfen und dezent platzierte Beckeneinsätze. So wird der Titeltrack der EP eingeleitet, bis ein langsamer Drumbeat dazukommt und der Song langsam aber sicher startet, etwas an Tempo zunimmt und schließlich mit dem Dazukommen von Doublebass und dem Hauptriff, welches jedoch nicht zu Tode wiederholt wird, richtig in die Gänge kommt und vor Abwechslungsreichtum und Ideenvielfalt nur so strotzt. Gesanglich wird hier durchgehend auf die klare Stimme und stellenweise auf Geflüster von Mastermind und Hauptmusiker Neige gesetzt, welche die triste Atomsphäre perfekt zu unterstützen weiß.
Das zweite Stück nennt sich "Elévation" und wird von sehr ruhigen Keyboard-Klängen und einem sanften, engelsgleichen Chor eingeleitet, bis diese nach zirka drei Minuten durch das passend-stürmische Einsetzen der Instrumente, und später auch durch den Gesang, verdrängt werden. Im Gegensatz zum ersten Lied kreischt sich hier Neige mit seiner unglaublich markanten und charakteristischen Stimme die Seele aus dem Leib, wobei natürlich sein Klargesang nicht außen vor bleiben darf. Musikalisch wird hier mindestens ebenso viel Atmosphäre und Variationsreichtum wie beim Vorgänger-Song geboten. Beide zeichnen sich großteils durch die Tempo- und Stimmungswechsel aus. Die Riffs werden zwar oft und lange wiederholt, ohne jedoch Langeweile oder Monotonie aufkommen zu lassen.
Der Unterschied zwischen den beiden Variationen der Lieder liegt eigentlich nur im Sound, auch wenn sich die Spielzeiten der Songs ein ganz klein wenig unterscheiden. Ich bevorzuge hier die beiden Neuaufnahmen, was wohl eben am Soundgewand liegt, in dem sich die Lieder anno 2011 präsentieren, da ich bei diesem Musikstil einfach einen klaren Klang bevorzuge, um wirklich jedes noch so kleine Detail genau heraushören zu können, wie es z.B. auch beim Zweitwerk von "Alcest" oder bei den zwei bisherigen Alben von "Lantlôs" der Fall ist.
Freunde von "Alcest" sollten auf jeden Fall zuschlagen, falls dies noch nicht geschehen ist. Aber generell jeder, der der momentan vorherrschenden Black Metal-/Shoegaze-Bewegung etwas abgewinnen kann, sollte unbedingt ein Ohr riskieren und dürfte nicht enttäuscht werden, wenn man den Stücken etwas Zeit gibt um sich vollständig zu entfalten. Die Höchstnote gebe ich hier nur deshalb nicht, weil sich die Franzosen auf "Écailles de Lune", was ursprünglich nach "Le Secret" erschienen ist, nochmals gesteigert haben und ich mir sicher bin, dass sie das erneut schaffen werden. Bei "Alcest" steht also weiterhin noch etwas Platz nach oben zur Verfügung.
Punkte: 9 / 10